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Die §§ 30 und 130 OWiG nach der Entscheidung des EuGH in der Sache „Deutsche Wohnen“

Von Dr. Matthias Peukert, Rechtsanwalt

In seinem aufsehenerregenden Urteil vom 5.12.2023 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Sache „Deutsche Wohnen“ (Rs. C-807/21) entschieden, dass für die Verhängung eines Bußgelds nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gegen eine juristische Person zwar ein Verschulden nachgewiesen werden muss. Nicht erforderlich sei jedoch, den Verstoß auch einer identifizierbaren natürlichen Person zuzurechnen. Weder die Handlung einer konkreten Person noch die Kenntnis eines Leitungsorgans im Unternehmen müssten festgestellt werden. Für ausreichend erachtet der EuGH also scheinbar eine Art überindividuelles „Unternehmensverschulden“. Entgegenstehende nationale Regelungen, namentlich die §§ 30, 130 OWiG, seien diesbezüglich nicht anwendbar. Denn dem Zweck der DSGVO, ein hohes Niveau im Bereich des Datenschutzes für natürliche Personen zu gewährleisten, liefe es zuwider, wenn es einzelnen Mitgliedsstaaten gestattet wäre, zusätzliche materielle Voraussetzungen für den Erlass einer Geldbuße zu schaffen.

Das Urteil dürfte somit keine gute Nachricht für solche Unternehmen sein, die sich offenkundig nicht an die Regeln der DSGVO halten. Was bedeutet die Entscheidung aber möglicherweise darüber hinaus für das in §§ 30, 130 OWiG niedergelegte Konzept des deutschen „Unternehmensstrafrechts“? Drängt die bereits im Kartellordnungswidrigkeitenrecht vollzogene Denaturierung der §§ 30, 130 OWiG (vgl. EuGH Urt. vom 7.6.1983 – Rs. C-100/80) weiter in das deutsche Recht vor? Müssen zukünftig auch in allgemeinen Wirtschaftsstrafsachen die §§ 30, 130 OWiG im Lichte der nun ergangenen „Deutsche Wohnen“-Entscheidung des EuGH ausgelegt werden?

 

Dass sich das vom EuGH vorgestellte Haftungskonzept dabei nicht widerspruchslos in unser deutsches „Unternehmensstrafrecht“ einfügen lässt, ist klar. Ob dieser europäische Ansatz aber „nur“ eine (weitere) sektorale Ausnahme zu nationalrechtlichen Grundsätzen ist oder den nächsten Schritt einer umfassenden Europäisierung des Ordnungswidrigkeitenrecht markiert, wird auf jeden Fall Gegenstand weiterer Diskussionen sein.

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