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Über die „Befangenheit“ aus vormaliger Tätigkeit

Von LRD Stefan Rolletschke, Leiter des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung, Düsseldorf

Während meiner seinerzeit in einem kleineren Finanzgericht abgeleisteten Wahlfachstationszeit sorgte ein Befangenheitsantrag eines Prozellbevollmächtigten zwar teilweise für Amüsement, überwiegend bewirkte er aber ein selbstkritisches Nachdenken. Was war geschehen? Der besagte Prozessbevollmächtigte hatte seinen Befangenheitsantrag damit begründet, dass sämtliche Berufsrichter des erkennenden Senats zuvor Verwaltungsjuristen in der Finanzverwaltung gewesen waren und deshalb in einem gegen die Finanzverwaltung geführten Prozess gar nicht unbefangen urteilen könnten. Dass der Antrag mangels Befangenheitsgründen zurückgewiesen wurde, dürfte nicht überraschen. Eine andere Entscheidung hätte auch zur „Kapitulation“ der Finanzgerichtsbarkeit geführt. Schließlich entstammten damals mehr oder weniger alle Berufsrichter der Finanzverwaltung. Aber enthielt der Befangenheitsantrag nicht einen Funken Wahrheit? Führt die berufliche Sozialisation nicht dazu, dass man Dinge durch eine besondere Brille sieht? Und bestehen gegebenenfalls nicht persönliche Verflechtungen, die dieselbe Wirkung haben könnten? Als ehemaliger Richter am Finanzgericht würde ich mich insoweit jedenfalls nicht freisprechen wollen.

Wenn es aber eine Vorprägung gibt, welche Auswirkungen hat es dann, dass Finanzrichterstellen heute vermehrt, wenn nicht sogar dominant mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten aus im Wesentlichen namhaften Großkanzleien besetzt werden? Besteht dann nicht sogar mehr als seinerzeit bei Verwaltungsjuristen, die einer Dienst- und Fachaufsicht unterliegen und typischerweise viele „Wanderjahre“ hinter sich zu bringen hatten, die Gefahr einer persönlichen Verbundenheit? Hier mit „ihrer oder seiner Kanzlei“. Wird nicht zumindest der Anschein persönlicher Verflechtung durch spendable Einladungen und lukrative Kanzleivorträge erzeugt?

Vielleicht wäre eine stärkere Binnenpluralität geeignet, der Gefahr des bösen Anscheins zu begegnen. Richterinnen und Richter an einem Finanzgericht müssen nicht den beiden genannten Berufsgruppen entstammen. Insoweit kommen sicher auch Juristinnen und Juristen aus Rechtsabteilungen von Unternehmen, Kolleginnen und Kollegen, die eine wissenschaftliche Laufbahn durchlaufen haben, oder Richterinnen und Richter aus anderen Gerichtszweigen in Betracht. Die Mischung dürfte es machen.

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