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Gesetzlicher Richter? Ein Zwischenruf.

Von Martin Maurer, Präsident des Landgerichts Mannneim

1. Prozessauftakt in einem großen Wirtschaftsstrafverfahren. Die Verteidigung rügt die Besetzung der Kammer. Ein „falscher“ Schöffe soll auf der Richterbank Platz genommen haben. Der stehe einem anderen Schöffen zu, dessen Urlaubsplanung aber zuvor der Vorsitzende zu Unrecht als Verhinderungsgrund anerkannt habe. Die Kammer weist zurück und legt vor. Das Oberlandesgericht entscheidet. Das Ganze wirkt ritualisiert, ist aber Teil der strafprozessualen Normalität.

Es geht nicht um das Verhalten der Verteidigung. Der ist es nicht zu verdenken, dass sie von ihren Möglichkeiten Gebrauch macht. Das ist ihre Aufgabe.

Mich treibt ein anderer Aspekt um. Mit dem Vorgang waren bei Gericht befasst: drei Berufsrichter einer Großen Strafkammer, drei Berufsrichter eines OLG-Senats, mehrere Mitarbeiter der Gerichtsverwaltung für die sich über manchmal mehrere Tage erstreckende Recherche bei der Schöffengeschäftsstelle.

2. Vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer ist kein Strafverfahren wie das andere. Da gibt es Umfangsverfahren mit 60 und mehr Verhandlungstagen, da gibt es Haftsachen – große und kleine –, die aber sofort verhandelt werden müssen und nicht liegen bleiben können, da gibt es Zurückverweisungen, bei denen nur der Rechtsfolgenausspruch aufgehoben wurde und die in zwei Tagen wegverhandelt sind. Und niemand weiß, was wann kommt. Für alle, die im Wirtschaftsstrafrecht tätig sind, ist das Alltag. Für diejenigen, die auf Seiten der Gerichte dafür verantwortlich sind, dass große Wirtschaftsstrafsachen bestmöglich erledigt werden, ist das eine Herausforderung.

Und zwar eine, die nur mit einer klugen und v.a. außerordentlich flexiblen Personaleinsatzplanung zu schaffen ist. Oder besser zu schaffen wäre. Denn von einer flexiblen Personaleinsatzplanung sind wir bei Gericht weit entfernt. Wohlwollend könnte man von einer vorausschauend-statischen Planung sprechen. Unser Planungsinstrument heißt Jahresgeschäftsverteilung, und die ist in etwa so flexibel wie ein Baustahlträger. Praktikable Möglichkeiten, auf kurzfristige Veränderungen bei der Arbeitsauslastung der Kammern zu reagieren, kennt sie nicht.

Wie schön wäre es, der Großen Wirtschaftsstrafkammer, deren Verfahren überraschend nach wenigen Verhandlungstagen zu Ende gegangen ist, den gerade eingegangenen kleinen BGH-Rückläufer zuzuweisen, den sie ohne Probleme „dazwischenschieben“ könnte. Der muss aber zu der Kammer, die mit zwei Umfangsverfahren austerminiert ist und bei der gerade eine vorrangige Haftsache eingegangen ist.

Durchaus zurecht wird in Wirtschaftsstrafsachen darüber geklagt, dass die Verfahren oft lange bei Gericht liegen und nicht gefördert werden. Personalknappheit wird häufig eingewandt und mehr Personal gefordert. Ein Teil des Problems ist aber hausgemacht, heißt „gesetzlicher Richter“ und ist bei uns besonders ausgeprägt. In beiden Beispielen ist er es, dessen Umsetzung erhebliche Personalressourcen in Anspruch nimmt bzw. der einen effizienten Personaleinsatz einschränkt.

Es ist hier nicht der Platz, das Für und Wider rechtlich erschöpfend aufzuarbeiten. Aber es könnte sich lohnen. 

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