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Effektive Sanktionen oder unbestimmte Embargos?

Von Dr. Astrid Lilie, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht, Frankfurt am Main

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat die Europäische Union ihre Sanktionen gegen die Russische Föderation kontinuierlich verschärft. Zu den Sanktionen der Europäischen Union gehören bereits seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 restriktive Maßnahmen, die unter anderem auch den Handelsaustausch in diversen Wirtschaftszweigen betreffen. Zuletzt wurde im Oktober ein neues, achtes Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet, das erneut Einfuhrverbote sowie Ausführbeschränkungen normiert. Aufgrund der Komplexität und der Volatilität der Maßnahmen wurden in der Zwischenzeit sowohl von der Europäischen Kommission als auch von den nationalen Behörden eine Vielzahl von Antworten für „Frequently Asked Questions“ (FAQ) veröffentlicht. Diese FAQ sollen eine Hilfestellung für Wirtschaftsbeteiligte darstellen, sie können naturgemäß jedoch nur einen Bruchteil der entstehenden Frage beantworten.

Die Praxis zeigt, dass die Einhaltung der EU-Sanktionen auf große Unsicherheiten in der Wirtschaft stößt. Gerade international agierende Unternehmen werden bei der konkreten Anwendung der Sanktionen vor enorme Herausforderungen gestellt, das betrifft insb. die kurzfristige Anpassung der Compliance-Management-Systeme.

Mit den Straftatbeständen des §§ 17 und 18 AWG hat der deutsche Gesetzgeber bereits einen umfangreichen Sanktionskatalog bei Verstößen gegen EU-Sanktionsmaßnahmen geschaffen. Da es sich um Blanketttatbestände handelt, die lediglich auf die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Union sowie auf die beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen verweisen, ohne das sanktionierte Verhalten selbst hinreichend zu definieren, entstehen rechtsstaatliche Bedenken. Hinsichtlich der Kauf- und Einfuhrverbote sind die gelisteten Güter in den Anhängen der Verordnungen zu beachten. So sehen bspw. sämtliche güterbezogenen Einfuhrverbote Altvertragsklauseln vor. Nach Ablauf der Altvertragsklausel sind wiederum Einfuhrkontingente normiert. Zusätzlich hierzu werden die Listen der sanktionierten Güter sowie die FAQ fortlaufend überarbeitet. Die fehlende Kasuistik wird in etwaigen Ermittlungsverfahren dazu führen, dass sich aufgrund der permanent ändernden Rechtslage die Subsumtion der jeweiligen Sachverhalte für den Rechtsanwender nicht eindeutig darstellen lässt, wodurch erhebliche Unsicherheiten entstehen.

Die unterschiedlichen Konsequenzen der Umgehung von Sanktionsvorschriften, die derzeit noch nicht in jedem Mitgliedstaat strafbewehrt ist, führt nicht zu einer Vereinfachung der Rechtsanwendung. Allerdings plant die EU-Kommission, um einen gemeinsamen Mindeststandard bei der Strafverfolgung zu gewährleisten, seit Mai 2022 einen unionsweiten Straftatbestand.

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