Von Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhard Dannecker, Seniorprofessor an der Universität Heidelberg
§ 299 StGB enthält Tatbestände mit normativen Tatbestandsmerkmalen. Gleichwohl handelt es sich um wettbewerbs- und gesellschaftsrechtsakzessorische Straftatbestände. Die Zivilrechtsakzessorietät wirft immer wieder schwierige Fragen auf: Der BGH musste sich in seinem Beschluss vom 28.7.2021 (NJW 2021, 3608 mit Anm. Corsten/Reichling) mit der Problematik befassen, ob Schmiergeldzahlungen an Allein- oder Mehrheitsaktionäre einer Société Anonyme (S. A.) als Leistungen an den Unternehmensinhaber zu bewerten sind, die der Wettbewerbsalternative des § 299 StGB nicht unterfallen, oder aber strafbewehrte Leistungen an einen Beauftragten der S. A., in die die Aktionäre als Gesamtheit möglicherweise einwilligen können. In der Sache ging es um Schmiergeldzahlungen an den alleinigen Vorstand einer S. A. in der Zentralafrikanischen Republik, der mit weiteren Familienmitgliedern sämtliche Aktien der S. A. hielt, sodann um Zahlungen an Aktionäre einer S. A. in der Elfenbeinküste – diese wurde von einem Vorstand geleitet, der gemeinsam mit seinen Söhnen Aktionär der S. A. war, und ein Schmiergeldzahlungen erhielt; ein erheblicher Teil des Bestechungslohns wurde an den Alleingesellschafter einer Gesellschaft, die ihrerseits Anteile an der S. A. hielt, überwiesen. Weitere Schmiergeldzahlungen wurden an einen Aktionär einer in Vietnam ansässigen S. A. geleistet.
Der BGH kommt zu dem Ergebnis, Träger des Unternehmens sei zwar jeweils die Gesellschaft, diese „gehöre“ jedoch den Aktionären, die durch ihre Mehrheitsbeschlüsse die Grundlagenentscheidungen für die juristischen Personen treffen und in diesem Sinne deren Geschick bestimmen. Die Aktionäre seien Betriebsinhaber und deshalb nicht nach § 299 StGB strafbar, sofern die Gesamtheit der Aktionäre handele. Letzteres bestimme sich nach Kriterien, vergleichbar den zur Untreue entwickelten Grundsätzen. Nicht erforderlich sei, dass die vereinbarte Leistung an die Gesellschaft erbracht worden sei.
Diese Entscheidung wird im Schrifttum als „in der Beschlussbegründung sehr ungenau“ kritisiert, erlaube sie noch nicht einmal den sicheren Schluss, welche Rechtsfragen der Senat entscheiden wollte“ (so Krack wistra 2022, 162). Stellt man auf das Aktienrecht ab (so zB Brand wistra 2022, 165 ff.), so ist die Entscheidung nicht überzeugend, weil die gesellschaftsrechtlichen Regelungen des deutschen Aktienrechts dem Ergebnis des BGH weitestgehend entgegenstehen. Nimmt man das tatbestandsausschließende Einverständnis, „vergleichbar den zur Untreue entwickelten Grundsätzen“, ernst, so lässt sich die Straflosigkeit nicht schlüssig begründen, da § 299 StGB in der Wettbewerbsvariante unstreitig ein überindividuelles Rechtsgut – den freien Wettbewerb – vorrangig schützt (so Pavlakos NZWiSt 2022, 457, 462).
Die Zivilrechtsakzessorietät § 299 StGB (Wettbewerbsalternative) sollte m.E. dahingehend interpretiert werden, dass die Société Anonyme den Aktionären nur dann „gehört“, wenn diese frei über Verträge der Société Anonyme entscheiden können. Hierfür ist Ausgangspunkt die jeweilige nationale gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung der S. A. (und nicht der deutschen AG), wie dies im Übrigen der BGH im Fall einer in Deutschland begangenen Untreue durch den „Director“ einer Offshore-Gesellschaft in Bezug auf die Pflichtenstellung angenommen hat (BGH NStZ 2010, 632 ff.). Der Alleinaktionär bzw. die Gesamtheit der Aktionäre ist nur dann Betriebsinhaber im Sinne des § 299 StGB, wenn sie nach dem jeweiligen nationalen Recht berechtigt und in der Lage ist, über das Vermögen der SA rechtswirksam zu entscheiden. Hierzu hätte der BGH im Einzelnen Stellung beziehen müssen. Weitergehende Aussagen über die Strafbarkeit „entschleierter Schmiergeldzahlungen“ können dieser Entscheidung nicht entnommen werden (aA Sahan zfistw 2022, 473, 475 f.).