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Neues zum Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen

Von Richter am BGH Prof. Dr. Andreas Mosbacher, Leipzig, Autorenbeschreibung

Kaum ein Thema des Wirtschaftsstrafrechts ist so umstritten wie der Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen. Das BVerfG hat nun in einer wenig beachteten Entscheidung eine abschließende Klärung der besonders kontrovers diskutierten Schadensfrage für die Praxis herbeigeführt. Der BGH hat zudem seine Rechtsprechung zum Erklärungswert von Quartalsabrechnungen im Rahmen kassenärztlicher Versorgung verstetigt. Hierzu in aller Kürze: Der Erklärungswert einer Quartalsabrechnung bestimmt sich nach dem Empfängerhorizont der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Die Erwartungen der Mitarbeiter der KV richten sich nach ihrem normativen Prüfungsauftrag. Nur wenn bestimmte sozialrechtliche Voraussetzungen vorliegen, ist nach der Rechtsprechung des BSG ein Zahlungsanspruch entstanden. Genau das wird geprüft. Das Einreichen der Rechnung enthält damit zumindest konkludent die Erklärung, dass die hierfür relevanten sozialrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Wer relevante Tatsachen verschweigt wie etwa eine nach §§ 128 Abs. 2, 6 SGB V unzulässige Kick-Back-Konstruktion (BGH, Urt. v. 25.7.2017 – 5 StR 46/17, NZWiSt 2018, 74 m. Anm. Meyer) oder die Beteiligung eines Apothekers an einem MVZ entgegen § 95 Abs. 1a SGB V (BGH, Urt. v. 19.8.2020 – 5 StR 558/19, NZWiSt 2021, 143 m. Anm. s.o.) täuscht. Wird anschließend irrtumsbedingt die Zahlung der Rechnung angewiesen, entsteht durch diese Vermögensverfügung trotz zuvor ordnungsgemäßer Behandlung der Patienten ein Schaden. Warum? Dies folgt aus dem für die Schadensfrage zentralen Prinzip der Gesamtsaldierung im Zeitpunkt der Verfügung. Geld der KV ist weg (Vermögensminderung), sie erhält aber nichts dafür. Insb. wird sie nicht von einer Verbindlichkeit frei, denn eine solche ist nicht entstanden. Der Arzt hat auf eigenes wirtschaftliches Risiko außerhalb des kassenärztlichen Abrechnungssystems gehandelt. Das BVerfG bestätigt diese Sichtweise des BGH im MVZ-Fall wie folgt: „Der Bundesgerichtshof… hat der Schadensbetrachtung ersichtlich eine wirtschaftliche Sichtweise zugrunde gelegt. Dass für die wirtschaftliche Bewertung eines Zahlungsvorgangs auch die sozial- und zivilrechtlichen Rahmenbedingungen maßgeblich sind, stellt kein Spezifikum der kassenärztlichen Abrechnung dar, sondern spiegelt lediglich wider, dass erst die Anerkennung einer Forderung durch die Rechtsordnung dieser in einem Rechtsstaat wirtschaftlichen Wert verleiht“ (BVerfG, Beschl. v. 5.5.2021 – 2 BvR 2041/20). Für die Praxis ist es Zeit, sich noch ungelösten Fragen des Abrechnungsbetruges zu widmen.

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