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That’s not the Law

Von Prof. Dr. Andreas Ransiek, LL.M. (Berkeley), Der Autor ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Strafprozessrecht, insbesondere Wirtschaftsstrafrecht, an der Universität Bielefeld.

In Richard Buxbaums Vorlesung “Partnerships and Corporations” an der University of California in Berkeley wird anhand der einschlägigen amerikanischen Fälle diskutiert, wer Gesellschafter und wer Arbeitnehmer ist. Ein klarer Maßstab zur Abgrenzung ist nicht recht erkennbar. Ich melde mich mit einem aus dem deutschen Recht vertrauten Argument, das die Ergebnisse der amerika­nischen Gerichte stützt, aber für mich plausibler begründet: Selbstständiger und damit Gesellschafter ist derjenige, der das Unternehmerrisiko trägt. Die Antwort Buxbaums war und ist für deutsche Juristinnen und Juristen so ungewöhnlich, dass ich sie auch nach 30 Jahren nicht vergessen habe: „That’s not the law.“ Die besprochenen Urteile verwendeten das Argument nicht. Ob es einen überzeugenden Erklärungs­ansatz bieten könnte, war irrelevant, da es den durch die Gerichte vorge­gebenen Begründungsrahmen überschritt.

In einem deutschen Hörsaal wäre das anders. Das Argument würde inhaltlich thematisiert. Man würde vielleicht festhalten, dass gesetzliche Vorgaben es sperren, es wenig überzeugend oder ebenfalls vage sei. Auch in Urteilsanmerkungen oder Aufsätzen käme niemand auf die Idee, ein Argument nicht vorzubringen, nur weil die Gerichte es bislang nicht verwendeten.

Erfreulicherweise sehen sich auch deutsche Gerichte nicht gehindert, nicht mehr als überzeugend oder tragfähig erscheinende Begründungen und Ergebnisse über Bord zu werfen. Sie sind bereit, vorhandene Bahnen zu ver- und Neues zuzulassen. In jüngerer Zeit kann man das an der Rechtsprechung des 1. Strafsenats des BGH zum Steuerstrafrecht ganz deutlich sehen: Die ursprüngliche Auffassung zum Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 AO bei der Umsatzsteuer wurde aufgegeben. Die steuerliche Pflichtenstellung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO wurde unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung als besonderes persönliches Merkmal iSd § 28 StGB eingestuft. Die Anforderungen an den Vorsatz auf die Arbeitgeberpflichten bei § 266a StGB wurden verschärft und mit dem subjektiven Tatbestand des § 370 AO harmonisiert. Die Konkurrenzen bei der Steuerhinterziehung wurden überdacht. Der Beginn der Verjährungsfrist bei § 266a StGB wurde neu festgelegt.

All das ist Beleg dafür, dass die Diskussion über richtiges Recht funktioniert. Das eingangs genannte Beispiel zeigt, dass das nicht selbstverständlich ist. Es ist ein besonderes Kennzeichen des deutschen Rechtssystems. Etwas ist noch nicht „the law“, kann es aber werden.

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