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Ein Restrukturierungsrecht für Kleinunternehmen am Ende der Pandemie? - NZI 16-17/2021

Prof. Dr. Stephan Madaus, Halle-Wittenberg
Die Pandemie wirkt so auch im Marktaustrittsrecht wie ein Stresstest und wieder einmal zeigt sich, dass vor allem kleine Unternehmen durch das Raster gesetzgeberischer Überlegungen fallen. Unternehmerlohn statt Hartz IV? Unbürokratische und schnelle Hilfen statt monatelangem Papierkrieg? Auch das Insolvenzverfahren erleben kleine Unternehmen nur als Liquidationsverfahren, so es denn überhaupt eröffnet und nicht mangels Masse beendet wird. 
Hoffnung auf Entschuldung bietet nur die sich anschließende Privatinsolvenz des Unternehmers – mit zäher Restschuldbefreiung, wenn kein Plan gelingt. Kreatives unternehmerisches Potenzial geht so verloren, die wertvollen Erfahrungen aus dem Scheitern ebenso.
MadausAndere Rechtsordnungen gehen nicht so fahrlässig mit dem unternehmerisch-schöpferischen Potenzial ihrer Bevölkerung um. In den Vereinigten Staaten haben sie gerade rechtzeitig vor der Pandemie ein besonderes Chapter 11-Planverfahren für Kleinstunternehmen geschaffen. In Frankreich soll ein eben solches Verfahren nun zumindest die Pandemiefolgen mildern. Unterstützt werden solche Initiativen durch die internationalen Organisationen. Die UNCITRAL Working Group V, die das Insolvenzrecht weltweit mit Modellregeln inspiriert, ist gerade dabei, ein Modellgesetz für die Insolvenz und Sanierung von Kleinstunternehmen zu finalisieren; Weltbank und IWF aktualisieren ihre Insolvenzprinzipien. Die Schlüsselerkenntnis liegt stets darin, sich wirklich auf die kleinen, nicht die mittelgroßen, Unternehmen zu fokussieren und deren Ressourcenknappheit bei allen Verfahrensoptionen zu beachten. Es bedarf spezifischer Sonderregeln für die Anforderungen massearmer Fort-führungsfälle. Der „Modular Approach“, den ich 2018 gemeinsam mit einer Forschergruppe entwickeln und bei Oxford University Press publizieren durfte, hat diese Entwicklungen vorgezeichnet. An Deutschland geht sie bislang vorbei.

Das absehbare Auslaufen der pandemiebedingten Hilfen sollte nicht dazu führen, dass wieder vor allem die Kleinstunternehmen sich selbst und deren Unternehmerpersönlichkeiten ihrer Privatinsolvenz überlassen bleiben. Deutschland fehlt ein modernes, effizientes Regelungssystem für Kleinunternehmer. Dabei geht es um weit mehr als nur die Finanzierung eines Regelinsolvenzverfahrens ohne Masse. Die rationale Passivität von Gläubigern und Investoren muss hier ebenso adressiert werden wie der Umstand, dass eine Fortführung oft vor allem für den Schuldner wirtschaftlich interessant ist. Die regulatorische Aktivität bei der Beendigung staatlicher Pandemiehilfen sollte daher – zunächst zeitlich begrenzt – ein solches Sonderregime einführen. Dieses Pandemiegesetz würde als „Sandbox“ die Tauglichkeit der aus dem Ausland übernommenen Modellregeln für Deutschland testen, um sie dann – gern in verbesserter Form – dauerhaft zu etablieren.
 

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