Das
EU-Lieferkettengesetz soll später gelten und deutlich weniger
Unternehmen sollen Bericht über ihre Nachhaltigkeit erstatten müssen: Um
Europas Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen, will die
EU-Kommission Unternehmen entlasten und packt dafür unter anderem
hausgemachte Vorgaben an. Während die einen dafür ein Lob aussprechen,
kritisieren andere ein Vorgehen mit der "Kettensäge".
Wie will die Kommission Unternehmen entlasten?
Deutlich
weniger Unternehmen in der EU sollen nach dem Willen der Europäischen
Kommission künftig Angaben über die Auswirkungen ihrer
Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft machen müssen. Demnach
sollen nur noch große Firmen – und damit 20% der bislang verpflichteten
Betriebe – Bericht über ihre Nachhaltigkeit erstatten müssen. Damit will
die Kommission vor allem kleine und mittlere Unternehmen entlasten und
Bürokratie reduzieren.
Neben den Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung will die Behörde auch das EU-Lieferkettengesetz
sowie Vorgaben zu nachhaltigen Investitionen lockern. Die EU-Länder und
das Europaparlament müssen nun über die vorgeschlagenen Lockerungen
geltender Gesetze beraten, bevor sie umgesetzt werden können.
Was genau soll am Lieferkettengesetz geändert werden?
Neben
einer Verschiebung der ersten Umsetzungsfristen um ein Jahr auf 2028
soll das Vorhaben auch inhaltlich angepasst werden. So sollen
Unternehmen in der Regel nur noch für Aktivitäten direkter
Geschäftspartner verantwortlich sein. Zudem werden mögliche
Mindeststrafen und Haftungsrisiken für Unternehmen entschärft. Vor allem
am letzten Punkt gibt es große Kritik.
Das europäische
Lieferkettengesetz wurde erst vergangenes Jahr beschlossen. Ziel des
Vorhabens ist es, Menschenrechte weltweit zu stärken. Große Unternehmen
sollen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von
Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren.
Wie sind die Reaktionen?
Mit
ihrem Vorschlag "legt die Kommission die Kettensäge an die
Lieferkettenrichtlinie, noch bevor sie zur Anwendung kommt", sagt Armin
Paasch vom katholischen Hilfswerk Misereor. Betroffene etwa von
Menschenrechtsverletzungen hätten keine Chance mehr, über Zivilgerichte
Schadensersatz und Wiedergutmachung zu erlangen. "Ohne wirkungsvolle
Durchsetzungsmechanismen, wie die zivilrechtliche Haftung, werden
Handlungspflichten wirkungslos", teilte der Vorsitzende der
SPD-Europaabgeordneten René Repasi mit.
Lob kommt aus der
Industrie und von anderen Fraktionen aus dem Europaparlament. "Gut, dass
die Kommission das Lieferkettengesetz entschlackt, es bleibt aber
besser sie würde es zurückziehen", so Svenja Hahn von der FDP. Der
Bundesverband der Deutschen Industrie lobt die Verschiebung und dringt
darauf, die Zeit für substanzielle Veränderungen zu nutzen.
Wie soll Europas Wirtschaftspolitik künftig ausgerichtet sein?
Aus
einem ebenfalls in Brüssel vorgelegten Maßnahmenpaket geht hervor, dass
der Fokus künftig auf energieintensiven Industriezweigen und sauberen,
grünen Technologien ("clean-tech") wie etwa Windrädern liegen soll. In
dem sogenannten Clean Industrial Deals (CID, "Saubere-Industrie-Deal")
kündigt die Kommission für die nächsten Monate und Jahre mehrere Gesetze
beziehungsweise Gesetzesänderungen an. So sollen EU-Vorgaben für
öffentliche Aufträge überarbeitet werden. Davon könnten europäische
Firmen profitieren. Auch will die EU-Kommission künftig Staatshilfen für
eine klimafreundliche Industrie schneller genehmigen.
Ist das ein Kurswechsel?
Legte die EU-Kommission in der letzten Wahlperiode mit dem "Green Deal"
noch ein beispielloses Maßnahmenpaket vor allem für einen drastischen
Rückgang der Treibhausgasemissionen auf den Tisch, steht nun die
Industrie klar im Fokus. An den Klimazielen der EU wird jedoch
festgehalten.
Was ist mit dem Problem der hohen Energiepreise?
Der
Aktionsplan setzt etwa auf mehr langfristige Verträge – um
Preisschwankungen entgegenzuwirken. Zudem soll es schnellere
Genehmigungen für grünen Strom, mehr Verbindungsleitungen und mehr
grenzüberschreitenden Handel geben, um die Preise zu senken.
Ziel
sind Einsparungen für Industrie und Haushalte in Höhe von 45 Milliarden
Euro im laufenden Jahr, die dann bis 2030 schrittweise auf 130
Milliarden Euro jährlich erhöht werden sollen. Bis 2040 sollen
Einsparungen in Höhe von 260 Milliarden Euro pro Jahr erreicht werden.
Woher soll das Geld kommen?
Für
die grüne Transformation sind nach Angaben der Kommission dreistellige
Milliardeninvestitionen in Energie, Industrie und Transport nötig. Neben
öffentlichen Mitteln soll vor allem privates Kapital genutzt werden.
Über das langfristige EU-Finanzierungsprogramm InvestEU könnten
Garantien im Wert von bis zu 28,6 Milliarden Euro vergeben werden – 2,5
Milliarden Euro mehr als ursprünglich geplant. Damit will die Kommission
mindestens 50 Milliarden Euro an privaten Investitionen mobilisieren.
Mit den Garantien aus dem EU-Haushalt sichert InvestEU Kredite der
Europäischen Investitionsbank (EIB)- und anderen Finanzinstituten ab.
Wie geht es weiter?
Mit
den Vorschlägen für neue Gesetze und Gesetzesänderungen müssen sich nun
die Regierungen der Mitgliedstaaten und das Europaparlament
beschäftigen. Wenn sie nicht zustimmen, können sie nicht umgesetzt
werden.