Ein
polnisches und ein litauisches Gericht möchten wissen, ob ihre
nationalen Bestimmungen, mit denen sie die Bezüge von Richtern und
Richterinnen festlegen, mit dem Unionsrecht vereinbar sind. In Polen
waren die Bezüge von Richtern und Richterinnen in den Jahren 2021 bis
2023 "eingefroren" worden. Gerechtfertigt wurde das mit Haushaltszwängen
aufgrund der COVID-19-Pandemie und der russischen Invasion der Ukraine.
In Litauen machen zwei Richter geltend, die Höhe ihrer Bezüge
hänge unmittelbar vom politischen Willen der Exekutive und der
Legislative ab. Außerdem gebe es keinen rechtlichen Mechanismus, der es
gestatte, angemessene Bezüge festzulegen, die der von den Richtern
getragenen Verantwortung entsprächen, so dass sie mit den Gehältern der
Vertreter anderer juristischer Berufe vergleichbar seien.
EuGH macht Vorgaben für Richterbezüge
Art. 19 EUV überträgt den nationalen Gerichten und dem EuGH
die Aufgabe, die volle Anwendung des Unionsrechts in allen
Mitgliedstaaten sowie den gerichtlichen Schutz, der dem Einzelnen aus
diesem Recht erwächst, zu gewährleisten. Von grundlegender Bedeutung
dafür ist für den EuGH die Unabhängigkeit der Gerichte, und dafür die
Unabhängigkeit der Richter, und dafür wiederum deren ihren ausgeübten
Funktionen entsprechende Bezahlung.
Die Modalitäten für die
Festlegung der richterlichen Bezüge hat der EuGH nun einmal explizit
festgehalten (Urteil vom 25.02.2025 – C-146/23 und C-374/23).
Sie müssen auf einer Rechtsgrundlage basieren und sie müssen objektiv,
vorhersehbar, beständig sowie transparent sein, um jeden willkürlichen
Eingriff der Legislative und der Exekutive auszuschließen. Die gleichen
Anforderungen gelten laut EuGH für -
grundsätzlich mögliche - abweichende Maßnahmen, die zu einer Kürzung der
Bezüge von Richterinnen und Richtern oder zum "Einfrieren" ihrer
Anpassung führen.
Die Bezüge müssten zudem ausreichend hoch sein,
gemessen am wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Kontext des
jeweiligen Mitgliedstaats und insbesondere des dortigen
Durchschnittsgehalts. Ziel sei es, Richterinnen und Richter vor Druck zu
schützen, der ihre Entscheidungen beeinflussen könnte, und sie vor der
Gefahr von Korruption zu schützen. Das bedeute aber nicht automatisch,
dass die Bezüge nicht auch geringer als die durchschnittlichen Bezüge
von Angehörigen anderer Rechtsberufe ausfallen können, stellt der EuGH
klar.
Abweichungen müssen gerechtfertigt sein
Abweichungen
von diesen Regeln seien möglich, müssten aber durch eine dem Gemeinwohl
dienende Zielsetzung wie den Abbau eines übermäßigen Haushaltsdefizits
gerechtfertigt sein. Sie dürften grundsätzlich nicht speziell auf
Richterinnen und Richter abzielen. Ferner müssten sie erforderlich sein
und sich auf das zur Erreichung des verfolgten Ziels unbedingt
notwendige Maß beschränken, Ausnahmecharakter haben und nur
vorübergehend sein. Und: Die Bezüge müssen trotzdem weiterhin der
Bedeutung der von ihnen ausgeübten Funktionen entsprechen.
Sowohl
die Festlegung der Bezüge als auch die Abweichungen müssen einer
wirksamen gerichtlichen Kontrolle durch ein nationales Gericht
unterliegen. Daher müssen jetzt die nationalen Gerichte in Polen und
Litauen prüfen, ob diese Anforderungen in den bei ihnen anhängigen
Rechtssachen eingehalten wurden. Auf den ersten Blick geht der EuGH davon aus (Urteil vom 25.02.2025 - C-146/23).