Der Branchendeal zwischen den Energieriesen E.ON und RWE hat auch weiterhin Bestand. Der EuGH hat Klagen von elf kommunalen deutschen Stromversorger abgewiesen und die Freigabe des Zusammenschlusses durch die EU-Kommission bestätigt. Offensichtliche Beurteilungsfehler seien ihr dabei nicht unterlaufen.
2018 vereinbarten RWE und E.ON einen umfangreichen Tausch von Vermögenswerten und Geschäftsbereichen, der über mehrere Stufen ablief. Dabei übertrug RWE seine Innogy-Anteile der Tochtergesellschaft komplett an E.ON und erhielt im Gegenzug das gesamte Erneuerbare-Energien-Geschäft von E.ON. Die EU-Kommission gab dafür grünes Licht – der Austausch sei mit dem Wettbewerbsrecht der Union nach Art. 8 Abs. 2 EG-Fusionskontrollverordnung (VO (EG) 139/2004) (Entscheidungsbefugnisse der Kommission) vereinbar.
Elf Stromversorger – unter anderem die Stadtwerke aus Leipzig und Frankfurt am Main sowie der Mainova – sahen das anders, sie sorgen sich um zu viel Marktmacht auf dem deutschen Stromversorgungsmarkt und Preiserhöhungen. Ihre Klagen zielten darauf ab, die Genehmigung des zweiten Zusammenschlusses (Erwerb der Sparten Energieverteilung und -vertrieb sowie bestimmter Erzeugungsanlagen von Innogy durch E.ON) der Kommission für nichtig erklären zu lassen. Im Mai dieses Jahres hat das EuG ihre gegen die Genehmigung des ersten Zusammenschlusses (Erwerb von Erzeugungsanlagen von E.ON durch RWE) gerichteten Klagen schon teilweise mit Sachurteil und teilweise als unzulässig abgewiesen (Urteil vom 17.05.2023 – T-332/20). Die Stromversorger scheiterten nun auch mit ihren Klagen gegen die Genehmigung des zweiten Zusammenschlusses (Urt. v. 20.12.2023 – T-53/21, T-56/21, T-58/21, T-59/21, T-60/21, T-61/21, T-62/21, T-63/21, T-64/21 und T-65/21).
EuG: Freigabe durch die Kommission war rechtens
„Der Kommission sind bei der Beurteilung, ob dieser Zusammenschluss (…) mit dem Wettbewerbsrecht der Union vereinbar ist, keine offensichtlichen Beurteilungsfehler unterlaufen“, entschieden die Luxemburger Richterinnen und Richter. So habe die Kommission fehlerfrei sämtliche entscheidungserheblichen Tatsachen zusammentragen, anhand deren sie die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Binnenmarkt habe prognostizieren können. Das schließt der EuG auch daraus, dass bei der Ermittlung der relevanten Märkte im Rahmen der ersten Marktbefragung ein großes Spektrum an Marktteilnehmern ausgewählt worden sei. Alle bei ihr eingehenden Informationen müsse die Kommission, so der EUG, angesichts des Beschleunigungsgebots und der strengen Fristen, die sie in einem Fusionskontrollverfahren einhalten müsse, dabei nicht überprüfen.
Zudem kann das komplexe Geschäft dem EuG zufolge nicht als ein „einziger Zusammenschluss“ bewertet werden, da die Transaktionen nicht auf den Erwerb der unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Kontrolle über die Tätigkeit eines oder mehrerer anderer Unternehmen durch ein oder mehrere Unternehmen abzielten. Vielmehr sei es um unterschiedliche Vermögenswerte gegangen, so dass eine separate Zusammenlegung von Ressourcen erfolgt sei und jeder einzelne Kontrollerwerb andere Auswirkungen auf den Markt gehabt hätte (Urt. v. 20.12.2023 - T-53/21).
Aus der Datenbank beck-online
EuG, Wettbewerb, Zusammenschlüsse, Deutscher Strommarkt, (…), BeckRS 2023, 10448
Hoch/Zuber, Die Entwicklung des Kartellrechts in der Energiewirtschaft, EnWZ 2023, 115
Ewalöd, Marktmacht in der Stromerzeugung im Blick, EnWZ 2020, 49
Thielen, "Neuordnung der Energiewirtschaft", NVwZ 2019, 1181
Säcker, RWE/E.ON: Die Rückkehr nationaler Champions, NZKart 2019, 570