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Steuerhinterziehung durch Unterlassen – Unkenntnis der Finanzbehörde?

Christian Thurow

BFH Urt. v. 14.5.2025 – VI R 14/22

 

„Es gibt bekanntes Bekanntes ... Aber es gibt auch unbekanntes Unbekanntes“, wie der ehemalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld einst anmerkte. Der BFH ergänzt nun dieses Zitat um eine weitere Kategorie, das „bekannte Unbekannte“.

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Kläger sind als Ehepaar zusammen veranlagt. Ursprünglich ging nur der Ehemann einer nichtselbständigen Arbeit nach. Der Lohnsteuerabzug erfolgte nach der Steuerklasse 3. Das Finanzamt behandelte die Steuererklärungen als Antragsveranlagung.

Mit Aufnahme einer nichtselbständigen Tätigkeit durch die Ehefrau (Steuerklasse 5) kam es zu einem Wechsel von der Antrags- zur Pflichtveranlagung, welche von den Eheleuten aber nicht beachtet wurde. Steuererklärungen wurden weiterhin nicht abgegeben. Dem Finanzamt lagen alle elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen mit der richtigen Steuernummer vor.

Erst nach einem Zeitraum von 11 Jahren nach Beginn der nichtselbständigen Tätigkeit der Ehefrau fiel dem Finanzamt der Wechsel von der Antrags- zur Pflichtveranlagung auf. Das Finanzamt behandelte die fehlende Abgabe der Steuererklärungen als Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, erließ Schätzungsbescheide und setzte Verspätungszuschläge fest.

Die Kläger und das erstinstanzliche Finanzgericht vertraten dagegen die Auffassung, dass der objektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen nicht erfüllt sei. Dem zuständigen Sachbearbeiter hätten sämtliche für eine Veranlagung der Kläger erforderlichen Informationen abrufbar zur Verfügung gestanden.

 

 

Lösung

Der BFH folgt der Argumentation des Finanzamts. Eine Finanzbehörde hat nur dann Kenntnis von den für die Steuerfestsetzung wesentlichen tatsächlichen Umständen, wenn sie der Person bekannt sind, welche für die Bearbeitung des Steuerfalls und den Erlass des Steuerbescheids organisatorisch berufen ist. Die Finanzbehörde muss sich daher alle Informationen der papiergeführten und elektronischen Steuerakten als bekannt zurechnen lassen.

Nicht bekannt sind dagegen elektronische Daten, die nicht automatisch zur papier- oder elektronisch geführten Akte gelangen und lediglich auf abrufbaren Datenspeichern der Finanzbehörde liegen.

Im Ausgangsfall war für die Kläger die Antragsveranlagung in der Steuerakte hinterlegt. Der Sachbearbeiter hatte somit keine Veranlassung zur Einsicht in den Datenspeicher und zum Datenabruf. Der Wechsel von der Antrags- zur Pflichtveranlagung war dem Finanzamt somit nicht bekannt, obwohl alle notwendigen Informationen auf den Datenbanken der Steuerbehörde vorhanden waren.

 

 

Praxishinweis:

Der Fall zeigt, dass Steuerpflichtige selbst zu einem gewissen Grad ihre steuerlichen Pflichten im Auge behalten müssen. Umgekehrt stellt sich aber auch die Frage, welchen Sinn die Verknüpfung von steuerlichen Informationen mittels Steuer-Identifikationsnummer hat, wenn dies nicht automatisch zu einem Eingang in die Steuerakte führt.

Die nunmehr neue Kategorie von „bekannt unbekannten Informationen“ ist somit eher ein Ausdruck der nicht ausgeschöpften technischen Möglichkeiten als ein reales Hemmnis der korrekten Besteuerung.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Risk Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 11/2025

BC20251110

 

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