
Die Digitalisierung hat die Bildungsbranche revolutioniert: Sprachkurse, Weiterbildungen oder ganze Studiengänge können heute vollständig online per Streaming angeboten werden. Für internationale private und staatliche Schulen sowie Universitäten eröffnet das große Chancen, auch deutsche Schüler und Studenten zu erreichen. Es birgt allerdings auch erhebliche umsatzsteuerliche Risiken. Zudem ist auch von ausländischen Bildungsanbietern das deutsche Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) zu befolgen.
Praxis-Info!
Problemstellung
Seit dem 1.1.2025 gilt, dass Online-Unterricht, der per Streaming oder auf andere Weise virtuell verfügbar gemacht wird, den Umsatzsteuervorschriften am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Schülers oder Studenten unterliegt – wird die Online-Bildungsleistung an einen Unternehmer erbracht (B2B), dann dort, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt. Damit geraten nun deutlich mehr ausländische Bildungsanbieter in den Anwendungsbereich der deutschen Umsatzsteuer als zuvor.
Lösung
1. Umsatzsteuerfreie Bildungsleistungen
Grundsätzlich sind Bildungsleistungen in Deutschland zwar insbesondere nach § 4 Nr. 21 oder Nr. 22 UStG umsatzsteuerfrei. Dies gilt aber nur unter bestimmten Bedingungen, die auch ausländische Bildungsanbieter erfüllen müssen:
- Beizubringen ist die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, dass das Bildungsinstitut Leistungen in Form von Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung ausführt (Voraussetzung gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG).
- Die Steuerfreiheit kommt gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG nur für bestimmte Rechtspersonen in Betracht, wie z.B. juristische Personen öffentlichen Rechts (jPdöR), Volkshochschulen, gemeinnützige Einrichtungen. Zudem müssen die Einnahmen überwiegend zur Kostendeckung verwendet werden.
2. Zusätzliche Anforderungen an Online-Bildungsanbieter
Die Online-Anbieter haben zusätzlich zu beachten, dass die deutsche Finanzverwaltung die Steuerbefreiungen generell dann nicht anerkennt, wenn die Bildungsleistungen in rein elektronischer Form (d.h. mit nur minimaler menschlicher Beteiligung) erbracht werden (BMF 8.8.2025, MwStR 2025, 681, Rz. 5, 13). Bildungsleistungen, die über Lernplattformen mit aufgezeichneten Lehrinhalten und ausschließlich elektronischen Lernerfolgskontrollen angeboten werden, behandelt die Finanzverwaltung folglich als umsatzsteuerpflichtig (was von Fachverbänden und Experten deutlich kritisiert wird). Anders bewertet die Finanzverwaltung dagegen das Live-Streaming durch menschliche Lehrkräfte, das als reguläre steuerbegünstigte Unterrichtsform gilt.
3. Steuersatz und Vorsteuerabzug
Ergibt sich, dass hinsichtlich in Deutschland erbrachter Bildungsleistungen keine Umsatzsteuerbefreiung greift, ist zu prüfen, ob anstatt des regulären Umsatzsteuersatzes von 19% der reduzierte Steuersatz von 7% anzuwenden ist. Dies kann aber nur für Leistungen von gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Einrichtungen unter weiteren Voraussetzungen in Betracht kommen.
Erbringen ausländische Bildungseinrichtungen steuerpflichtige Bildungsleistungen in Deutschland, ist ihnen grundsätzlich auch der Vorsteuerabzug möglich.
4. Weitere Vorgaben gemäß FernUSG
Neben der Umsatzsteuer ist das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) zu beachten. Dieses ist anzuwenden, wenn kumulativ
- die Bildungsleistung kostenpflichtig ist,
- Lehrende und Lernende überwiegend oder ausschließlich räumlich getrennt sind und
- der Lernerfolg durch den Anbieter oder Beauftragte überwacht wird (z.B. durch Tests, Feedback oder Q&A-Sessions/Frage-Antwort-Sitzungen).
Hierzu ist noch immer rechtlich umstritten, wann eine räumliche Trennung gegeben ist. Dazu wird u.a. die Auffassung vertreten, dass Unterricht im Live-Streaming-Format synchron, d.h. ohne räumliche Trennung, erfolgen würde. Dagegen muss man aus einem jüngeren Urteil des BGH (BGH Urt. v. 12.6.2025 – II ZR 109/24) schließen, dass bereits die Möglichkeit der Lernenden, Fragen stellen zu können bzw. Feedback zu erhalten, als Überwachung des Lernerfolgs im Sinne des FernUSG gewertet werden kann.
Greift das FernUSG, müssen auch ausländische Bildungsanbieter für ihre Kurse eine Zulassung bei der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) einholen. Fehlt die Zulassung, ist der zugrundeliegende Vertrag nichtig (d.h. von vornherein ungültig); die Teilnehmer können bereits geleistete Zahlungen von diesem Bildungsanbieter zurückfordern. Ungeachtet dessen drohen dem Anbieter Bußgelder und möglicherweise Reputationsschäden.
Unklar ist derzeit, ob die Finanzverwaltung bei nach dem FernUSG bzw. der ZFU zugelassenen Bildungsleistungen in elektronischer Form letztlich doch die zuvor genannten Steuerbefreiungen anerkennen würde (vgl. Entwurf eines BMF-Schreibens vom 17.1.2025, zu § 4 Nr. 21 UStG, Rz. 4).
Praxishinweise: - Wer als internationaler Online-Bildungsanbieter erfolgreich in Deutschland tätig sein möchte, sollte die Vorgaben des UStG und des Fernunterrichtsschutzgesetzes nicht als Nebensache betrachten. Nur durch eine vorausschauende rechtliche und steuerliche Gestaltung lassen sich Umsatzsteueraufwand, Rückforderungsansprüche der Teilnehmer und Imageschäden vermeiden.
- Aus Teilnehmersicht gilt umgekehrt: Sollten sie (ggf. auch Bilanzbuchhalter oder Controller) als Kunden solcher Bildungsanbieter ohne Zulassung gemäß FernUSG Teilnahmegebühren entrichtet haben, kommen Rückforderungen in Betracht.
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StB Marco Herrmann, PKF Fasselt Partnerschaft mbB, Köln
BC 11/2025
BC20251113