Dr. Hans-Jürgen Hillmer
Neues EU-Paket vom 21.5.2025

Mit dem mittlerweile vierten Omnibus-Paket setzt die EU-Kommission ein weiteres klares Zeichen für Bürokratieabbau. Im Fokus stehen nun spürbare Erleichterungen bei Berichtspflichten, Prospekten und Datenschutzvorgaben insbesondere für eine neu definierte Kategorie mittlerer Unternehmen.
Praxis-Info!
Problemstellung
Die EU-Kommission verfolgt ihr Ziel, Bürokratie abzubauen und die Verwaltungskosten bis zum Ende dieses Mandats insgesamt um 25% und für KMU um 35% zu senken, sehr ambitioniert weiter. Am 21.5.2025 wurde ein Omnibus-Paket IV zur Bürokratiereduktion veröffentlicht. Wenn KMU mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigen, werden sie nach den geltenden Vorschriften zu Großunternehmen – und die Compliance-Verpflichtungen nehmen stark zu. Dieser „Klippenrand“ kann das Wachstum hemmen und die Wettbewerbsfähigkeit einschränken.
Um hier gegenzusteuern, ist ein zentraler Bestandteil des Pakets IV, die Einführung einer neuen Unternehmenskategorie vorzuschlagen.
Lösung
Für diese neue Kategorie von sog. Small-Mid-Caps (SMC – kleine Unternehmen mit mittlerer Marktkapitalisierung) sollen die vorgeschlagenen Maßnahmen die Einhaltung von Gesetzesvorgaben erleichtern. Beabsichtigt sind insbesondere auch Anreize, Regulierungsprozesse zu digitalisieren. Die SMCs werden mithilfe eines Empfehlungsentwurfs definiert als Unternehmen, die
- keine kleinen oder mittleren Unternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG sind,
- weniger als 750 Mitarbeiter haben und
- entweder weniger als 150 Mio. € Umsatzerlöse oder eine Bilanzsumme von weniger als 129 Mio. € vorweisen.
Insoweit werden Vorschläge zur Änderung verschiedener EU-Richtlinien und EU-Verordnungen gemacht, mit denen Erleichterungen für diese SMCs eingeführt werden sollen. Das betrifft insbesondere Vereinfachungen für Emittenten mit Blick auf Prospekte und Berichtspflichten nach den Vorschriften der ProspektVO (Verordnung (EU) 2017/1129) und der Europäischen Finanzmarktrichtlinie MiFID II. Weitere Erleichterungen umfassen z.B. die Streichung von Sorgfaltspflichten nach der BatterieVO (Verordnung (EU) 2023/1542) oder Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO – Verordnung (EU) 2016/679).
Diese kleinen Mid-Cap-Unternehmen – nach Angaben der EU-Kommission sind es fast 38.000 Unternehmen in der EU – werden damit, so betont die Kommission, zum ersten Mal Zugang zu bestimmten bestehenden KMU-Vorteilen erhalten, wie spezifischen Ausnahmen im Rahmen der DS-GVO oder vereinfachten Vorschriften wie Prospektvorschriften, die die Notierung von SMCs an der Börse einfacher und kostengünstiger machen.
Darüber hinaus umfasst das vierte Omnibus-Paket gemäß DRSC-Mitteilung vom 26.5.2025 Vorschläge zur Digitalisierung von Produktinformationen, zur Vereinheitlichung von Produktspezifikationen und zu weiteren Vorschriften der DS-GVO. Die EU-Kommission nennt gezielte Änderungen an den folgenden acht Rechtsakten:
- Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) – Verordnung (EU) 2016/679
- Verordnung über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren – Verordnung (EU) 2016/1036 (Antidumping-Zölle)
- Verordnung über den Schutz gegen subventionierte Einfuhren – Verordnung (EU) 2016/1037
- Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente – Richtlinie (EU) 2014/65
- Prospektverordnung – Verordnung (EU) 2017/1129
- Verordnung über Batterien – Verordnung (EU) 2023/1542
- Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen – Richtlinie (EU) 2022/2557
- Verordnung über fluorierte Treibhausgase – Verordnung (EU) 2024/573.
Praxishinweise: - Mit Erläuterungen spart die EU-Kommission nicht; sie sind unter https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_25_1278 verfügbar. Gefragt wird jeweils, warum die Änderungen vorgenommen werden und welche Vorteile sie bringen sollen.
- Die EU-Kommission hat eine Übersicht über alle Omnibus-Pakete unter https://single-market-economy.ec.europa.eu/single-market/simplification_en bereitgestellt. Omnibus I und II haben insbesondere die Vorschriften für die Nachhaltigkeitsberichterstattung gestrafft (vgl. Zwirner/Boecker, BC 2025, 96 f., Heft 3).
- Das Paket IV schließt an das in der Vorwoche am 14.5.2025 veröffentlichte Omnibus-Paket III an, welches sich auf die Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik mit Einsparungen für Landwirte und für nationale Verwaltungen bezieht. Die Vorschläge im Überblick:
– Vereinfachte Zahlungsregelung für kleine Höfe: Die jährliche Pauschalzahlung für Kleinlandwirte wird von 1.250 € auf 2.500 € angehoben. Sie werden auch bei den Öko-Regelungen von bestimmten Umweltvorschriften (Konditionalität) ausgenommen. – Vereinfachte Umweltanforderungen und -kontrollen: Zertifizierte ökologische/biologische Betriebe werden automatisch einige der EU-Umweltanforderungen für die Finanzierung erfüllen. Kontrollen werden durch den Einsatz von Satelliten und anderen Technologien gestrafft. Dazu soll der Grundsatz kommen: nur eine Vor-Ort-Kontrolle pro Jahr und Betrieb. – Verstärktes Krisenmanagement, einfachere Verfahren für die nationalen Verwaltungen: Bessere Unterstützung für Betriebe, die von Naturkatastrophen oder Tierseuchen betroffen sind, durch neue Krisenzahlungen im Rahmen der GAP-Strategiepläne und flexiblerer Risikomanagementinstrumente. – Verbesserte Wettbewerbsfähigkeit und Digitalisierung: Kleinlandwirte erhalten leichter finanzielle Unterstützung durch eine neue einfache Finanzierungsoption mit einem Pauschalbetrag von bis zu 50.000 € für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Die nationalen Verwaltungen werden weiter ermutigt, interoperable digitale Systeme zu entwickeln. Nach dem Grundsatz „Einmalige Meldung, mehrfache Nutzung“ besteht das Ziel darin, dass die Landwirte ihre Daten nur einmal über ein einziges System übermitteln müssen. - Letzteres dürfte über Landwirte hinaus ein Kernanliegen wohl fast aller Unternehmer sein. Weitere Pakete sind in Vorbereitung, das nächste schon für den Juni 2025. Es wird sich auf die Verteidigung konzentrieren und dazu beitragen, die im Weißbuch festgelegten Investitionsziele zu erreichen und innovativen Unternehmen das Gedeihen zu ermöglichen. Ferner vorgesehen sind ein Omnibus für die chemische Industrie und ein Digitalpaket.
- Hoffentlich, so muss man angesichts der immer größer werdenden Flotte an teils kleinteilig überfrachteten bzw. überfüllten Omnibussen aber auch hinterfragen, reichen die Parkplätze, sprich Umsetzungskapazitäten in den EU-Mitgliedstaaten, aus – und noch kritischer dürfte sein, ob angesichts dieser Flut von De-Regulierungsfahrstrecken genügend Haltestellen vorgesehen sind, um die Adressaten als Fahrgäste mitzunehmen, ohne deren Mitwirkung gutgemeinte Effekte verpuffen könnten. Bekanntlich kann man frei nach Karl Schiller Pferde an die Tränke führen, aber saufen müssen sie schon selbst.
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Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 7/2025
BC20250703