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Weihnachtsfeier im arbeitsrechtlichen Rückblick

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Übermut tut selten gut

 

Mit dem nahenden vierten Advent sind die meisten Weihnachtsfeiern bereits vorüber. Diese bzw. die noch folgenden werden aber nicht selten zu Beginn des neuen Jahres im arbeits- und sozialrechtlichen Kontext wieder aufleben. Die insoweit aufzuarbeitenden Tatbestände reichen vom Anspruch auf Anrechnung von Arbeitszeit während der Feier und Ausfallzeiten aufgrund übermäßigen Alkoholgenusses bis hin zu Unfallfolgen und sexuellen Belästigungen.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die vielerorts beliebten Weihnachtsfeiern schätzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, um das Jahr ausklingen zu lassen und den kollegialen Zusammenhalt zu stärken. Allerdings laufen Weihnachtsfeiern nicht immer so besinnlich bzw. sinnstiftend ab wie gewünscht, sodass sich im Nachhinein oft Fachgerichte mit Auseinandersetzungen beschäftigen müssen. Eine kleine Übersicht zu ausgewählten arbeits- und sozialrechtlichen Besonderheiten im Zusammenhang mit Weihnachtsfeiern haben beratende Experten im Eureos-NL vom 18.12.2024 zusammengestellt. Schon mit der Einladung können demnach Fallstricke verbunden sein, die es zu vermeiden gilt. Als nächste Problemquelle ist die Frage der Behandlung als Arbeitszeit zu nennen. Wenn dann die Stimmung entweder so getrübt ist, dass der Vorgesetzte sich Beleidigungen ausgesetzt sieht, oder aber – meist in Verbindung mit Alkoholgenuss – der Frohsinn so übermäßig ausfällt, dass kleidungsmäßig manche Hüllen fallen und Standfestigkeiten zu sehr ins Wanken geraten, dann kann sich die eigentlich beabsichtigte Stärkung des kollegialen Zusammenhalts in ihr Gegenteil in Form des Ausschlusses vom Miteinander verkehren; es drohen nicht nur Abmahnungen, sondern sogar Kündigungen.

 

 

Lösung

Empfohlen wird, dass Arbeitgeber unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einladen sollten. Etwas anderes gilt nur, wenn für diese Zeit eine Arbeitspflicht (z.B. Bereitschaftsdienst) besteht. Arbeitnehmer sind aber nicht zur Teilnahme verpflichtet. Die Teilnahme kann auch nicht im Wege des Direktionsrechts angeordnet werden, selbst dann – zur Freude nicht mit Weihnachtsstimmung gesegneter Arbeitnehmer – nicht, wenn die Feier während der Arbeitszeit stattfindet. Soweit Arbeitnehmer fernbleiben, sind Arbeitgeber sogar nach einschlägiger BAG-Rechtsprechung im Advent 1970 (Urteil vom 4.12.1970 – 5 AZR 242/70) gehalten, alle zumutbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um den nicht teilnehmenden Arbeitnehmern die Weiterarbeit zu ermöglichen. Für teilnehmende Mitarbeitende sind Weihnachtsfeiern während der betriebsüblichen Arbeitszeit als Arbeitszeit zu werten. Findet die Feier aber außerhalb der Arbeitszeit statt, können Arbeitnehmer anlässlich ihrer Teilnahme keine Überstunden aufbauen oder Vergütung verlangen.

Die Eureos-Expertinnen Franziska Häcker und Dr. Valeska Tkotsch weisen ferner auf Fehlverhalten während und nach der Feier hin, dass kündigungs- oder abmahnungsrelevant sein kann. Die Rechtsprechung habe klargestellt, dass es sich bei Weihnachtsfeiern auch außerhalb der Arbeitszeit nicht um Ausnahmesituationen handelt, sondern auch hier arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere Nebenpflichten, bestehen. So führt z.B. die üblicherweise gelöste Stimmung nicht zur Relativierung oder Rechtfertigung sexueller Belästigungen und frauenfeindlicher oder sexistischer Kommentare. Gleiches gelte für Beleidigungen, weil hierdurch die Autorität des Beleidigten untergraben wird. Auch sonstiges Fehlverhalten während der Feier (gerichtlich bereits entschieden ist z.B. ausuferndes Trinkgelage mit Baden im Rhein während der Feier auf einem Schiff oder danach; eigenmächtiges Weiterfeiern im Betrieb unter Hinterlassung von Unrat) ist kündigungsrelevant.

Führt der Alkoholkonsum dann zur Arbeitsunfähigkeit am nächsten Arbeitstag, kann der Anspruch auf Lohnfortzahlung zweifelhaft sein. § 3 Abs. 1 EFZG setzt für die Gewährung von Entgeltfortzahlung voraus, dass den Arbeitnehmer an der Verhinderung seiner Arbeitsleistung kein Verschulden trifft. Ein entgeltfortzahlungsausschließendes Verhalten ist dem Arbeitnehmer dann vorzuwerfen, wenn er sich in einen Zustand versetzt hat, der ein kontrolliertes und sicheres Verhalten nicht mehr gewährleistet und hierdurch die Gefahr von Unfällen erheblich vergrößert. Gegebenenfalls sind die an der Weihnachtsfeier teilnehmenden Mitarbeitenden zwar grundsätzlich über die gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) geschützt. Erforderlich ist aber, dass Weihnachtsfeiern als eigene betriebliche Veranstaltung durchgeführt werden (ohne dass die Unternehmensleitung persönlich hieran teilnehmen muss). Wichtig ist auch, dass Weihnachtsfeiern einzelner organisatorischer Einheiten oder Teams nur dann der gesetzlichen Unfallversicherung unterfallen, wenn die Veranstaltung von der jeweiligen Leitung im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung durchgeführt wird.

Zwar erfasst der gesetzliche Unfallversicherungsschutz unter den vorgenannten Voraussetzungen auch den Heimweg von einer betrieblichen Weihnachtsfeier. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Arbeitnehmer während des Heimwegs so unter Alkoholeinfluss stand, dass die Folgen des Alkoholgenusses für die Verursachung eines Unfalls von erheblicher Bedeutung sind und damit den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz ausschließen (so etwa entschieden vom LSG Sachsen-Anhalt Urt. v. 14.5.2020 – L 6 U 45/17) .

 

 

Praxishinweise:

  • Zu empfehlen ist daher mit den oben genannten Expertinnen Häcker/Tkotsch, dass die Mitarbeitenden vorsorglich auf die „Grenzen“ des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes sowie auf mögliche Konsequenzen eines Fehlverhaltens oder übermäßigen Alkoholkonsums hingewiesen werden sollten. Im Rahmen entsprechender Richtlinien können unerwünschte Verhaltensweisen auf betrieblichen Feierlichkeiten kommuniziert und rechtliche Konsequenzen in Aussicht gestellt werden, um sowohl Mitarbeitende als auch Unternehmensleitung für Fehlverhalten zu sensibilisieren und dieses ggf. zu verhindern (zu diesen und weiteren Hinweisen siehe unter https://www.eureos.de/alle-jahre-wieder-arbeitsrecht-im-festlichen-kontext/).
  • Allerdings sollte man – so sei hier resümierend hinzugefügt – auch bei der Formulierung solcher Richtlinien (neudeutsch Code of Conduct) das nötige Fingerspitzengefühl nicht vermissen lassen, um die Stimmung nicht im Vorfeld zu sehr zu vermiesen. Oft helfen schon ohne teuren Expertenrat Alltagserfahrungen: „Übermut tut selten gut.“ Dieses z.B. Skatfreunde vor zu hohem Reizen bewahrende Sprichwort lässt sich auf den Anwendungsfall Weihnachtsfeier gut übertragen, indem den (mit jedem nachgeorderten alkoholischen Getränk sich weiter öffnenden) weiblichen Reizen oder auch einem männlichen Imponiergehabe möglichst widerstanden werden sollte. Dass ihnen unangenehme Spätfolgen der beschriebenen Art erspart bleiben, ist Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen zu wünschen – und im Übrigen auch in sonstigen Bereichen mit einem gemäßigten Prosit viel Erfolg für das kommende Jahr.

 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 1/2025

BC20250124

 

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