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Grenzüberschreitende Aktivitäten bei der Gewerbesteuer

Dr. Martin Weiss

BFH Urt. v. 5.6.2024 – I R 32/20

 

Die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt (§ 9 Nr. 3 GewStG), ist auch dann vorzunehmen, wenn die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) nach dem einschlägigen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht gehindert wäre, den gesamten Gewerbeertrag zu besteuern, und wenn sich im Rahmen einer koordinierten steuerlichen Außenprüfung (Joint Audit) die deutschen und die ausländischen Finanzbehörden auf eine vollständige Besteuerung durch Deutschland verständigt haben.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Gewerbesteuer als „objektbezogene Gemeindesteuer, die zusätzlich zur Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer zu entrichten ist“ (BFH Beschl. v. 6.11.2019 – I R 32/18, DStR 2020, 2354, Rz. 46), soll nach offizieller Lesart u.a. dem Territorialitätsprinzip folgen. § 2 Abs. 1 S. 3 GewStG ordnet an, dass ein Gewerbebetrieb nur insoweit „im Inland betrieben wird“, als für ihn „im Inland oder auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebsstätte unterhalten wird“. Neben einem Gewerbebetrieb im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 15 Abs. 2 EStG, § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG) ist also ein gesteigerter Bezug zum Inland erforderlich, um überhaupt einen Aufgriff von Gewerbeerträgen auszulösen.

Dass es sich bei der in § 2 Abs. 1 S. 3 GewStG angesprochenen Betriebsstätte um eine solche nach § 12 AO handeln muss, hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden (z.B. BFH Urt. v. 20.7.2016 – I R 50/15, IStR 2016, 902). In Fällen, in denen auch ein Doppelbesteuerungsabkommen anwendbar ist, „konkurriert“ diese Definition der Betriebsstätte mit derjenigen des Art. 5 OECD-MA 2017. Die Doppelbesteuerungsabkommen sind allerdings nicht darauf angelegt, „steuerliche Pflichten zu begründen“. Sie dienen „allein der Vermeidung einer vorhandenen Doppelbesteuerung. Rechtsgrundlagen zur Begründung von Steuerpflichten können sich … nur aus den allgemein geltenden gesetzlichen Bestimmungen ergeben“ (BFH Urt. v. 4.11.2021 – VI R 22/19, DStR 2022, 538). Mit Bezug auf die Gewerbesteuer ist dieser Grundsatz ebenfalls beachtlich, da sämtliche deutsche Doppelbesteuerungsabkommen sachlich (Art. 2 OECD-MA 2017) auch auf die Gewerbesteuer anwendbar sind (BeckOK GewStG/Weiss, 11. Ed. 1.9.2024, GewStG § 7 Rn. 152 m.w.N.).

Das Territorialitätsprinzip bzw. der „strukturelle Inlandsbezug“ der Gewerbesteuer (BFH Urt. v. 10.8.2016 – I R 60/14, BStBl. II 2017, 534, Rn. 29) führen grundsätzlich dazu, dass der gewerbesteuerliche Aufgriff auf „inlandsradizierte“ (bezogen auf das inländische Recht) Einkünfte des sachlich gewerbesteuerpflichtigen Gewerbebetriebs begrenzt wird (z.B. BFH Urt. v. 25.2.2021 – III R 67/18, DStRE 2021, 1349, Rn. 28). Allerdings muss der Steuerpflichtige dafür einen „harten Nachweis“ erbringen, dass Teile seines Gewerbeertrags einer ausländischen Betriebsstätte nach § 12 AO zuzuordnen sind. Nur soweit dieser Nachweis gelingt, ist die Kürzung nach § 9 Nr. 3 S. 1 GewStG aus dem Gewerbeertrag zu gewähren. So können auch Einkünfte eines Fußballschiedsrichters aus Spielen, die er in Asien geleitet hat, der Gewerbesteuer im Inland unterliegen: Die Schiedsrichterkabine und das Hotelzimmer stellen eben keine ausländischen Betriebsstätten unter § 12 AO dar (BFH Urt. v. 20.12.2017 – I R 98/15, IStR 2018, 238). Ähnliches gilt z.B. für Pokerspieler (BFH v. Urt. 25.2.2021 – III R 67/18, DStRE 2021, 1349).

In „Inbound-Sachverhalten“, d.h. bei Tätigkeiten ausländischer Gesellschaften im Inland, ist damit die Vermeidung der inländischen Betriebsstätte ein wichtiges Ziel (z.B. BFH Urt. v. 23.3.2022 – III R 35/20, BStBl. II 2022, 844). Über diese „Schwelle“ war die klagende Personengesellschaft – als Teil eines niederländischen Konzerns – hingegen schon hinweg. Ihr ging es darum, welcher Teil ihrer Einkünfte der deutschen Gewerbesteuer unterliegen sollte.

 

 

Lösung

Der BFH hat die Lösung der Vorinstanz (FG Düsseldorf Urt. v. 28.5.2020 – 9 K 1904/18 G, IStR 2020, 718) – zusammengefasst – als zu „holzschnitzartig“ verworfen und daher die Sache an das FG zurückverwiesen. Dabei hat er auch die umkämpfte Frage einer DBA-Berechtigung von Personengesellschaften gestreift. Da in den Streitjahren 2013 und 2014 noch das „alte“ DBA Niederlande 1959 anwendbar war (BMF v. 15.1.2024, BeckVerw 633135), gab es hier jedoch Besonderheiten, die eine Entscheidung in dieser wichtigen Frage entbehrlich machten.

Die Tätigkeit der Klägerin, die Grundstücke im Inland erwarb, bebaute und wieder veräußerte, während ihre Geschäftsleitung in den Niederlanden lag, war für die sog. „erweiterte Kürzung“ nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG aufgrund ihrer „Handelstätigkeit“ ungeeignet (GewStH 9.2 Abs. 2, „Gewerblicher Grundstückshandel“). Dementsprechend ging der wesentliche Streit um die Zuordnung von Gewinnen bzw. Gewerbeerträgen zu niederländischen oder deutschen Betriebsstätten.

Die Ergebnisse einer gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung („joint audit“) deutscher und niederländischer Prüfer hielt der BFH hierbei nicht für bindend. Vielmehr müsse zwischen den deutschen und niederländischen Betriebsstätten eine Aufteilung auf gesetzlicher Grundlage stattfinden (siehe bereits zu einer Zerlegung bei Betrieb einer Pipeline BFH Urt. v. 15.5.2024 – IV R 21/21, DStRE 2024, 1105). In den Niederlanden war aufgrund der Leitung der Geschäfte der Klägerin eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 S. 2 Nr. 1 AO („Stätte der Geschäftsleitung“) vorhanden. Das Gewerbesteuergesetz selbst enthält keine ausdrücklichen Regelungen darüber, nach welchen Kriterien die Abgrenzung zwischen den auf die inländischen Betriebsstätten und den nach § 9 Nr. 3 GewStG von der Bemessungsgrundlage auszunehmenden, auf die ausländischen Betriebsstätten entfallenden Teilen des Gesamtgewerbeertrags konkret vorzunehmen ist. Als denkbare Methoden zur Betriebsstätten-Gewinnabgrenzung hat der BFH dabei sowohl die „direkte Methode“ als auch die „indirekte Methode“, die beispielsweise im Inland bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags (§§ 28 ff. GewStG) gesetzlich angeordnet ist, in den Raum gestellt („Segelanweisung für das FG“).

 

 

Praxishinweise:

  • Im „Inbound-Fall“ geht der Streit häufig darum, ob überhaupt eine inländische Betriebsstätte nach § 12 AO vorliegt. Wird diese bereits erfolgreich vermieden, stellen sich alle weiteren Fragen bezüglich der Gewerbesteuer nicht mehr. Der BFH hat insoweit in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass ein Grundstück, das lediglich vermietet und verpachtet wird, keine Betriebsstätte des Vermieters oder Verpächters begründet (z.B. BFH Urt. v. 17.11.2020 – I R 72/16, BStBl. II 2021, 484, Rn. 34 m.w.N.). Demnach versucht die Finanzverwaltung immer wieder, doch noch eine Betriebsstätte zu „entdecken“ (Brühl/Weiss, IStR 2020, 418).
  • Selbst wenn der Finanzverwaltung ein Nachweis inländischer Betriebsstätten gelingt, stellt sich – wie das Besprechungsurteil zeigt – jedoch die weitere Frage, welcher Gewerbeertrag dieser zugerechnet wird. Die „Methodenwahl“ ist dabei keineswegs klar, wie der BFH ab Rz. 44 zeigt.
  • Im Streitfall klagte eine gewerblich tätige Personengesellschaft. Auch bei Kapitalgesellschaften stellt sich indes die Problematik des Besprechungsurteils. Deren Tätigkeit gilt zwar nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG „stets und in vollem Umfang“ als Gewerbebetrieb, was auch für ausländische Kapitalgesellschaften gilt (BFH Urt. v. 1.2.2024 – IV R 26/21, DStR 2024, 671, Rz. 19 ff.). Dann ist jedoch die zweite Komponente des § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG, die inländische Betriebsstätte nach § 12 AO, weiterhin zu klären (Weiss, IStR 2024, 426, 427 m.w.N.).
  • Ebenfalls im „Dunstkreis“ des Besprechungsurteils liegt die Frage einer möglichen Anrechnung ausländischer Ertragsteuern auf die Gewerbesteuer. Das FG Kassel hatte eine solche in einem Fall mit anwendbarem DBA bejaht (FG Hessen Urt. v. 26.8.2020 – 8 K 1860/16, BeckRS 2020, 42775). Zu einer Entscheidung des BFH ist es in diesem Verfahren allerdings mangels Zulässigkeit der Revision nicht gekommen (BeckOK GewStG/Weiss, 11. Ed. 1.9.2024, GewStG § 7 Rn. 94 ff.), sodass die Fragestellung weiterhin ungeklärt ist.

 

Dr. Martin Weiss, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Dipl.-Kfm., Verlag C.H.BECK, München

 

 

BC 12/2024

BC20241203

 

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