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Höhe der Aussetzungszinsen: Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit

Christian Thurow

FG München Beschl. v. 24.6.2024 – 7 V 11/24

 

Äpfel lassen sich bekanntlich nicht mit Birnen vergleichen. Doch was ist mit den verschiedenen Apfelsorten – ist hier ein Vergleich angebracht? Ähnliches haben sich wohl die Richter am Finanzgericht (FG) München gefragt, als es um den Vergleich von Verzugs- und Aussetzungszinsen ging.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

In seinem am 18.8.2021 veröffentlichten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) klargestellt, dass die Vollverzinsung von Steuernachforderungen nach § 233a AO mit einem Zinssatz von 0,5% pro Kalendermonat für Verzinsungszeiträume seit 2014 nicht mehr verfassungsgemäß war. Der Gesetzgeber hat als Antwort den § 238 Abs. 1a AO in die Abgabenordnung (AO) eingefügt, welcher in den Fällen des § 233a AO (Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen) einen Zinssatz von 0,15% pro Kalendermonat vorsieht. Im Gegensatz zu den Verzugszinsen nach § 233a AO sind Aussetzungszinsen nach § 237 AO aber weiterhin gemäß § 238 Abs. 1 AO mit einem Zinssatz von 0,5% pro Kalendermonat (6% p.a.) zu verzinsen.

Im Ausgangsfall hatten Klägerin und Finanzamt unterschiedliche Auffassungen bezüglich erhaltener Zulagen nach dem Investitionszulagengesetz 2005. Der nach einer steuerlichen Außenprüfung ergangene Steuerbescheid wurde erfolgreich der Aussetzung der Vollziehung (AdV) unterworfen. Das Finanzamt setzte daraufhin Aussetzungszinsen in Höhe von 0,5% pro Kalendermonat fest.

 

 

Lösung

Die Richter am FG München haben ernstliche rechtliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Aussetzungszinsen und gewähren die AdV des Bescheids über Aussetzungszinsen. In der Entscheidungsbegründung führen sie an, dass Sinn und Zweck der Verzinsung die einheitliche und typisierte Ermittlung eines Zinsvorteils ist. Es soll gerade nicht ein individueller Liquiditätsausgleich vorgenommen werden. Anstelle des tatsächlichen Liquiditätsvorteils soll der potenzielle, in typisierter Weise ermittelte Liquiditätsvorteil abgeschöpft werden. Dies ist sowohl bei den Verzugs- als auch bei den Aussetzungszinsen der Fall. Somit sind die Einwände des Bundesverfassungsgerichts zur Höhe der typisierten Verzugszinsen aus Sicht des FG München auch auf die Höhe der typisierten Aussetzungszinsen im gleichen Zeitraum übertragbar.

Würde der typisierte Zinssatz für Aussetzungszinsen deutlich über dem Marktniveau liegen, so dürften Steuerpflichtige mit genug Eigenmitteln bzw. der Möglichkeit einer günstigen Kreditaufnahme von einem Antrag auf AdV regelmäßig Abstand nehmen. Lediglich für Steuerpflichtige mit Liquiditätsproblemen wäre eine AdV in diesem Fall „lohnend“. Doch „damit mutiert die Aussetzung der Vollziehung zu einer besonderen Stundungsregelung bei rechtlich zweifelhaften Verwaltungsakten, da sie lediglich bei Zahlungsschwierigkeiten wirtschaftlich Sinnhaftigkeit erlangt“, so die Münchner Finanzrichter.

Da dies aus Sicht des FG München nicht im Sinne der Vorschrift ist, wird die AdV des Bescheids über Aussetzungszinsen gewährt.

 

 

Praxishinweis:

Die unterschiedliche Behandlung der verschiedenen steuerlichen Zinssätze kann mitunter verwirrend sein. So hat z.B. der BFH in einem am 1.8.2024 veröffentlichten Urteil vom 17.7.2024 (X B 79/23) noch einmal bestätigt, dass ein Zinssatz von 0,5% pro Kalendermonat als Säumniszuschlag nach § 240 Abs. 1 S. 1 AO weiterhin angemessen ist. Denn anders als bei Verzugs- oder Aussetzungszinsen steht bei dieser Verzinsungsart nicht die Abschöpfung eines Liquiditätsvorteils, sondern die Sanktionsfunktion im Vordergrund. Durch die pönale Höhe des Säumniszuschlags soll der Steuerpflichtige zu einem bestimmten Verhalten bewegt werden. Insofern ist der Säumniszuschlag die Birne unter all den Äpfeln.


Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Risk Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 9/2024

BC20240902

 

 

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