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Bildung passiver Ausgleichsposten für Mehrabführungen (§ 14 Abs. 4 KStG)

Dr. Martin Weiss

BMF 4.7.2024, IV C 2 – S 2770/19/10004 :002; DOK 2024/0585015

 

Ergänzung zur Ausnahme der Rückgewähr eines Ertragszuschusses: Nach Übergang zur Einlagelösung durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts vom 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2050) gelten diese Grundsätze allgemein für die Annahme von Mehr-/Minderabführungen im Sinne des § 14 Abs. 4 S. 6 KStG.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die körperschaftsteuerliche (und gewerbesteuerliche, § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG) Organschaft (§§ 14 ff. KStG) durchbricht das Grundprinzip des deutschen Ertragsteuerrechts, wonach jede Person auf Basis ihres eigenen Einkommens besteuert wird („Ausnahme vom steuerrechtlichen Grundprinzip der getrennten Besteuerung der einzelnen Steuersubjekte“, BFH Urt. v. 2.11.2022 – I R 37/19, BeckRS 2022, 42320, Rn. 17). Das körperschaftsteuerliche Einkommen der Organgesellschaft wird – soweit sich aus § 16 KStG nichts anderes ergibt – dem Organträger zugerechnet (§ 14 Abs. 4 S. 1 KStG). Auch andere steuerliche „Attribute“, wie etwa anrechenbare Steuern (§ 19 KStG), „wandern“ zum Organträger.

Als deutsche Besonderheit erfordert die ertragsteuerliche Organschaft in ihrem Tatbestand einen Gewinnabführungsvertrag nach § 291 Abs. 1 AktG (§ 14 Abs. 1 S. 1 KStG; § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KStG) oder eine entsprechende „wirksame Verpflichtung“ zur Abführung des gesamten Gewinns der Organgesellschaft (§ 17 Abs. 1 S. 1 KStG). Bei Abweichungen zwischen der handelsrechtlichen Gewinnabführung und der steuerlichen Einkommenszurechnung nach § 14 Abs. 1 S. 1 KStG stellt sich die Frage, wie diese Unterschiede (etwa bei einer späteren Veräußerung der Anteile an der Organgesellschaft) zu behandeln sind.

Gesetzlich werden dabei vororganschaftlich (§ 14 Abs. 3 KStG) und organschaftlich (§ 14 Abs. 4 KStG) verursachte „Mehrabführungen“ und „Minderabführungen“ unterschieden. Mehrabführungen entstehen, wenn die handelsrechtliche Gewinnabführung den steuerlichen Gewinn übersteigt. Fraglich ist jedoch, wie diese Abweichung bestimmt werden soll: Kommt es dabei nur auf die Unterschiede der handelsrechtlichen Gewinnabführung zum Steuerbilanzgewinn an oder sind auch außerbilanzielle Korrekturen (Katalog in KStR 7.1 Abs. 1 S. 2) einzubeziehen? Der Gesetzeswortlaut des § 14 Abs. 4 S. 6 KStG ist „offen“:

„Minder- oder Mehrabführungen im Sinne der Sätze 1 und 2 liegen insbesondere vor, wenn der an den Organträger abgeführte Gewinn von dem Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft abweicht und diese Abweichung in organschaftlicher Zeit verursacht ist.“

Demnach hatte der BFH in der Vergangenheit in zwei Urteilen entscheiden müssen, ob auch bei fehlender Abweichung zwischen handelsrechtlicher Gewinnabführung und Steuerbilanzgewinn eine Minder- oder Mehrabführung vorliegen kann. In Sonderfällen hat er dies zur Sicherstellung der „Einmalbesteuerung der organschaftlichen Erträge beim Organträger“ bejaht:

  • BFH Urt. v. 29.8.2012 – I R 65/11, BStBl. II 2013, 555, für den Fall der „verrechenbaren Verluste“ nach § 15a EStG auf Ebene der Organgesellschaft;
  • BFH Urt. v. 15.3.2017 – I R 67/15, BeckRS 2017, 118170, für den Fall einer verdeckten Einlage durch einen „Ertragszuschuss“.

Durch das Schreiben des BMF 15.7.2013, BStBl. I 2013, 921, hatte das BMF die Anwendung des erstgenannten Urteils nur auf Fallkonstellationen, die genau dem Urteilssachverhalt entsprachen, beschränkt. In allen anderen Fällen sollte weiterhin nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 4 S. 6 KStG auf die Abweichung des an den Organträger abgeführten Gewinns vom Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft abzustellen sein.

 

 

Lösung

Mit dem vorliegenden Schreiben wird auch die letztere Entscheidung dem Grunde nach anerkannt und zur Veröffentlichung im Bundessteuerblatt vorgesehen.

 

 

Praxishinweise:

  • Das BMF-Schreiben aus dem Jahr 2013 stellte rechtsfolgenseitig auf die Bildung von besonderen Ausgleichsposten nach § 14 Abs. 4 KStG a.F. ab. Diese waren nach § 14 Abs. 4 S. 1 KStG a.F. „in der Steuerbilanz des Organträgers“ zu bilden.
  • Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber dieses Regime im Rahmen des „KöMoG“ aus dem Jahr 2021 durch die „Einlagelösung“ nach § 14 Abs. 4 KStG n.F. ersetzt (dazu BMF 29.9.2022, BStBl. I 2022, 1412, BeckVerw 574870). Auch unter der Einlagelösung, die nach § 34 Abs. 6e S. 5 KStG „erstmals auf Minder- und Mehrabführungen anzuwenden [ist], die nach dem 31. Dezember 2021 erfolgen“, sollen nach dem BMF-Schreiben vom 4.7.2024 dieselben Grundsätze zur Annahme von Mehr- oder Minderabführungen gelten.
  • Keinen Einfluss hatte der Übergang zur Einlagelösung im Übrigen auf die Behandlung von Mehr- oder Minderabführungen, die vororganschaftlich (nicht: „außerorganschaftlich“; BFH Urt. v. 21.2.2022 – I R 51/19, BeckRS 2022, 14055) verursacht sind. Diese sind nach § 14 Abs. 3 S. 1, 2 KStG weiterhin „als Gewinnausschüttungen der Organgesellschaft an den Organträger“ bzw. „als Einlage durch den Organträger in die Organgesellschaft“ zu behandeln.
  • Auch sonst gibt es im Ertragsteuerrecht immer wieder Unmut rund um die Frage, welcher „Gewinn“ der richtige ist: Die Berechtigung zur Bildung eines Investitionsabzugsbetrags gemäß § 7g EStG etwa hängt davon ab, dass der Gewinn im Wirtschaftsjahr, in dem die Abzüge vorgenommen werden sollen, 200.000 € nicht überschreitet (§ 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG). Außerbilanzielle Korrekturen können da das „Zünglein an der Waage“ darstellen und sind dementsprechend umkämpft (z.B. FG Baden-Württemberg Gerichtsbescheid v. 2.5.2023 – 10 K 1873/22, BeckRS 2023, 17118; Rev. anh. III R 38/23).


Dr. Martin Weiss, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Dipl.-Kfm., Verlag C.H.BECK, München

 

 

BC 8/2024

BC20240813

 

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