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Steuerliche Fragen im Zusammenhang mit Bewertungseinheiten (§ 5 Abs. 1a EStG)

BC-Redaktion

OFD Frankfurt/M., Verfügung vom 22.3.2012, S 2133 A – 30 – St 210

 

Zu Fragen der Bildung von Bewertungseinheiten in der steuerlichen Gewinnermittlung wird nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder wie folgt Stellung genommen.

 

 

1. Anwendung von Regelungen des steuerlichen Bewertungsvorbehalts und spezialgesetzlicher Normen

 

Es wird gefragt, ob die steuerliche Anerkennung von Bewertungseinheiten sowohl hinsichtlich des Ansatzes als auch der Bewertung der Vorschrift des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG folge. Dies würde bewirken, dass der steuerliche Bewertungsvorbehalt des § 5 Abs. 6 i.V.m. § 8b Abs. 1 bis 6 KStG, § 6a und § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG sowie die spezialgesetzlichen Normen des Investmentsteuergesetzes und des Außensteuergesetzes nicht zur Anwendung kämen.

§ 5 Abs. 1a EStG bestimmt, dass die Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich sind. Insofern stellt die Vorschrift eine besondere Ausprägung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes dar. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift kommt eine eigenständige Bewertung der in eine Bewertungseinheit einbezogenen Wirtschaftsgüter nach steuerlichen Bewertungsvorschriften nicht mehr in Betracht. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass eine Bewertungseinheit für Zwecke der Bewertung der Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen ist. Werden Verluste und Gewinne tatsächlich realisiert, sind diese Vorgänge nicht mehr unter Bewertungs-, sondern unter Realisationsgesichtspunkten zu beurteilen. Außerdem sind vom Regelungsbereich der Bewertungseinheiten die Vorschriften über die Gewinnermittlung, die Einkommensermittlung und die Verlustverrechnung, insbesondere die § 3 Nr. 40, § 3c und § 15 Abs. 4 EStG und § 8b KStG strikt zu trennen, da diese Regelungen auf tatsächliche Betriebsvermögensmehrungen und -minderungen abstellen.

Das hat zur Folge, dass bei einem Micro-Hedge, einem Vorgang, in dem einem Grundgeschäft ein konkretes Sicherungsgeschäft zugeordnet werden kann, § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG zwar bewirkt, dass die Bewertung des Grundgeschäfts nur unter Berücksichtigung des Sicherungsgeschäfts vorzunehmen ist. Werden aber Grund- und Sicherungsgeschäft realisiert, können diese Vorgänge konkret zugeordnet werden, und die Gewinn- und Einkommensermittlungsvorschriften und die Vorschriften über die Verlustverrechnung sind anwendbar.

Gleiches gilt ebenso bei Makro- und Portfolio-Hedges. Lediglich im Zeitpunkt der Bewertung der Vielzahl der im Hedge enthaltenen Wirtschaftsgüter und Geschäfte kann keine konkrete Zuordnung von Grund- zu Sicherungsgeschäften erfolgen und daher nur ein Gesamtrisiko oder -gewinn bezogen auf den Hedge ermittelt werden. Ergibt sich ein Gesamtrisiko, wird dieses in der Regel als Rückstellung ausgewiesen und ist auch steuerlich abziehbar (§ 5 Abs. 4a Satz 2 EStG) – [siehe Anschauungsbeispiel unten, Anm. d. Red.]. Dieser Verlust lässt sich nicht konkret zuordnen und kann daher auch nicht den Regelungen des § 3 Nr. 40, § 3c EStG und § 8b KStG unterworfen werden. Verlustverrechnungsbeschränkungen wie § 15 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 EStG gelten aber dennoch.

Im Zeitpunkt der tatsächlichen Realisation einzelner Wirtschaftsgüter (z.B. Veräußerung) und Geschäfte, die dem Hedge zugeordnet waren, können diese Vorgänge konkret bestimmt werden, und die Gewinn- und Einkommensermittlungsvorschriften und die Vorschriften über die Verlustverrechnung sind anwendbar.

Zu den angesprochenen spezialgesetzlichen Normen des Investmentsteuergesetzes und des Außensteuergesetzes sind keine Beispiele bekannt. Soweit es sich um Korrekturvorschriften handelt, die dem Gewinn- und Einkommensermittlungsbereich zuzuordnen sind, gilt das oben Gesagte entsprechend.

Zur Frage der Anwendbarkeit des § 6a EStG im Zusammenhang mit Bewertungseinheiten wird auf das BFH-Urteil vom 25.2.2004 (I R 54/02, BStBl. II 2004, S. 654, Rn. 25 unter II.4.b) hingewiesen. Daraus ergibt sich bereits der Grund für die Versagung einer kompensatorischen Bewertung von Pensionsverpflichtung einerseits und Rückdeckungsanspruch andererseits. Es fehle in diesen Fällen an gegenläufigen wertbeeinflussenden Korrelationen. Es bestünden zwischen den ausgewiesenen Bilanzpositionen keine systematischen, wertmäßigen Abhängigkeiten. Die Unterschiede bei der Bewertung der Pensionsverpflichtung einerseits und dem Rückdeckungsanspruch andererseits ergäben sich aus zwingend normierten Besonderheiten der jeweiligen Bewertung (§ 6 und § 6a EStG). Bewertungsdifferenzen ergäben sich in diesen Fällen aus der sich aus § 6a EStG ergebenden gesetzgeberischen Absicht, den bilanziellen Ausweis von Pensionsverpflichtungen bestimmten Maßgaben zu unterwerfen und damit wertmäßig bewusst nur in einer bestimmten Höhe zuzulassen. Diese vom Gesetzgeber beabsichtigte Konsequenz dürfe nicht durch Bildung einer Bewertungseinheit negiert werden. Einen Zusammenhang mit § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG kann es hier also nicht geben.

 

 

2. Wertansätze bei Bildung, Beibehaltung und Beendigung einer Bewertungseinheit

 

Es wird um Klärung gebeten, ob bei Anerkennung einer Bewertungseinheit für steuerbilanzielle Zwecke an den bisherigen Wertansätzen festzuhalten sei (sog. Netto-/Einfrierungsmethode) oder die Wertansätze entsprechend den Wertänderungen zu vermindern oder zu erhöhen seien (sog. Brutto-/Durchbuchungsmethode) mit daraus folgender nachträglicher Veränderung der Anschaffungskosten und Auswirkungen auch bei Beendigung der Bewertungseinheit. Alternativ wird gefragt, ob die handelsrechtliche Methode zu übernehmen sei.

Das Schrifttum ist sich nicht einig, ob tatsächlich beide Methoden zulässig sind. Der Wortlaut von § 254 HGB schließt wohl weder die eine noch die andere Möglichkeit aus. Beispielsweise sei nach Auffassung von Hick, in: H/H/R, Jahresband 2007 (Rz. J 06-10 zu § 5 EStG), der Nettobilanzierung der Vorzug einzuräumen, da die Bruttobilanzierung dem wirtschaftlichen Charakter einer Bewertungseinheit nicht gerecht werde. Übereinstimmend stellt die Literatur jedoch fest, dass beide Methoden zum selben Netto-Ergebnis in der Gewinn- und Verlustrechnung führen.

Für die Anwendung der Gewinnermittlungs- und Einkommensermittlungsvorschriften ist nach dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG der Nettomethode der Vorrang einzuräumen, da nur durch sie eine zutreffende Wiedergabe der Betriebsvermögensänderungen sichergestellt ist.

 

 

Praxis-Info!

Um Verluste zu vermeiden, schließen Unternehmen für Geschäfte, die einem Kursrisiko unterliegen (z.B. Verbindlichkeit in US-Dollar als Grundgeschäft), Sicherungsgeschäfte in Verbindung mit Finanzinstrumenten mit einem gegenläufigen Kursrisiko ab (z.B. Devisentermingeschäft). In der handelsrechtlichen Rechnungslegung werden die Chancen und Risiken aus den Grund- und Sicherungsgeschäften kompensatorisch in Bewertungseinheiten zusammengefasst.

Als absicherungsfähige Grundgeschäfte kommen (nach § 254 Satz 1 HGB) in Betracht:

  • Vermögensgegenstände,
  • Schulden,
  • schwebende Geschäfte oder
  • mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen.

Diese sollen gegen Zins-, Währungs-, Preis-, Ausfall-/Bonitäts- oder gleichartige Risiken mit Finanzinstrumenten gesichert werden. Als Finanzinstrument gelten (gemäß § 254 Satz 2 HGB) auch Termingeschäfte über den Erwerb oder die Veräußerung von Waren.

„Die Ergebnisse der zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken handelsrechtlich gebildeten Bewertungseinheiten sind (gemäß § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG) auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich. Im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Bewertungseinheiten kommt es daher in der Regel nicht zur Abgrenzung latenter Steuern.“ (Aus: Zwirner/Froschhammer, BC 2010, S. 155, April-Ausgabe)

Bezüglich der bilanziellen Abbildung von Bewertungseinheiten in der HGB-Bilanz kommen zwei Methoden in Betracht (vgl. Zwirner/Froschhammer, BC 2010, S. 154 f., April-Ausgabe):

  • Wird die Einfrierungsmethode (Nettomethode) angewandt, werden Wertänderungen bzw. Zahlungsstromänderungen von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument weder in der Bilanz noch in der Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigt, soweit sie auf den effektiven Teil der Sicherungsbeziehung entfallen, sich mithin also ausgleichen. Der ineffektive Teil erfährt gemäß dem Imparitätsprinzip nur dann eine Berücksichtigung, wenn es sich um einen unrealisierten Verlust handelt.
  • Nach der Durchbuchungsmethode (Bruttomethode)  werden sämtliche gegenläufigen Wertschwankungen von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument erfolgswirksam erfasst. Insgesamt betrachtet ergibt sich somit hinsichtlich des effektiven Teils der Sicherungsbeziehung kein Erfolgseffekt. Der abgesicherte, aber ineffektive Teil der Sicherungsbeziehung und die aus nicht abgesicherten Risiken resultierende Wertänderung werden analog zur Einfrierungsmethode erfasst. Im Gegensatz zur Einfrierungsmethode ändern sich nun jedoch auch die Wertansätze in der Bilanz.

 

 

Beispiel zur Bildung von Bewertungseinheiten bei Macro-Hedges:

Die X-GmbH hat ihre gesamten Fremdwährungsforderungen und -verbindlichkeiten durch Optionsgeschäfte gegen Wechselkursänderungen abgesichert. Die X-GmbH hat ordnungsgemäß deklariert, eine Bewertungseinheit für dieses „Devisenportfolio” bilden zu wollen (Macro-Hedge). Gemäß den handelsrechtlichen Regelungen sind

– sämtliche Fremdwährungsforderungen und -verbindlichkeiten zu Kassakursen und

– sämtliche Devisenoptionen zu Marktpreisen

zu bewerten und mit den aktuellen Bilanzansätzen zu vergleichen. Da sich hieraus ein drohender Verlust in Höhe von 10.000 € errechnet, hat die X-GmbH eine entsprechende Rückstellung für drohende Verluste zu bilden. Die Bilanzansätze der Forderungen, Verbindlichkeiten und/oder Optionen bleiben unverändert.

Die handelsrechtlich gebildete Drohverlustrückstellung darf (gemäß § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG) auch steuerlich geltend gemacht werden.

 

 

Die Dokumentationspflichten zur Bildung von Bewertungseinheiten ergeben sich insbesondere aus den erforderlichen Anhangangaben gemäß § 285 Nr. 23 HGB, die auch alternativ im Lagebericht gemacht werden können. Danach ist anzugeben,

a) mit welchem Betrag jeweils Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte und mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen zur Absicherung welcher Risiken in welche Arten von Bewertungseinheiten einbezogen sind sowie die Höhe der mit Bewertungseinheiten abgesicherten Risiken,

b) für die jeweils abgesicherten Risiken, warum, in welchem Umfang und für welchen Zeitraum sich die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme künftig voraussichtlich ausgleichen einschließlich der Methode der Ermittlung,

c) eine Erläuterung der mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten Transaktionen, die in Bewertungseinheiten einbezogen wurden.

 

[Anm. d. Red.]  

 

 

BC 8/2012

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