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Grundbesitzbewertung: Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts

BC-Redaktion

OFD Münster, Kurzinformation vom 14.12.2011, Bew Nr. 004/2011

 

Im Zusammenhang mit der Frage, welchem Wert bei zeitgleichem Vorliegen eines Kaufpreises und eines Gutachtenwerts der Vorzug im Rahmen des Nachweises des niedrigeren gemeinen Werts nach § 138 Abs. 4 und § 198 BewG zu geben ist, wird gebeten, folgende Rechtsauffassung zu vertreten:

Weist der Steuerpflichtige einen niedrigeren gemeinen Wert durch ein Sachverständigengutachten nach, so ist das Finanzamt nicht gehindert, die Erkenntnisse aus einem innerhalb eines Jahres erfolgten Grundstücksverkauf, bei dem ein höherer Preis als laut dem Gutachten erzielt wurde, zu berücksichtigen und den Grundbesitzwert in Höhe des erzielten Kaufpreises festzustellen. Ist der Kaufpreis außerhalb des Jahres nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommen, gilt Vorstehendes entsprechend, soweit sich die maßgeblichen Verhältnisse gegenüber den Verhältnissen zum Stichtag nicht verändert haben.

Diese Entscheidung basiert auf dem Gedanken, dass beim Vorliegen sowohl eines vom Steuerpflichtigen beigebrachten Sachverständigengutachtens als auch eines zeitnahen Grundstückskaufvertrags beide Beweismittel für eine Überzeugungsbildung heranzuziehen sind. Bei der Wertung sind auch weitere Erkenntnisse, die durch eigene Ermittlungstätigkeit des Bearbeiters gewonnen werden, bei der Rechtsfindung zu berücksichtigen.

Der bei einer Veräußerung an einen fremden Dritten erzielte Kaufpreis für ein Wirtschaftsgut liefert den sichersten Anhaltspunkt für den Wert (gemeiner Wert bzw. Verkehrswert nach § 9 BewG) des Wirtschaftsguts. Der nach den Regeln von Angebot und Nachfrage frei ausgehandelte Marktpreis für ein Wirtschaftsgut bietet die beste Gewähr dafür, den wahren Wert eines Wirtschaftsguts abzubilden. Die Wertermittlung durch einen Gutachter stellt demgegenüber stets eine Schätzung dar.

Hinsichtlich dieser Rechtsauffassung wird auf das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15.9.2010 (Az. 3 K 3232/07, DStRE 2011, 1386) verwiesen.

Ist der nach dem Stichtag durch Veräußerung an einen fremden Dritten erzielte Kaufpreis niedriger als der Gutachtenwert, ist der Grundbesitzwert ebenfalls in Höhe des erzielten Kaufpreises festzustellen, soweit sich die maßgeblichen Verhältnisse gegenüber den Verhältnissen zum Stichtag nicht verändert haben.

 

 

Praxis-Info!

Der „gemeine Wert“ (in der Regel Einzelveräußerungspreis) lässt sich in der Praxis häufig nur auf dem Schätzungsweg feststellen. Im Unterschied zum Teilwert stellt der gemeine Wert auf die isolierte Veräußerung eines Wirtschaftsguts ab. Je nach Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bestimmt sich der Preis im Zeitpunkt der Veräußerung (§ 9 Abs. 2 BewG); der gemeine Wert entspricht somit dem Verkehrs- bzw. Marktwert.

Die dem Verkehrswert (gemeinen Wert) anzunähernde Bewertung dürfte häufig dem Fair Value nach IFRS entsprechen, sofern – abgesehen von der Brutto-Netto-Behandlung (mit/ohne Umsatzsteuer) – jeweils das Preisgefüge des Absatzmarkts im Mittelpunkt steht.

 

 

Hinweise:

  • Der gemeine Wert (i.S.d. § 9 Abs. 2 BewG) – auch Verkehrswert genannt – ist der erzielbare Verkaufspreis für ein bestimmtes Wirtschaftsgut (Einzelveräußerungspreis inklusive Umsatzsteuer). Bei Grundbesitzwerten beispielsweise kann der Verkehrswert nachgewiesen werden durch Gutachten des örtlichen zuständigen Gutachterausschusses oder einen Grundstückssachverständigen oder durch den kurz vor bzw. nach dem Besteuerungszeitpunkt im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommenen Kaufpreis.
  • Im Unterschied zum gemeinen Wert erfasst der Teilwert (gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) den Mehrwert, den ein Wirtschaftsgut gerade wegen seiner Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen gegenüber dem Einzelveräußerungspreis hat. In der Praxis bilden dabei die Netto-Wiederbeschaffungskosten für ein vergleichbares – regelmäßig gebrauchtes – Wirtschaftsgut die Obergrenze und der erzielbare Netto-Einzelveräußerungspreis (meist bei nicht betriebsnotwendigen Wirtschaftsgütern) die Untergrenze. Der Teilwert liegt daher in der Regel über dem gemeinen Wert.
  • Der Fair Value (beizulegende Zeitwert) wiederum ist ein Marktwert (netto), wobei der Absatzmarkt im Vordergrund steht. Die Wiederbeschaffungskosten oder das Ertragswertverfahren sind nur in Ausnahmefällen zulässig, insbesondere wenn es an einem aktiven Markt fehlt. Der beizulegende Zeitwert von Grundstücken und Gebäuden wird in der Regel nach den auf dem Markt basierenden Daten ermittelt, wobei man sich normalerweise der Berechnungen hauptamtlicher Gutachter bedient. Für technische Anlagen und Betriebs- und Geschäftsausstattung wird meist der durch Schätzungen ermittelte Marktwert herangezogen.

 

 

Der Nachweis durch Sachverständigengutachten kann regelmäßig nur durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden. Inwieweit ein Gutachten den geforderten Nachweis erbringt und damit anerkannt ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung des Finanzamts oder der Gerichte (BFH-Urteil vom 10.11.2004, II R 69/01, BStBl. II 2005, S. 259). Der Nachweis ist generell erbracht, wenn die Behörde oder das Gericht dem Gutachten ohne Einschaltung bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger folgen kann. Welche Anforderungen an ein Gutachten durch einen Sachverständigen gestellt werden, erläutern Weber/Markgraf hier.

 

[Anm. d. Red.] 

 

 

BC 7/2012 

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