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Passivierung „angeschaffter“ Drohverlustrückstellungen

BC-Redaktion

BFH-Urteil vom 16.12.2009, I R 102/08

 

Betriebliche Verbindlichkeiten, welche beim Veräußerer aufgrund von Rückstellungsverboten (hier: für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften) in der Steuerbilanz nicht bilanziert worden sind, sind bei demjenigen Erwerber, der die Verbindlichkeit im Zuge eines Betriebserwerbs gegen Schuldfreistellung übernommen hat, keinem Passivierungsverbot unterworfen, sondern als ungewisse Verbindlichkeit auszuweisen und von ihm auch an den nachfolgenden Bilanzstichtagen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997 mit ihren Anschaffungskosten oder ihrem höheren Teilwert zu bewerten.

 

 

Problemstellung

 

Die A-GmbH, welche interaktive multimediale Dienste leistet, hatte durch Kauf- und Übertragungsvertrag vom 25.9.1998 von einer konzernangehörigen Gesellschaft (der M-GmbH) sämtliche aktiven und passiven Wirtschaftsgüter erworben. Im Rahmen dieses Erwerbes wurden auch die Verpflichtungen aus zwei Verträgen zur Anmietung eines Satelliten sowie einer Antennenanlage von der M-GmbH gegenüber den Vermietern übernommen. Da beide Mietverträge bereits für die M-GmbH keinen wirtschaftlichen Nutzen mehr versprachen, hatte diese in ihrer Handelsbilanz eine entsprechende sog. Drohverlustrückstellung gebildet.

In Verbindung mit der Übernahme dieses Geschäftsbereichs hatte die A-GmbH die Verlustrückstellungen im Erwerbszeitpunkt handels- und steuerbilanziell passiviert sowie zum Bilanzstichtag beibehalten.

Hierzu vertrat das Finanzamt eine abweichende Auffassung: Die A-GmbH sei zwar verpflichtet gewesen, die Drohverlustrückstellung im Zeitpunkt des Erwerbes (steuerbilanziell) zu bilden, der Ansatz einer solchen Verlustrückstellung in der Schlussbilanz sei jedoch (nach § 5 Abs. 4a EStG 1997) nicht mehr zulässig.

 

 

Lösung

 

Der BFH gab der A-GmbH recht.

Der Grundsatz der erfolgsneutralen Behandlung von Anschaffungsvorgängen (d.h., Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind) findet auch auf übernommene Passivpositionen Anwendung. Dies gilt unabhängig davon, ob der Ausweis dieser Passivpositionen in der Steuerbilanz einem – von der Handelsbilanz abweichenden – Ausweisverbot ausgesetzt ist. Denn auch die Übernahme steuerrechtlich zu Recht nicht bilanzierter Verbindlichkeiten ist Teil des vom Erwerber zu entrichtenden Entgelts und erhöht mithin dessen Anschaffungskosten.

Dies ist analog auf das Verbot zur Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (gemäß § 5 Abs. 4a EStG 1997) anzuwenden. Denn dieses Verbot will – lediglich – am Stichtag bereits vorhandene Verluste (entgegen den Vorgaben des (handels-)bilanzrechtlichen Imparitätsprinzips nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 HGB) auf künftige Veranlagungszeiträume verlagern: Steuerbilanziell wird der Verlust aus schwebenden Geschäften erst bei seiner Realisation wirksam, nicht bereits bei seiner Entstehung.

Wird der verlustbedrohte Vertrag aber entgeltlich gegen Schuldübernahme erworben, dann ist der Erwerber im Verhältnis zum Veräußerer verpflichtet, ihn von der gegenüber dem Gläubiger der Schuld weiter bestehenden Zahlungspflicht – im Streitfall die Verpflichtung zur Mietzahlung – freizustellen. Bei dieser Freistellungsverpflichtung handelt es sich nicht um den Teil eines schwebenden Geschäfts; denn das Geschäft wurde infolge des Erwerbsvorgangs bereits erfüllt. Die Freistellungsverpflichtung ist mithin vom Erwerber sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz nach den für ungewisse Verbindlichkeiten geltenden Grundsätzen und nicht als Drohverlustrückstellung zu passivieren.

 

Hinweis:

Unzulässig ist es, den eigentlichen Anschaffungsvorgang von der (nachfolgenden) Bilanzierung auf den Bilanzstichtag zu trennen. Dies betrifft auch „miterworbene“ Schulden in Gestalt – ursprünglich – drohender Verluste aus schwebenden Geschäften, die als solche einem steuerlichen Ausweisverbot unterworfen sind.

 

[Anm. d. Red.]
  
  

Heft 3/2010

becklink298137

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