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Verbilligter Erwerb einer Beteiligung führt zu Arbeitslohn

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Beschluss vom 26.6.2014, VI R 94/13

 

Der geldwerte Vorteil aus dem verbilligten Erwerb einer Beteiligung, der mit Blick auf eine spätere Beschäftigung als Geschäftsführer gewährt wird, ist als Arbeitslohn zu berücksichtigen.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Überlassung von Gegenständen oder sonstigen Vorteilen zu nicht marktgerechten Preisen gehört zu den Umständen, die regelmäßig den Argwohn der Finanzverwaltung hervorrufen. Dies mussten beispielsweise schon vielfach Vermieter erfahren, die Angehörigen Wohnraum zu einem nicht marktüblichen Niedrig-Mietzins überlassen haben. Nun hatte sich der BFH mit einem Fall zu befassen, in dem streitig war, ob die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem tatsächlichen Wert von GmbH-Anteilen als Arbeitslohn zu versteuern ist. Geklagt hatte ein Kommunikations- und Motivationstrainer (KM), der Anteile an einer GmbH erworben hatte und zugleich zu deren Geschäftsführer berufen worden war. Bei dieser GmbH fand in den Jahren 2010/2011 eine steuerliche Betriebsprüfung für die Jahre 2006 bis 2008 statt. Nach deren Feststellungen lag der vereinbarte Kaufpreis für die GmbH-Anteile zum Übertragungszeitpunkt weit unter dem tatsächlichen Wert der Geschäftsanteile. Während der Kaufpreis 73.397 € betrug, bezifferte der Betriebsprüfer den entsprechenden Unternehmenswert für die Anteile auf fast 550.000 € und ermittelte deshalb einen zugeflossenen Vorteil in Höhe von 476.000 €, der als Arbeitslohn anzusetzen sei. Das Finanzgericht (FG) hatte der Klage nur in einem nebensächlichen Punkt stattgegeben, sich im Übrigen aber der Auffassung der Finanzverwaltung angeschlossen.

 

 

Lösung

Das tat dann auch der BFH: Das FG habe den Vorteil, den KM aus dem Erwerb der GmbH-Anteile erzielt hat, zutreffend bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.

Gemäß der Begründung des BFH gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) – neben Gehältern und Löhnen – auch andere Bezüge und Vorteile, die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind. Eine solche Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist aus BFH-Sicht zu bejahen, sofern die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen. In diesem Fall erweist sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 28.2.2013, VI R 58/11, BStBl. II 2013, 642, m.w.N.). Damit könne auch der verbilligte Erwerb einer Beteiligung – etwa wie im Streitfall der Erwerb von GmbH-Anteilen – zu Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit führen, wenn der Vorteil hieraus dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird.

Der BFH ergänzt noch: Arbeitslohn könne ausnahmsweise auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn sie ein Entgelt „für“ eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Dagegen liege dann kein Arbeitslohn vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird.

Entscheidend für die Zustimmung des BFH zu dem vom FG gefundenen Ergebnis, dass der Vorteil des KM aus dem Erwerb der GmbH-Anteile Arbeitslohn sei, war letztlich ein Sachvortrag der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem FG: Hiernach wurden die GmbH-Anteile dem KM zugewendet, damit er für die GmbH weiterhin tätig werde. Daraus habe das FG zutreffend geschlossen, dass der Unterschiedsbetrag zwischen Kaufpreis und gemeinem Wert der Anteile dem KM vom Veräußerer und Mitgesellschafter als Vorabvergütung für künftig der GmbH zu leistende Dienste gewährt worden sei. Somit habe KM für die Beteiligung nicht nur den Kaufpreis in Höhe von 73.397 € aufgewendet, sondern auch Dienste in Höhe des geldwerten Vorteils aus dem verbilligten Erwerb der GmbH-Anteile mit einem Betrag von 476.000 € geleistet.

 

 

Praxishinweise:

  • Übereinstimmend war in dem Verfahren zunächst geklärt worden, ob private Überlegungen bei der Veräußerung der Geschäftsanteile sowie der Festlegung des Kaufpreises eine Rolle gespielt hätten. Dies wurde verneint, womit eine Schenkung auszuschließen sei. Ausschlaggebend war vielmehr die Einlassung der GmbH, die Übertragung der Anteile sei erfolgt, um KM langfristig als Mitarbeiter der Gesellschaft zu gewinnen und an das Unternehmen zu binden.
  • Ausführlich geht der BFH in seiner Begründung auf das nachträgliche Bekanntwerden von Tatsachen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ein. Zutreffend sei das FG davon ausgegangen, dass der verbilligte Erwerb von GmbH-Anteilen eine Tatsache im Sinne des § 173 AO sein kann. Denn ein solcher Lebensvorgang sei ein Tatbestandsmerkmal des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V. mit § 8 Abs. 1 EStG, wenn der Vorteil dem (künftigen) Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird.
  • Zudem betont der BFH, die ursprüngliche Unkenntnis der für KM zuständigen Veranlagungsstelle habe nicht auf einer Verletzung der finanzbehördlichen Ermittlungspflicht beruht. Eine solche Beweisführung dürfte auch unabhängig vom Streitfall nur in Ausnahmefällen gelingen.
  • Diese Entscheidung ist wieder ein Beleg dafür, dass Steuerpflichtige den Einschätzungen durch Finanzrichter auf breiter Front ausgeliefert sind. Der BFH prüft nur, ob die „der Tatsacheninstanz obliegende Würdigung … verfahrensrechtlich ordnungsgemäß durchgeführt“ wurde und „weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze“ verstößt. Hier soll nicht vertieft werden, wer eigentlich als Gesetzgeber für solche „Denkgesetze“ die geeignete Instanz sein sollte. Vielmehr wird der bemerkenswerte Punkt aufgegriffen, dass Äußerungen von Steuerpflichtigen in finanzgerichtlichen Verfahren einerseits den Ausschlag geben (so die Einlassung des Verkäufers der GmbH-Anteile, die Zuwendung sei erfolgt, um KM an die GmbH zu binden), es andererseits in der Begründung nur einen Absatz später heißt: „…zielt auf die persönlichen Auffassungen und Einschätzungen der an der Zuwendung Beteiligten. Derartige Einwendungen sind jedoch unerheblich.“ Vorsicht ist also geboten, denn Einwendungen finden demnach ohnehin keine Beachtung, wohl aber Äußerungen, auf die Finanzrichter ihre Einschätzungen stützen können.

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

 

BC 9/2014

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