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Bilanzierungspflicht von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten auch bei geringfügigen Beträgen

BC-Redaktion

FG Hessen, Urteil vom 6.11.2008, 9 K 2244/04 (Revision eingelegt, Az. BFH: IV R 6/09)

Für aktive Rechnungsabgrenzungsposten besteht auch bei sog. geringfügigen Beträgen (z.B. für Betriebsversicherungen und Kfz-Steuern) eine Bilanzierungspflicht.

 

 

Problemstellung

 

Ein Gewerbetreibender hatte in der Bilanz für 2002 einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) in Höhe von 2.242,- € für einen über drei Jahre dauernden Vertrag gebildet.

Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung kam das Finanzamt u.a. zu dem Ergebnis, der aktive RAP müsse um weitere aktive RAP in Höhe von insgesamt rund 4.396,- € erhöht werden. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Posten, die der Gewerbetreibende im Jahr 2002 bezahlt und in seiner GuV für 2002 erfolgswirksam als Aufwand behandelt hatte:

  • Betriebshaftpflichtversicherung: 1.245,23 € (Zeitraum 1.1.2003 bis 30.6.2003),
  • betriebliche Kfz-Rechtsschutzversicherung: 673,40 € (Zeitraum 1.1.2003 bis 30.6.2003),
  • anteilige Kfz-Steuern für mehrere Fahrzeuge: 309,16 € (für Zeiträume ab 1.1.2003 bis 2.12.2003),
  • Kfz-Versicherungen für diverse Fahrzeuge: 1.419,28 € (für Zeiträume ab 1.1.2003 bis 30.6.2003),
  • Jahresgebühr an eine Auskunftei (diese beinhaltet zehn zu erteilende Auskünfte im Folgejahr; alle weiteren sind kostenpflichtig): 135,00 €,
  • Werbekosten (z.B. für Eintrag in das örtliche Telefonbuch, für eine Werbefläche usw.): 614,27 €.

Der Gewerbetreibende machte hingegen (unter Berufung auf diverse BFH- und Finanzgerichtsurteile) geltend, ihm stünde hinsichtlich der Bildung aktiver RAP bei geringfügigen laufend wiederkehrenden und somit unbedeutenden Beträgen ein Wahlrecht zu. Dies sei dann gegeben, wenn sich die Ausgaben auf den Gewinn bzw. das Ergebnis und das Bilanzbild des Geschäftsjahrs nur in unbedeutendem Umfang auswirken würden und sich die Unterlassung der Abgrenzung in den Wirtschaftsjahren ausgleiche.

Zudem ist der Gewerbetreibende der Auffassung, Steuerbeträge (wie z.B. die Kfz-Steuer) seien keine Rechnungsabgrenzungsposten (nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG), weil sie mangels Gegenleistung keine Ausgaben darstellen könnten, die Aufwand für eine bestimmte Zeit seien. Auch die Werbekosten (Reklame) müssten als laufende Betriebsausgaben behandelt werden.

 

 

Lösung

 

Die Bilanzierung von aktiven RAP erfordert (gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG):

a) Ausgaben vor dem Abschlussstichtag (ohne Bedeutung ist es hierbei, ob es sich bei einer Ausgabe um eine wiederkehrende Leistung oder um eine einmalige Leistung handelt),

b) die nach dem Abschlussstichtag Aufwand darstellen (die Ausgabe wird dann zum Aufwand, sobald dem Zahlenden die Gegenleistung für die Ausgabe zufließt), und zwar

c) für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag (künftig zu erwartende Gegenleistungen, die kalendermäßig bestimmbar oder jedenfalls bestimmbar sind).

Die Rechnungsabgrenzungsposten dienen der sachgerechten Periodenabgrenzung und damit der zeitlich richtigen Gewinnermittlung. Sie sind letztlich nichts anderes als Korrekturposten, um den Gewinn zutreffend zu ermitteln.

Dabei ist für jeden einzelnen Vertrag gesondert zu prüfen, ob eine Vorleistung erbracht worden ist; auch öffentlich-rechtliche Verhältnisse können hierunter fallen.

Bezogen auf den Streitfall gilt im Einzelnen:

  1. Versicherungen sind, da sie Versicherungsschutz über den Abschlussstichtag hinaus gewähren, aktiv abzugrenzen.
  2. Die Kfz-Steuer ist, obwohl kein Gegenanspruch besteht, aktiv abzugrenzen, da der Zahlende von der weiteren Zahlungspflicht im Folgejahr entbunden wird.
  3. Bei dem mit der Auskunftei abgeschlossenen Vertrag handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag, bei dem in Vorleistung getreten wird. Hier ist ebenfalls ein aktiver RAP zu bilden; im vorliegenden Fall allerdings nur 54,- €, da der Gewerbetreibende bis zum Abschlussstichtag nur in acht Fällen eine Auskunft erhalten hatte (eine Gegenleistung von zwei Auskünften stand noch aus).
  4. Werbemaßnahmen können regelmäßig nicht als aktiver RAP angesetzt werden, da hier der eindeutige Bezug ihrer Wirkung auf einen bestimmten Zeitraum nach dem Abschlussstichtag fehlt. Ausnahme: Dies gilt nicht bei der Anmietung von Werbeflächen für einen nach dem Abschlussstichtag liegenden Zeitraum.

Entgegen der herrschenden Ansicht in der Literatur besteht nach Auffassung des Finanzgerichts eine Bilanzierungspflicht für aktive RAP auch bei sog. geringfügigen Beträgen. Wann ein solches Wahlrecht besteht, wird übrigens in der Literatur nicht einheitlich beantwortet (z.B. wenn das Ergebnis der Erfolgsrechnung nur unwesentlich beeinflusst wird oder bei regelmäßig wiederkehrenden Beträgen, bei denen sich die Unterlassung der Abgrenzung in den einzelnen Wirtschaftsjahren ausgleicht oder bei Beträgen bis zu 1.500,- € usw.).

Ein Bilanzierungswahlrecht ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz der Wesentlichkeit. Dieser ist ein der anglo-amerikanischen Rechnungslegung entlehnter Begriff ungeschriebener Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung („materiality“). Der Wesentlichgrundsatz sei (so das Finanzgericht) nicht dahingehend zu verstehen, Posten mit eindeutig feststehenden Werten nur deshalb nicht in die Bilanz aufzunehmen, weil sie einen verhältnismäßig geringen Betrag aufweisen. Es finden sich keine praktikablen Grenzwerte für die Beurteilung der Wesentlichkeit.

Dessen ungeachtet kann sich der Gewerbetreibende im Streitfall schon allein deshalb nicht auf den Wesentlichkeitsgrundsatz berufen, weil er selbst in seiner Bilanz einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in relativ geringer Höhe von 2.242,- € ausgewiesen hat. Das Gebot der Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit erfordert dann, weitere aktive Rechnungsposten auszuweisen.

 

 

Praxishinweise:

  • Der Grundsatz der Wesentlichkeit (materiality) besagt: Bei der Rechnungslegung sind alle Tatbestände zu berücksichtigen und gegebenenfalls im Anhang anzugeben, die für die Adressaten des Jahresabschlusses von Bedeutung sind. Demgegenüber können Sachverhalte von untergeordneter Bedeutung, die wegen ihrer Größenordnung keinen Einfluss auf das Jahresergebnis und die Rechnungslegung haben, vernachlässigt werden. Allgemein gültige Schwellenwerte für die konkrete Grenze zwischen wesentlich und unwesentlich gibt es nicht (wie das Finanzgericht zutreffend feststellt) und können auch nicht festgelegt werden.
  • Bei Bewertungsfehlern werden (laut Beck´schem Bilanz-Kommentar, § 264, Anm. 57) Abweichungen dann als wesentlich bezeichnet, wenn dadurch insgesamt (eventuell durch mehrere Bewertungsfehler zusammen)
    a) der Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag um mindestens 10% und außerdem um mindestens 0,25% der Bilanzsumme verändert wird oder
    b) die Bilanzsumme um mindestens 5% verändert wird oder
    c) für die Beurteilung des Unternehmens oder seiner Organe besonders wichtige sonstige Einzelposten des Jahresabschlusses um mindestens 10% verändert werden oder
    d) eine Überschreitung gesellschaftsrechtlich relevanter Grenzen (z.B. betreffend die Größenklasseneinteilung der Unternehmen, Verlust von 50% des Grundkapitals im Sinne von § 92 AktG oder Überschuldung) vereitelt wird.

 

[Anm. d. Red.]

 

Heft 3/2010

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