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Teilwertansatz bei börsennotierten „hybriden“ Anleihen ohne feste Laufzeit und ohne Kündigungsmöglichkeit des Gläubigers

Christian Thurow

BFH Urt. v. 14.11.2023 – XI R 36/20

 

Hybridanleihen stellen ein sog. „eigenkapitalähnliches“ Finanzinstrument dar. Umstritten ist, ob ein solches Instrument im Jahresabschluss mit dem Nenn- oder dem Teilwert zu bewerten ist. Der BFH schafft nun Klarheit.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine GmbH hielt im Umlaufvermögen zwei Hybridanleihen, welche mit den folgenden Merkmalen ausgestattet waren:

  • Keine feste Laufzeit
  • Keine Kündigungsmöglichkeit des Gläubigers
  • Vierteljährliche Kündigungsmöglichkeit der Emittentin
  • Unbesichert
  • Rückzahlung zu 100% des Nennwerts
  • Vierteljährliche Zinszahlung (nur zahlbar, wenn ausreichend verteilbarer Gewinn vorhanden).

Zum Jahresabschluss betrug der Kurswert der Anleihe lediglich 50% des Nennwerts. Die Klägerin setzte die Anleihen im Jahresabschluss mit dem Teilwert – dem Kurswert – an.

Aus Sicht des Finanzamts hat dagegen ein Ansatz zum Nennwert zu erfolgen, da die Laufzeit nicht unendlich, sondern lediglich unbestimmt sei und die Emittentin über eine gute Bonität verfüge. Somit habe für die GmbH kein Ausfallrisiko bestanden.

 

 

Lösung

Wie schon das erstinstanzliche Finanzgericht widerspricht auch der BFH der Auffassung des Finanzamts. Bei endfälligen festverzinslichen Wertpapieren wird der Kurswert zum Fälligkeitszeitpunkt hin wieder ansteigen. Der Gläubiger kann somit durch bloßes Abwarten eine zwischenzeitlich eingetretene Wertminderung ausgleichen. Eine dauerhafte Wertminderung liegt nicht vor.

Anders verhält es sich dagegen, wenn keine feste Laufzeit vereinbart wurde und der Gläubiger kein Kündigungsrecht hat. In einem solchen Fall kann der Gläubiger eine eingetretene Wertminderung nicht einfach aussitzen, da eine Kündigung der Anleihe eventuell niemals stattfinden wird. Zum Bilanzstichtag sind somit Laufzeit und Rückzahlung ungewiss. Solange keine Kündigung durch die Emittentin absehbar ist, führt bei Wertpapieren ohne feste Laufzeit mit Kündigungsrecht der Emittentin ein Kursrückgang regelmäßig zu einer voraussichtlich dauernden Wertminderung. Zu Recht hatte die GmbH daher die Anleihen mit dem Teilwert im Jahresabschluss angesetzt.

 

 

Bilanzierungshinweise:

Bei festverzinslichen Wertpapieren fehlt es, so der BFH, in der Regel an einer „voraussichtlich dauernden“ Wertminderung, soweit die Kurswerte der Papiere unter den Nominalwert abgesunken sind (vgl. auch BMF 2.9.2016, BStBl. I 2016, 995, Rz. 21 bis 23). Dies gilt sowohl für festverzinsliche Wertpapiere des Anlagevermögens als auch für derartige Wertpapiere des Umlaufvermögens.

Eine Teilwertabschreibung ist bei festverzinslichen Wertpapieren nur dann möglich, wenn die Ausfallwahrscheinlichkeit der Rückzahlung hoch ist (z.B. bei Verschlechterung der Bonität des Emittenten). Diese Auffassung wird auch für die Handelsbilanz vertreten (vgl. z.B. IDW RS VFA 2 Tz. 20).

Generell gilt bei Finanzanlagen:

  • Handelsbilanz: Pflicht zur Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung bei Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Wertminderung. Die Abschreibung hat auf den niedrigeren beizulegenden Wert zu erfolgen (§ 253 Abs. 3 S. 5 HGB). Darüber hinaus wird bei Finanzanlagen bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung ein Wahlrecht gewährt, eine außerplanmäßige Abschreibung vorzunehmen (§ 253 Abs. 3 S. 6 HGB).
    Bei der Beurteilung, ob eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vorliegt, sind handelsrechtlich zunächst die Verhältnisse am Abschlussstichtag heranzuziehen. Sofern der beizulegende Wert am Abschlussstichtag unterhalb des Buchwerts liegt, aber bis zum Aufstellungszeitpunkt des Jahresabschlusses den Buchwert wieder erreicht oder überschritten hat, besteht somit keine voraussichtlich dauernde Wertminderung (Wertaufhellungsprinzip).
  • Steuerbilanz: Wahlrecht bei Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Wertminderung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG). Es kann auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben werden. Eine Pflicht wie im Handelsrecht ist demgegenüber nicht gegeben. Unzulässig ist in der Steuerbilanz eine außerplanmäßige Abschreibung bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG).
    Steuerrechtlich haben die Wertänderungen nach dem Abschlussstichtag keine Auswirkung auf die Beurteilung einer Dauerhaftigkeit, da die steuerliche Rechtsprechung Veränderungen stets als wertbegründend erachtet (BMF 2.9.2016, BStBl. I 2016, 995, Rz. 19).

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 1/2024

BC20240119

 

 

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