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„Finanzielle Eingliederung“ bei qualifizierten Mehrheitserfordernissen

Christian Thurow

BFH Urt. v. 9.8.2023 – I R 50/20

 

Mit Mehrheiten ist es so eine Sache. Dies gab schon Schiller’s Fiesco – nicht ganz uneigennützig – zu bedenken: „Der Feigen waren mehr, denn der Streitbaren; der Dummen mehr, denn der Klugen – Mehrheit setzte durch.“ Mehrheiten spielen auch auf Gesellschafter- und Hauptversammlungen eine wichtige Rolle. Satzungsmäßige Mehrheitserfordernisse können hierbei Auswirkungen auf die Anerkennung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft haben.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Gesellschaftsvertrag einer GmbH sah vor, dass Beschlüsse der Gesellschaft einer Mehrheit von 91% aller in der Gesellschafterversammlung anwesenden Stimmen bedürfen. Zugleich war die Gesellschafterversammlung grundsätzlich nur dann beschlussfähig, wenn die erschienenen Gesellschafter 100% des Stammkapitals vertreten.

Durch Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags bildete die GmbH als Organgesellschaft eine körperschaftsteuerliche Organschaft mit einer anderen Gesellschaft, welche mit 79,8% am Stammkapital der GmbH beteiligt war.

Finanzamt und erstinstanzliches Finanzgericht erkannten die Organschaft nicht an. Als Begründung wurde die fehlende finanzielle Eingliederung angeführt, da aufgrund der qualifizierten Mehrheitsanforderungen eine einfache Mehrheit der Anteile nicht genüge. Mit einer 79,8%igen Beteiligung sei der Organträger nicht in der Lage gewesen, seinen Willen auf der Gesellschafterversammlung durchzusetzen.

 

 

Lösung

Der BFH folgt der Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht. Grundsätzlich setzt die finanzielle Eingliederung eine „Mehrheit der Stimmrechte“ voraus. Dies ist regelmäßig bei einer einfachen Mehrheit gegeben. Eine Ausnahme besteht aber, wenn die Satzung der Organgesellschaft für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung eine höhere qualifizierte Mehrheit vorsieht. In einem solchen Fall ist die finanzielle Eingliederung nur dann erfolgt, wenn der Organträger über die nötige qualifizierte Mehrheit verfügt. Da dieses Kriterium im Ausgangsfall nicht erfüllt war, hat das Finanzamt zu Recht die körperschaftsteuerliche Organschaft nicht anerkannt.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 1/2024

BC20240114

 

 

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