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Vorsteuer aus Rechnungen im Onlinehandel: Anforderungen an die geschäftlichen Aktivitäten am Sitz der Firma

Christian Thurow

FG Köln, Urteil 28.4.2015, 10 K 3803/13 (Revision eingelegt; Az. BFH: V R 25/15)

 

Ein wesentlicher Vorteil für die Inhaber von Onlinegeschäften ist die räumliche Flexibilität, mit welcher sie ihr Unternehmen führen können. Für Onlinekunden ist es dabei nur schwer nachvollziehbar, ob unter der angegebenen Adresse auch tatsächlich geschäftliche Aktivitäten durchgeführt werden. Dies kann zu Problemen beim Vorsteuerabzug führen. Wusste es doch schon Friedrich Schiller: „Drum prüfe, wer sich (ewig) binde.“

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger betreibt einen Kfz-Handel. Er kaufte mehrere Fahrzeuge beim Onlinehändler Z. Das Unternehmen des Z bestand seit 1977 und wurde im Jahr 2006 in die E-Straße in N-Stadt verlegt. Z meldete sein Gewerbe in N-Stadt an; eine Eintragung in das Handelsregister erfolgte ebenfalls. Auch beim Finanzamt war Z unter dieser Anschrift gemeldet; eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) war ihm erteilt worden. Die Räumlichkeiten wurden bei einer dort ansässigen Firma angemietet.

Die Fahrzeugübergaben fanden in N-Stadt statt. Beim ersten Kauf im Jahr 2009 ließ sich der Kläger von Z Personalausweis, Handelsregisterauszug, Steuernummer und USt-IdNr. vorlegen. Der Kaufpreis wurde meist durch eine Baranzahlung sowie mittels Überweisung des Restbetrags beglichen. Die Überweisungen sind später an eine französische Bank getätigt worden.

Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurde untersucht, ob die USt-IdNr. des Z nur bis Ende 2010 gültig war. Das Unternehmen war im Juli 2011 aus dem Handelsregister ausgetragen worden. Anschließend ist Z nach Frankreich umgezogen. Anlässlich einer Steuerfahndung wurde ermittelt, dass Z unter der Anschrift in der E-Straße lediglich einen unbestimmbaren Teil eines Büros angemietet hatte. Geschäftstätigkeiten sind nach den Erkenntnissen der Steuerfahndung nicht von der Adresse in der E-Straße aus getätigt worden. Das Finanzamt versagte daraufhin dem Kfz-Händler den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Z, da diese nicht alle Pflichtangaben (Geschäftsadresse) enthalten. Hiergegen führte der Kfz-Händler zwei zentrale Argumente an:

  • Bei Z handelt es sich nicht um eine Scheinfirma. Z sei Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinn gewesen. Es haben reale Transaktionen stattgefunden.
  • Darüber hinaus hat er sämtliche ihm als steuerlichen Laien zur Verfügung stehende Maßnahmen ergriffen, um sich von der Ordnungsmäßigkeit des Geschäfts des Z zu überzeugen.

 

 

Lösung

Das Finanzgericht Köln folgt der Auffassung des Kfz-Händlers und widerspricht damit früheren Urteilen des BFH. Aus Sicht des Finanzgerichts ist die Anforderung an die Anschrift, dort müssten geschäftliche Aktivitäten stattfinden, in Anbetracht der technischen Fortentwicklung und der Änderung von Geschäftsgebaren überholt. Dabei ist das Kriterium der „geschäftlichen Aktivität“ auch viel zu unbestimmt:

  • Müssen dort Kunden empfangen werden?
  • Wie lange muss sich ein Unternehmer dort aufhalten?
  • Welche Aktivität muss er von dort ausüben, welche kann er von einem anderen Ort ausüben?

Die zentrale Bedeutung der Anschrift ist die Sicherstellung der postalischen Erreichbarkeit durch die Finanzbehörden. Ist diese gewährleistet, kommt es nach Einschätzung des Finanzgerichts nicht darauf an, welche Tätigkeiten unter dieser Anschrift ausgeübt werden.

Darüber hinaus hat der Kfz-Händler aus Sicht des Finanzgerichts alle notwendigen Schritte unternommen, um sich von der Unternehmereigenschaft des Z zu überzeugen. Insbesondere musste er keine Bedenken bezüglich der Anschrift haben, da dort die tatsächlichen Fahrzeugübergaben stattfanden.

Das Finanzgericht lässt die Revision zu, um eine höchstrichterliche Klärung herbeizuführen, unter welchen Voraussetzungen Rechnungen mit einer Anschrift, unter der keine geschäftlichen – zumindest keine büromäßigen – Aktivitäten stattfinden, zum Vorsteuerabzug berechtigen. Die Revision ist unter dem Aktenzeichen V R 25/15 beim BFH anhängig.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Lead Auditor Europe in der Internen Revision, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 9/2015

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