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Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand, Herbst 2023

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Anpassungsdruck im Finanzmanagement

 

Die Wirtschaftslage im Mittelstand ist derzeit so schlecht wie seit dem Höhepunkt der Corona-Krise nicht mehr. Die von Creditreform befragten Unternehmen spüren massiv die Auswirkungen von Rezession und Inflation: Offenbar kann sich insbesondere der Mittelstand dem Abwärtssog nicht entziehen. Ob Planer oder Jahresabschlussersteller, ob Controller oder Forderungsmanager – alle sind deshalb aktuell besonders gefordert.


 

Praxis-Info!

 

Zunehmende Belastungen

Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem breit angelegten Abwärtssog. Erstmals seit 2020 rutschte der Creditreform Geschäftsklimaindex (CGK) wieder in den Minusbereich (minus 1,2 Punkte), was eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung erwarten lässt. Deutliches Anzeichen ist auch, dass bei der Investitionsbereitschaft der niedrigste Wert seit fast 20 Jahren ermittelt wurde. Die deutsche Wirtschaft wächst – über die Herbst-Werte hinausgehend – schon seit fast einem Jahr nicht mehr; deshalb kann es nicht überraschen, dass massive Kostensteigerungen, hohe Zinsen und eine schwache Nachfrage auch die kleinen und mittleren Unternehmen immer mehr belasten. Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, sorgt sich in seiner Kommentierung vom 5.10.2023 um die Unternehmensstabilität, zumal eine konjunkturelle Erholung zumindest in diesem Jahr nicht zu erwarten ist. Es lohnt daher ein genauerer Blick für Finanzexperten auf die Rahmenbedingungen für die Planungen und Bewertungen in den kommenden Monaten; denn die nachfolgende Grafik zu den Erwartungen im Mittelstand spricht eine mehr als deutliche Sprache.

 

 


Abb.: Entwicklung von Umsatz, Aufträgen und Angebotspreisen bei mittelständischen Unternehmen

 

 

Auftragseingänge, Kreditnachfrage und Investitionsbereitschaft im Sinkflug

(1) Negative Geschäftslage: Die von Creditreform befragten Unternehmen beurteilen die Auftrags- und Umsatzlage aktuell nochmals schlechter als im Vorjahr. So meldeten nur noch 25,2% der Befragten (Vorjahr: 34,1%) ein Umsatzplus. Umsatzeinbußen verzeichneten hingegen 26,8% der Unternehmen (nach 21% im Vorjahr). Eine schnelle Trendumkehr ist sehr unwahrscheinlich, da sich die Orderbücher zunehmend leeren. Fast jeder dritte Befragte (31,8%) meldete einen Auftragsrückgang (Vorjahr: 25,2%) und nur 17,9% verbuchten steigende Auftragsbestände (Vorjahr: 23,6%).

(2) Sinkende Kreditnachfrage und steigende Finanzierungskosten: Die Zinswende sowie die schwächere Konjunktur verhagelten den Unternehmen Investitionen und sonstige kreditfinanzierte Ausgaben. Nur 21,3% der Befragten haben in den letzten Monaten ein Darlehen beantragt (Frühjahr 2021: 32,4%). Falls die Zinsen weiter steigen oder auf hohem Niveau verbleiben sollten, dürfte die Kreditnachfrage im Mittelstand noch weiter zurückgehen. So geben 56,2% der Befragten an, dass sie dann auf jeden Fall auf einen Kreditantrag verzichten wollen. Ins Bild passt, dass die Mehrzahl der befragten Unternehmen (55,8%) von einer Verschärfung der Finanzierungsbedingungen berichtet – vorrangig bei den Zinsen. Nahezu alle Befragten (96,6%) meldeten hier einen Anstieg. Hinzu kamen strengere Anforderungen der Banken an die Sicherheiten (46,9%).

(3) Niedrige Investitionsbereitschaft: Vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Finanzierungskosten und der eingetrübten Wirtschaftslage ist – beinahe zwangsläufig – die Investitionsbereitschaft im Mittelstand eingebrochen. Der Anteil der Unternehmen, die ein Investitionsvorhaben planen, ist von 46,2% auf 38,4% gesunken. Das ist nach Angaben der Creditreform-Wirtschaftsforscher der niedrigste Wert seit fast 20 Jahren.

 

 

Ausblick: Hoffnungen ruhen auf 2024

In den kommenden Monaten dürfte die Ertragslage im Mittelstand schwierig bleiben. Die Unternehmen sind aber nicht mehr so pessimistisch wie zuletzt. 19,6% der Befragten erwarten einen Anstieg ihrer Erträge (Vorjahr: 15,2%). Mit einem Rückgang rechnen diesmal 26,0% der Befragten (Vorjahr: 33,7%). Zum Jahreswechsel 2024 könnte der Wachstumsmotor im Mittelstand möglicherweise aber wieder anspringen. Als ein Lichtblick ist dabei die abflauende Inflation zu sehen. Die Preise steigen nicht mehr so stark wie im letzten Jahr. Auch die Auftragseingänge dürften sich in den kommenden Monaten wieder etwas erholen: 18,5% der Befragten (Vorjahr: 14,7%) erwarten wieder zunehmende Auftragsbestände, während 21,5% mit einem Rückgang rechnen (Vorjahr: 26,0%).

Gleichwohl ist der Anteil der Optimisten, die steigende Umsätze erwarten, mit 25% immer noch gering. Immerhin verringerte sich der Anteil der pessimistischen Umsatzerwartungen von 25,2% auf 21,3%. Die Konjunkturrisiken sind nach wie vor groß, ein spürbarer Aufschwung ist vorerst nicht in Sicht. Selbst wenn aber die deutsche Wirtschaft wie prognostiziert im kommenden Jahr nicht mehr schrumpfen sollte, „sind die Einschnitte der Krise doch erheblich und werden in den kommenden Monaten noch Folgen haben – wir gehen deshalb auch von steigenden Insolvenzzahlen aus“, so die Einschätzung von Hantzsch am 5.10.2023.

 

 

Praxishinweise:

  • An solchen Zahlen wird man in den Controlling- und Planungsabteilungen nicht vorbeigehen dürfen. Planrevisionen werden die Regel sein, und Risikomanager müssen dazu beitragen, dass die Alarmglocken auch dort gehört werden, wo Vergangenheitserfolge vielleicht noch den Blick auf veränderte Aktualitäten vernebeln.
  • Natürlich muss mancherorts auch im Forderungsmanagement zugelegt werden, da kaum zu erwarten ist, dass derart massive Verschlechterungen ohne Auswirkungen auf die Beitreibung von Forderungen bleiben werden.
  • Selbst in der mehr vergangenheitsorientiert arbeitenden Finanzbuchhaltung wird mit Blick auf die anstehenden Jahresabschlussarbeiten der Anpassungsdruck steigen. Hier ist zu überprüfen, ob man etwa mit den vorgesehenen Einzel- und Pauschalwertberichtigungen auf Forderungen oder bisherigen Ansätzen für (Drohverlust-)Rückstellungen noch richtig liegt. Statistiken wie die nun von Creditreform vorgelegten bieten Anhaltspunkte, um die Ausübung der dabei gegebenen Ermessensspielräume zu begründen.


 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 11/2023 

BC20231105

 

 

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