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Environmental Social Governance (ESG) im arbeitsrechtlichen Kontext

Maha Steinfeld

Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien

 

Im Rahmen der Unternehmensstrategie soll unternehmerisches Handeln gemäß ESG-Vorgaben (ESG – Environmental/Umwelt, Social/Soziales, Governance/verantwortungsvolle Unternehmensführung und -überwachung) an Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtet werden, bzw. diese sollen zumindest maßgeblich berücksichtigt werden. Dabei umfasst der Begriff der Nachhaltigkeit neben finanziell-wirtschaftlichen vor allem auch nicht-finanzielle Aspekte. Im Folgenden wird dargestellt, wie eine nachhaltige, insbesondere sozial verantwortliche Unternehmensführung im arbeitsrechtlichen Kontext umgesetzt werden kann.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Bereits im Jahr 2014 hatte die EU erstmalig für bestimmte Unternehmen im Bereich der handelsrechtlichen Berichterstattung CSR-Richtlinien („Corporate Social Responsibility“ – gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen) eingeführt, um die Transparenz über ökologische und soziale Aspekte von Unternehmen in der EU zu erhöhen, u.a. indem die Berichtspflichten im Lagebericht ausgeweitet werden. Die sog. „Non-Financial Reporting Directive“ (NFRD – Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung) wurde nun weitergehend verschärft und soll als Europäische Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz: CSRD) bis zum 6.7.2024 national umgesetzt werden. Für die Durchsetzung von ESG-Vorgaben ist gemäß Strategie der EU-Kommission eine Mischung verschiedener Instrumente vorgesehen:

  • Zwingende rechtliche Vorgaben, insbesondere auf der Grundlage von EU-Richtlinien und Verordnungen, die zum Teil in nationales Recht umgesetzt werden müssen.
  • „Soft Law“, also weiche Vorgaben, z.B. in Form von „Erwartungen“ oder „Empfehlungen“.
  • Sonstige weiche Steuerungsmechanismen, etwa zur Entwicklung von „Best Practices“.

Nachfolgend wird aus arbeitsrechtlicher Sicht analysiert, was teilweise schon jetzt bzw. vermehrt künftig zu beachten sein wird.

 

 

Lösung

Im vorbeschriebenen Zusammenhang nehmen die Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) einen zentralen Platz ein. Die sich anschließende Übersicht weiterer Nachhaltigkeitsmaßnahmen zeigt aber darüber hinausgehend, wie weitreichend die Verpflichtungen, aber auch die Chancen sein werden.

 

 

1. Lieferkettensorgfaltspflichten

Das am 1.1.2023 in Kraft getretene LkSG soll der Verbesserung der internationalen Menschenrechtslage dienen. Hiermit wurden verbindliche Vorgaben für eine verantwortungsvolle Gestaltung von Lieferketten durch große Unternehmen aufgestellt. Es gilt zunächst für alle Unternehmen mit i.d.R. mindestens 3.000 (ab 2024: 1.000) Arbeitnehmenden in Deutschland. In Deutschland ansässige Unternehmen dieser Größe werden verpflichtet, ihre weltweite Lieferkette auf menschenrechts- und umweltbezogene Risiken zu überprüfen. Die „Lieferkette“ umfasst dabei alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens.

Die betroffenen Unternehmen sind zur Aufstellung von Kontrollmechanismen innerhalb der Lieferkette verpflichtet, insbesondere hinsichtlich der Einhaltung internationaler Standards (dies unter Inbezugnahme zahlreicher Übereinkommen der International Labour Organisation). Erfasst ist nicht nur das Handeln des Unternehmens selbst, sondern auch das der unmittelbaren und mittelbaren Zulieferer.

Die Unternehmen müssen nachweisen, dass sie die gesetzlich definierten Sorgfaltspflichten eingehalten haben. Zu diesen Sorgfaltspflichten zählen insbesondere ein wirksames Risikomanagement, eine Menschenrechtsstrategie, eine betriebsinterne Zuständigkeit zur Überwachung des Risikomanagements (etwa: Position eines Menschenrechts- bzw. Beschwerdebeauftragten) sowie angemessene und wirksame Präventionsmaßnahmen (u.a. ein Beschwerdeverfahren).

 

 

2. Nachhaltigkeitsmaßnahmen

Unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben („Hard Law“), deren Ausweitung insbesondere auf EU-Ebene zukünftig zu erwarten ist, steht dem einzelnen Unternehmen eine Reihe von Maßnahmen zur Verfügung, die im Rahmen einer ESG-Strategie je nach Unternehmensgröße, -branche etc. eine Rolle spielen können. Solche Maßnahmen sind z.B. die folgenden (keine abschließende Aufzählung):

(1) Einführung eines „Code of Conduct” (Verhaltenskodex): Vonseiten der Unternehmensführung kann – möglichst frühzeitig – ein „Code of Conduct“ erstellt werden, um das von den Arbeitnehmern gewünschte Verhalten festzuhalten und die Akzeptanz der Belegschaft und des Betriebsrats (soweit vorhanden) zu erhöhen.

(2) Mitarbeiterbefragungen bzw. Erhebung von Arbeitnehmerdaten: Der Arbeitgeber kann (freiwillige) Mitarbeiterbefragungen, etwa in Bezug auf die sozialen Aspekte im Unternehmen, als Ausgangspunkt seiner Strategie nutzen. Weiterhin kann der Arbeitgeber auch ein Interesse an der Erhebung von Daten haben, etwa im Hinblick auf die Analyse des unternehmenseigenen CO2-Verbrauchs. Schließlich kann auch ein Interesse daran bestehen, Mobilitätsdaten der Mitarbeitenden zur Erfüllung der Anforderungen der nichtfinanziellen Berichterstattung zu erfassen (siehe auch nachfolgend Maßnahme (3)). Hierbei sind aber auch datenschutzrechtliche Aspekte besonders relevant. Ob die Datenverarbeitung für diese Zwecke im Ergebnis gerechtfertigt ist, ist eine Wertungsfrage, die bislang, soweit ersichtlich, nicht entschieden wurde. Daneben spielen vor allem mitbestimmungsrechtliche Fragestellungen eine wichtige Rolle.

(3) Steuerung der Arbeitnehmermobilität: Es ist naheliegend, im Rahmen einer ESG-Unternehmensstrategie den Bereich der Arbeitnehmermobilität mit einzubeziehen. Denn vor allem für den Aspekt Umweltschutz, insbesondere die Vermeidung der Treibhausgasemissionen, spielt die Arbeitnehmermobilität eine bedeutsame Rolle. Je nach Art des Unternehmens kommen verschiedene Maßnahmen infrage, wie etwa:

  • Konzepte zur Flexibilität des Arbeitsorts (Vermeidung von Anfahrtswegen), z.B. unter Einführung eines Desk-Sharing-Arbeitsplatzkonzepts,
  • Förderung der Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel, so auch durch Job-Tickets,
  • Angebote zur Nutzung von Diensträdern.

Hierbei sind rechtliche Aspekte zu beachten, wie etwa die Einhaltung des Datenschutzes, die Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats/der Mitarbeitervertretung und Arbeitsschutzaspekte (Home-Office). Zudem kommt es auf die Prüfung (lohn-)steuerlicher Implikationen von Arbeitgeberleistungen an. Die Aufstellung entsprechender Unternehmensrichtlinien (z.B. Reisekosten, Dienstwagennutzung) hat vor allem unter Beachtung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu erfolgen.

(4) Umstellung auf nachhaltige Ressourcen: Als Mittel zum Klimaschutz kommt eine Umstellung auf nachhaltige Betriebsmittel in allen Unternehmensbereichen in Betracht, bis hin zur Umstellung von Produktionsmitteln oder Produkten. Es sind dabei je nach Umsetzung verschiedene rechtliche Vorgaben relevant. Sofern eine Umstrukturierung des Unternehmens ansteht, ist aus arbeitsrechtlicher Sicht etwa eine frühzeitige Einbindung des Betriebsrats anzuraten.

(5) Förderung von Inklusion, Diversität und Chancengleichheit: Diesbezügliche Maßnahmen können zur Erreichung folgender Ziele ergriffen werden:

  • Geschlechtergerechtigkeit und insbesondere Entgeltgleichheit für gleichwertige Arbeit,
  • Förderung der Aus- und Weiterbildung,
  • Beschäftigung und Inklusion von Menschen mit Behinderung,
  • Eindämmung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz,
  • Stärkung der Diversität im Unternehmen.

 

 

Praxishinweise:

  • Eine Umsetzung der oben dargestellten Aspekte liegt im eigenen Interesse des Unternehmens. Denn es ist davon auszugehen, dass die Berichtspflichten künftig ausgeweitet werden und einheitliche Standards zu befolgen sein werden. Zudem werden Unternehmen, die ihre Prozesse nicht an die neuen Vorgaben anpassen, Nachteile in Kauf nehmen müssen. Jedenfalls ist künftig vermehrt mit Datenanfragen berichtspflichtiger Unternehmen in der Lieferkette oder mit Anfragen von Investoren zu rechnen.
  • Faktisch können vom LkSG nicht nur Unternehmen mit i.d.R. mindestens 3.000 (ab 2024: 1.000) Arbeitnehmenden, sondern auch kleinere mit (deutlich) weniger als 1.000 Mitarbeitenden betroffen sein. Denn Lieferanten eines in den gesetzlichen Anwendungsbereich fallenden Unternehmens werden von diesem zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten angehalten und müssen die Verpflichtungen praktisch ebenso erfüllen!
  • Die EU-Kommission hat zur Vereinheitlichung der Berichterstattung zwölf European Sustainability Reporting Standards (ESRS – EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung) verabschiedet. Arbeitsrechtsspezifische Offenlegungspflichten sind darin in ESRS S1 (Eigene Belegschaft) festgehalten.
  • Für das ESG-Reporting wird eine nichtfinanzielle Performance-Messung anhand geeigneter KPIs („Key Performance Indicators“  – wesentliche Leistungskennzahlen) erforderlich sein. Hierüber hatte der PKF-Experte Dominik Römer mit dem Beispiel „Frauen-Karriere-Index (FKI)“ bereits an dieser Stelle informiert.


 

RAin Maha Steinfeld, Fachanwältin für Arbeitsrecht, PKF Fasselt Partnerschaft mbB, Duisburg

 

 BC 11/2023

 BC20231102

 

 

 

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