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Geplante Anhebung der Größenkriterien für Kapitalgesellschaften durch die EU

Prof. Dr. Christian Zwirner und Dr. Julia Busch

Anhebung um rund 25% vorgesehen aufgrund Überprüfung der Schwellenwerte

 

Am 13.9.2023 hat die EU-Kommission aufgrund der Inflationsentwicklung einen Vorschlag zur Anhebung der Schwellenwerte zur Bestimmung der Größenklassen für Kapitalgesellschaften veröffentlicht. Die geplante Anhebung beläuft sich für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften jeweils auf 25% der bisherigen Größenkriterien in der EU-Richtlinie, für Kleinstkapitalgesellschaften auf 28,8%. Zudem sollen nationale Gesetzgeber die Schwellenwerte für kleine Kapitalgesellschaften wie in der Vergangenheit innerhalb eines festgelegten Rahmens auch überschreiten dürfen.


 

Praxis-Info!

An die Schwellenwerte zur Einordnung von Kapitalgesellschaften – in die Größenklassen Kleinstkapitalgesellschaft, kleine, mittelgroße und große Kapitalgesellschaft – knüpfen zahlreiche Rechtsfolgen hinsichtlich der zu beachtenden Rechnungslegungs- und Berichterstattungspflichten an. Diese betreffen unter anderem Fragen der Aufstellungspflichten im Zusammenhang mit Jahresabschluss und Lagebericht, die Frage nach der Prüfungspflicht sowie Fragen der Offenlegung bzw. Publizität. Kleinstgesellschaften sowie kleine und mittlere Unternehmen werden in diesem Zusammenhang gesetzliche Erleichterungen gewährt. Kleinere Unternehmen sollen von geringeren Anforderungen und damit niedrigeren Kosten für deren Erfüllung profitieren können, während bei größeren Unternehmen mehr Transparenz im Interesse der Stakeholder geschaffen werden soll.

Die von der EU vorgegebenen Schwellenwerte zur Einordnung der Unternehmen unterliegen einem regelmäßigen Überprüfungsprozess, bei dem mindestens alle fünf Jahre die Schwellenwerte zu betrachten und bei Bedarf anzupassen sind. Hierzu müssen die im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Inflationsdaten berücksichtigt werden. Die letzte Anpassung erfolgte im Jahr 2013. Bei der vorangehenden Überprüfung im Jahr 2021 war noch kein Handlungsbedarf festgestellt worden. Angesichts der signifikanten Entwicklung der Inflation in den Jahren 2021 und 2022 hat sich die EU-Kommission zu einer erneuten Überprüfung der Schwellenwerte entschlossen.

Die Zielsetzung einer Anpassung besteht nicht darin, zusätzliche Erleichterungen zu schaffen, sondern soll lediglich verhindern, dass durch Inflationseffekte kleinere Gesellschaften ohne substanzielle Änderung in eine höhere Größenklasse hineinwachsen und sich mit den umfangreicheren Rechnungslegungs-, Prüfungs- und Berichterstattungspflichten sowie den damit verbundenen Kosten konfrontiert sehen.

Für den Zehn-Jahres-Zeitraum von Januar 2013 bis März 2023 wurde im Euroraum eine kumulierte Inflationsrate von 24,3% und für die 27 EU-Staaten eine kumulierte Inflationsrate von 27,2% festgestellt, sodass die EU-Kommission eine Anpassung der Schwellenwerte aufgrund der Inflationsentwicklung für erforderlich hält. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission am 13.9.2023 den Entwurf eines delegierten Rechtsakts zur Änderung der Schwellenwerte in Artikel 3 der Richtlinie (EU) 2013/34 (Bilanzrichtlinie) für die Bestimmung der Größenklasse von Kapitalgesellschaften vorgelegt.

In dem Vorschlag sind die folgenden zukünftigen Schwellenwerte vorgesehen:

 

 

Künftige Schwellenwerte
[in EUR] Bilanzsumme Umsatzerlöse
Kleinstkapitalgesellschaften 450.000 900.000
Kleine Kapitalgesellschaften 5.000.000 10.000.000
Mittelgroße Kapitalgesellschaften 25.000.000 50.000.000
Große Kapitalgesellschaften über 25.000.000 über 50.000.000

 

 

Die vorgeschlagenen Anpassungen spiegeln den Wert der kumulierten Inflationsrate seit der letzten Anhebung wider. Die EU-Kommission hält grundsätzlich – vor einer sinnvollen (Auf-)Rundung der Schwellenwerte – eine Anhebung der Größenkriterien um jeweils 25% für sachgerecht, wobei das Verhältnis des doppelten Werts für die Umsatzerlöse im Vergleich zum Schwellenwert für die Bilanzsumme beibehalten werden soll. Unter Berücksichtigung der Rundungseffekte beläuft sich die vorgeschlagene Anhebung für alle Größenklassen auf 25% – mit Ausnahme der Kleinstkapitalgesellschaften, bei denen der Effekt aus dem Aufrunden eine Anpassung um 28,6% zur Folge hat.

Eine Anpassung der Schwellenwerte hinsichtlich der Anzahl der Mitarbeiter ist konsequenterweise nicht vorgesehen, da die Inflationsentwicklung hierauf keinen Einfluss nimmt.

Über die vorgeschlagenen höheren Größenkriterien hinaus soll den EU-Mitgliedstaaten zudem (wie bisher auch bereits) gestattet werden, über die oben genannten Werte hinausgehende Schwellenwerte für kleine Gesellschaften festzulegen. Diese dürfen jedoch € 7.500.000,00 für die Bilanzsumme und € 15.000.000,00 für die Umsatzerlöse nicht überschreiten.

Geändert werden sollen nicht nur die Schwellenwerte für einzelne Unternehmen, die der Unterteilung in Kleinstunternehmen sowie kleine, mittelgroße und große Unternehmen zugrunde liegen, sondern auch die korrespondierenden Werte für kleine, mittelgroße und große Gruppen. Diese entsprechen jeweils den Schwellenwerten für kleine, mittelgroße und große Unternehmen und sollen auch jeweils übereinstimmend angepasst werden.

Auch wenn mit der Anhebung der Größenkriterien grundsätzlich keine Erleichterungen gegenüber dem Status quo geschaffen werden sollen, weist die EU-Kommission darauf hin, dass sich mit Blick auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung durch die Anhebung der Schwellenwerte Erleichterungen ergeben werden, da die Anzahl der Unternehmen, die von den Anforderungen der Europäischen Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz: CSRD) und der korrespondierenden Taxonomie erfasst werden, reduziert wird. Nach Schätzung der EU-Kommission wird diese Reduzierung der Zielgruppe Einspareffekte von € 150 Mio. bei einmaligen Kosten und von € 700 Mio. bei laufenden Kosten zur Folge haben.

Die zeitlich sehr kurze Kommentierungsfrist für den Vorschlag der EU-Kommission ist auf drei Wochen beschränkt und läuft bis zum 6.10.2023. Die Europäische Kommission beabsichtigt, den delegierten Rechtsakt zu den geänderten Schwellenwerten noch im vierten Quartal 2023 anzunehmen. Die neuen Größenkriterien sollen gemäß dem Entwurf bereits für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2024 beginnen, anzuwenden sein.

Der delegierte Rechtsakt ist im Anschluss von den EU-Mitgliedstaaten noch umzusetzen. Die Schwellenwerte, die in den §§ 267 und 267a HGB für Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften im Sinne des § 264a HGB (insbesondere GmbH & Co. KG) mit Sitz in Deutschland normiert sind, beruhen auf den Vorgaben der EU-Richtlinie. In der Vergangenheit hat der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit der Ausdehnung der Schwellenwerte im maximal möglichen Umfang Gebrauch gemacht. Daher überschreiten die aktuell nach § 266 HGB geltenden Schwellenwerte für kleine Kapitalgesellschaften mit € 6 Mio. Bilanzsumme und € 12 Mio. Umsatzerlöse bereits die nun von der EU-Kommission für diese Kategorie vorgeschlagenen Größenkriterien.

Wann und in welchem Umfang eine Anpassung der nationalen Regelungen im HGB vor dem Hintergrund der geplanten Änderungen auf EU-Ebene erfolgt, ist derzeit noch nicht absehbar. Dies gilt sowohl hinsichtlich der für einzelne Gesellschaften geltenden Größenkriterien als auch hinsichtlich der für die Konzernrechnungslegungspflicht relevanten Größenkriterien in § 293 HGB, die auf den Schwellenwerten für große Gruppe beruhen.

WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,
Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)

WP/StB Dr. Julia Busch, Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München

 

 

BC 8/2023 

BC20231025

 

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