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Wirkt eine durch die Restschuldbefreiung entstehende Gewinnerhöhung auf das Jahr der Betriebsaufgabe zurück?

Christian Thurow

FG Münster, Urteil vom 21.7.2016, 9 K 3457/15 E,F (Revision zugelassen)

 

Eine Restschuldbefreiung tritt erst nach der sog. Wohlverhaltensperiode ein. Fraglich ist, ob die steuerlichen Folgen der Restschuldbefreiung dann rückwirkend im Jahr der Betriebsaufgabe oder im Jahr der Erteilung der Restschuldbefreiung zu erfassen sind.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger erwirtschaftete erhebliche Verluste bei einem als Einzelunternehmen geführten Betrieb. Zum 31.12.2004 wurde ein verbleibender Verlustvortrag von 1.463.000 € festgestellt. Im Januar 2005 stellte der Kläger den Betrieb ein; das Insolvenzverfahren wurde im März 2005 eröffnet.

Nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode wurde dem Kläger im März 2011 die Restschuldbefreiung gewährt. In den Jahren 2005 bis 2010 verrechnete der Kläger seine nunmehr durch nichtselbständige Arbeit erzielten Einkünfte mit dem bestehenden Verlustvortrag. Der zum 31.10.2010 bestehende Verlustvortrag ist durch die Restschuldbefreiung weggefallen.

Dies wurde zunächst vom Finanzamt übersehen, so dass auch die Einkünfte von 2011 mit dem Verlustvortrag verrechnet wurden. Im Jahr 2013 fiel dieser Fehler auf; das Finanzamt korrigierte den Einkommensteuerbescheid 2011 nach § 129 AO (offenbare Unrichtigkeiten beim Erlass eines Verwaltungsakts). Hiergegen richtet sich die Klage, da aus Sicht des Klägers kein rein mechanisches Versehen vorlag.

 

 

Lösung

Die Klage ist begründet, allerdings aus einem anderen Grund als vom Kläger erwartet (und erwünscht). Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Münster führt die Restschuldbefreiung zu einem Wegfall der bestehenden Verbindlichkeiten. Diese sind zwar noch vorhanden, müssen aber nicht mehr bedient werden. Entsprechend sind die Verbindlichkeiten gewinnerhöhend aufzulösen.

Umstritten ist, zu welchem Zeitpunkt die Gewinnerhöhung vorzunehmen ist. Da bei einer Betriebsaufgabe steuerliche Änderungen nicht in einer Folgebilanz erfasst werden können, ist die Gewinnerhöhung aus Sicht des FG Münster zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe zu erfassen und fließt somit in die Berechnung des Aufgabegewinns bzw. -verlusts ein. Würde man die Gewinnerhöhung erst im Jahr der Restschuldbefreiung ansetzen, so könnte der Steuerpflichtige die aus den Verbindlichkeiten resultierenden Verlustvorträge in der Wohlverhaltensperiode steuerlich verrechnen, obwohl die Verbindlichkeiten mit Erteilung der Restschuldbefreiung wegfallen.

Somit bewirkt im Ausgangsfall die Erteilung der Restschuldbefreiung einen Sanierungsgewinn im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe und ist hier entsprechend zu erfassen. Demzufolge sind die Verlustvorträge bereits im Jahr 2005 weggefallen. Die Nutzung der Verlustvorträge in den Jahren 2006 bis 2010 müsste somit ebenfalls korrigiert werden. Im Ausgangsfall bedeutet dies: Der Kläger müsste rund 400.000 € genutzte Verlustvorträge zurückerstatten. Das FG Münster verkennt nicht, dass diese erhebliche steuerliche Auswirkung eine erneute wirtschaftliche Notlage des Klägers auslösen kann. Allerdings ändert dies nichts an der Rechtslage.

 

 

Praxishinweis:

Das Finanzamt kann die wirtschaftlichen bzw. finanziellen Folgen für den Kläger jedoch eventuell durch einen Billigkeitserlass abmildern, da es nicht im Sinne des Gesetzgebers sein kann, wenn die Restschuldbefreiung in eine erneute Insolvenz führt.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit, Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 12/2016

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