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Fahrschulunterricht als steuerfreier Schulunterricht

Christian Thurow

BFH-Beschluss vom 16.3.2017, V R 38/16 (EuGH-Vorlage)

 

Dem Schul- und Bildungszweck dienende (Unterrichts)Leistungen sind gemäß § 4 Nr. 21 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Fraglich ist, ob diese Steuerbefreiung auch Aus- und Weiterbildungen außerhalb des klassischen Bildungssystems betrifft. Hierzu hat der BFH nun den EuGH um Vorabentscheidung gebeten. Frei nach dem Roman „Die Feuerzangenbowle“: „Da stelle me uns e mal janz dumm. Watt is en Schul?”

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine Fahrschule in der Rechtsform einer GmbH bereitete Fahrschüler auf den Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1 vor. Bei Rechnungsstellung wies sie keine gesonderte Umsatzsteuer aus, da aus ihrer Sicht der Fahrschulunterricht von der Umsatzsteuer befreit war.

Finanzamt und Finanzgericht vertraten dagegen die Ansicht, dass der Fahrschulunterricht nicht unter die Umsatzsteuerbefreiungen des § 4 Nr. 21 UStG fällt.

 

 

Lösung

Der BFH schließt sich der Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht an, wonach die Leistungen der Klägerin nach nationalem Recht nicht steuerfrei sind. Die in § 4 Nr. 21 UStG genannten Voraussetzungen (staatliche Genehmigung, landesrechtliche Erlaubnis bzw. Hochschule oder allgemeinbildende, berufsbildende oder private Schule) sind nicht erfüllt.

Allerdings könnte eine Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i oder j MwStSystRL vorliegen. Hierzu legt der BFH dem EuGH folgende Punkte zur Vorabentscheidung vor:

 

1. Umfasst der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ den Fahrschulunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1?

Der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ ist in der MwStSystRL nicht näher definiert. Der BFH interpretiert die bisherige Rechtsprechung zu diesem Thema dahingehend, dass sich der Begriff des „Schul- und Hochschulunterrichts“ auf jegliche Aus- und Fortbildung bezieht, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat. Unter diese Auslegung könnte auch der Fahrschulunterricht fallen, da die Fahrerlaubnis nicht allein der Freizeitgestaltung, sondern auch beruflichen Zwecken (Fahrten zur Arbeit, Fahrten in Ausübung der Arbeit) dient. In einigen Berufen ist der Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis Einstellungsvoraussetzung.

 

2. Kann sich die Anerkennung der Klägerin als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung aus den gesetzlichen Regelungen über die Fahrlehrerprüfung und die Erteilung der Fahrlehr- und der Fahrschulerlaubnis und dem Gemeinwohlinteresse an der Ausbildung von Fahrschülern zu sicheren, verantwortungsvollen und umweltbewussten Verkehrsteilnehmern ergeben?

Der Begriff der „Einrichtung“ kann nach bisheriger EuGH-Rechtsprechung auch private Einrichtungen mit Gewinnerzielungsabsicht umfassen. Der gewerbliche Charakter einer Tätigkeit muss nicht ausschließen, dass die Tätigkeit dem Gemeinwohl dient. So besteht aus Sicht des BFH im Ausgangsfall sehr wohl ein Gemeinwohlinteresse an der Ausbildung sicherer, verantwortungsvoller und umweltbewusster Verkehrsteilnehmer. Zu berücksichtigen sind auch die gesetzlichen Voraussetzungen für den Betrieb einer Fahrschule und die Tätigkeit als Fahrlehrer.

 

3. Setzt der Begriff des Privatlehrers voraus, dass es sich bei dem Steuerpflichtigen um einen Einzelunternehmer handelt?

Die bisherige Rechtsprechung von EuGH und BFH betrifft lediglich Fälle, in denen der Privatlehrer als Einzelunternehmer tätig war. Aus Sicht des BFH gebietet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleiche Umsätze bewirken, auch bei der Steuererhebung gleich behandelt werden. Somit stellt sich die Frage, ob auch eine GmbH als Privatlehrer tätig sein kann.

 

4. Wird ein Unterrichtender immer dann bereits als „Privatlehrer“ tätig, wenn er für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt, oder sind an das Merkmal „Privatlehrer“ weitere Anforderungen zu stellen?

Der Begriff des „Privatlehrers“ ist in der MwStSystRL nicht näher definiert. Es ist lediglich vorgeschrieben, dass eine befreite Unterrichtstätigkeit privat ausgeübt werden muss. Die bisherige EuGH-Rechtsprechung besagt, dass ein Privatlehrer für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln und zwischen dem konkreten Inhalt des Unterrichts und den Qualifikationen der Unterrichtenden grundsätzlich ein Zusammenhang bestehen muss. Bei Anwendung dieser Grundsätze könnte die Klägerin als „Privatlehrer“ den Unterricht erteilt haben.

Das Verfahren wird bis zur EuGH-Entscheidung ausgesetzt.

 

 

Praxishinweis:

  • Bei über 10.000 Fahrschulen in Deutschland wird das endgültige Urteil Unternehmen bzw. Einzelunternehmer im ganzen Bundesgebiet treffen. Selbstständige Bilanzbuchhalter, die Fahrschullehrer bzw. Fahrschulen betreuen, sollten diese auf das Verfahren hinweisen.
  • Das Urteil könnte eventuell für eine Vielzahl anderer Gebiete Bedeutung haben. So unterstützt z.B. auch ein Jäger unter Umständen das Gemeinwohl, und die Einstellung als Revierjäger setzt den Jagdschein voraus. Somit ließe sich hier bei Anwendung der oben genannten Grundsätze gegebenenfalls eine Umsatzsteuerbefreiung für die Vorbereitung auf die Jägerprüfung ableiten.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit, Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 8/2017

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