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Anforderungen an Unterlagen zur Dokumentation eines PC-Kassensystems

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Beschluss vom 23.2.2018, X B 65/17

 

Nicht fortlaufend nummerierte Kassenberichte erfordern den Nachweis, dass Organisationsunterlagen zur Kassenprogrammierung vollständig und manipulationsfrei gespeichert werden. Ein solcher Nachweis darf auch auf Datenträgern gespeichert werden. Stützt das Finanzgericht (FG) die von ihm angenommene Schätzungsbefugnis auf einen formellen Mangel der Buchführung oder der Aufzeichnungen, muss es Feststellungen dazu treffen, welches Gewicht dieser Mangel hat.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Manipulationen an Kassensystemen berechtigen u.a. zur Hinzuschätzung, weshalb ein solcher Vorwurf im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung stets schwer wiegt. Wie aber kann ein Steuerpflichtiger nachweisen, keine Manipulationen vorgenommen zu haben – wenn wie im Streitfall Sachverständige die Auffassung vertreten, dass mit genügend IT-Sachverstand und Zeit „alle heute üblichen Softwarelösungen manipulierbar“ seien. Diese Frage beschäftigte den BFH in seinem oben genannten Beschluss, mit dem er das zuvor ergangene Urteil des FG Münster vom 29.3.2017 (Az.: 7 K 3675/13 E,G,U) aufhob und zur anderweitigen Entscheidung zurückverwies.

Geklagt hatte der Betreiber von zwei Friseursalons; er ermittelte den Gewinn zunächst durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) und ging dann zum 1.1.2009 zum Betriebsvermögensvergleich über. Seine baren Betriebseinnahmen erfasste er über eine PC-Kassensoftware, die speziell auf die Bedürfnisse des Friseurhandwerks zugeschnitten ist und u.a. eine Kunden- und Terminverwaltung enthält. Die Software zeichnet die Einnahmen einzeln auf und speichert sie. Der Hersteller der Software hat erklärt, dass diese den Grundsätzen ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) und den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) entspricht. Während einer steuerlichen Außenprüfung kam aber der Prüfer zu der Auffassung, die Kassenführung des Klägers sei nicht ordnungsgemäß, er ermittelte für nur drei Veranlagungszeiträume einen Mehrerlös von über 200 T€ (!). Das FG hatte der Klage teilweise stattgegeben (EFG 2017, 846) und sich dabei auf drei Sachverhalte gestützt:

  1. Die Schätzungsbefugnis folge daraus, dass der Kläger die Programmierprotokolle nicht vorgelegt habe, was einen gravierenden formellen Mangel seiner Aufzeichnungen bzw. Buchführung darstelle. Diese Unterlagen seien nicht nur bei Registrierkassen aufzubewahren (so der Sachverhalt, zu dem das BFH-Urteil vom 25.3.2015, X R 20/13, BStBl. II 2015, 743, ergangen ist), sondern auch bei Nutzung eines PC-Kassensystems. Es sei Sache des Klägers, die Organisationsunterlagen aufzubewahren und vorzulegen. Dies habe er nicht getan.
  2. Auch die Nichtaufbewahrungder ausgegebenen und wieder eingelösten Gutscheine stelle einen formellen Mangel dar.
  3. In der Nichterfassung der Trinkgelder liege ein materieller Mangel.

Allerdings kam das FG dem Friseursalonbetreiber entgegen. Es wollte die Hinzuschätzung der Höhe nach innerhalb der Bandbreite der Richtsatzsammlung auf einen Sicherheitszuschlag von 7,5% der erklärten Erlöse zzgl. der Trinkgelder begrenzen.

 

Lösung

Der BFH kritisiert in seinem Zurückverweisungsbeschluss zu:

  1. Das FG habe im angefochtenen Urteil die Annahme einer Schätzungsbefugnis entscheidend darauf gestützt, der Friseursalonbetreiber habe die erforderlichen Programmierprotokolle nicht vorgelegt. Hätte die von ihm beantragte Beweiserhebung ergeben, dass die steuerlich erforderlichen Dokumentationen doch vorhanden waren, wäre die wesentliche Grundlage für die vom FG angenommene Schätzungsbefugnis entfallen. Der Friseursalonbetreiber hat aber nach Ansicht des BFH gerade zutreffend dargelegt, dass die Frage, ob bzw. mit welchen Modifikationen seine frühere Rechtsprechung auf PC-Kassensysteme übertragbar ist, ungeklärt ist und daher von grundsätzlicher Bedeutung sein dürfte. Dies gelte gerade angesichts der im Streitfall durch zwei Sachverständige herausgearbeiteten Erkenntnis, dass jedes PC-Kassensystem manipulierbar sei, vorliegend aber keine Anhaltspunkte für Manipulationen durch den Anwender erkennbar seien.
  2. Hinsichtlich der Gutscheine bemängelt der BFH, dass sich dem Urteil des FG Münster nicht entnehmen lasse, welches Gewicht dieser Mangel hat. Insbesondere fehlen Angaben zum Wert derfehlenden Gutscheine im Vergleich zum Wert der insgesamt ausgegebenen und eingelösten Gutscheine bzw. im Vergleich zum Gesamtumsatz des Klägers. Entsprechende Feststellungen werden im zweiten Rechtsgang gegebenenfalls nachzuholen sein.
  3. Soweit das FG die Nichterfassung der dem Kläger zugewendeten Trinkgelder als materiellen Mangel ansieht, trifft dies nach Ansicht des BFH im Ausgangspunkt zwar zu. Die Münchener Richter neigen aber zu der bereits vom Berichterstatter des FG im Erörterungstermin geäußerten Auffassung, dass dieser Mangel punktuell auf die Trinkgelder begrenzt ist. Allein hieraus dürfe keine Schätzungsbefugnis für die Hauptkasse folgen.

 

 

Praxishinweise:

  • Die äußerst schwierige Frage danach, inwieweit von Steuerpflichtigen verwendete Kassensysteme manipulationssicher sind oder nicht, umschifft der BFH mehr oder weniger elegant. Ausnahmsweise stehe im Streitfall fest, dass das System keine Manipulationsmöglichkeiten eröffne. Nach der BFH-Rechtsprechung komme es dabei nicht darauf an, welchen Aufwand eine Manipulation verursachen würde. Es sei denkbar, dass ein Steuerpflichtiger einen IT-Spezialisten mit Manipulationen beauftrage. Auch der vom Friseursalon-Betreiber zusätzlich beauftragte Gutachter P habe Manipulationen nicht generell ausschließen können. Ob der Kläger tatsächlich Manipulationen vorgenommen habe, sei hier aber nicht entscheidungserheblich und daher vom Senat nicht zu prüfen.
  • Im Verfahren hatte einer der Gutachter geäußert, dass alle heute handelsüblichen Softwarelösungen mit mehr oder weniger Aufwand manipulierbar seien. Schwieriger werde es allerdings, wenn eine bereits abgeschlossene Buchführung – für die Umsatzsteuer-Voranmeldungen beim Finanzamt eingereicht seien – manipuliert werden solle.
  • Immerhin hatte der in diesem Verfahren klagende Friseursalon-Betreiber sein Handwerk recht erfolgreich betrieben und nennenswerte Gewinne ausgewiesen. Wie sich die Gefahr von Hinzuschätzungen verschärft ergeben kann, wenn ein weniger erfolgreicher, weil Verluste anhäufender Friseur nur schnipselhaft Belege führt und die stets bereit liegende Schere statt zum Haarschnitt zweckentfremdend womöglich zur Zerstörung von eventuell Verdachtsmomente auslösenden Unterlagen verwendet wird, ist in BC 2018, 60 f. (Heft 2), nachlesbar.


 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

BC 4/2018 

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