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Haftung des Geschäftsführers bei Bewilligung eines Aufschubkontos für Einfuhrabgaben bei Insolvenz der Steuerschuldnerin zwischen Überlassung der Waren und Fälligkeit der Abgabenschuld

Christian Thurow

FG Hamburg, Urteil vom 11.10.2017, 4 K 9/16 (Revision zugelassen)

 

Zur Vereinfachung der Zollabwicklung kann auf Antrag – unter bestimmten Voraussetzungen – ein Zahlungsaufschub in Form eines sog. Aufschubkontos gewährt werden. Hierbei werden die Abgaben nicht sofort bei der Zollabfertigung entrichtet, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, wobei alle Einfuhren, die in diesem Zeitraum getätigt wurden, zusammengefasst werden. Die Auflagen zur Bewilligung eines Zahlungsaufschubkontos stellen eine steuerliche Pflicht im Sinne von § 69 AO dar, wie das FG Hamburg festgestellt hat.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger war Geschäftsführer einer im Importhandel tätigen GmbH. Der GmbH wurde die Bewilligung eines laufenden Zahlungsaufschubs für die Einfuhrumsatzsteuer in unbegrenzter Höhe ohne Sicherheitsleistung erteilt. Die Zahlung der während eines Kalendermonats aufgeschobenen Abgabenbeträge hatte spätestens am 16. Tag des Folgemonats zu erfolgen. Als Auflage sah die Bewilligung vor, dass die GmbH unverzüglich jede Änderung der in ihrem Antrag angegebenen oder sonst für die Bewilligung maßgebenden Verhältnisse schriftlich anzuzeigen hatte.

Die GmbH geriet später in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Forderungen und Waren wurden als Sicherheiten vergeben. Nach dem unerwarteten Rückzug eines potenziellen Investors musste die GmbH einen Insolvenzantrag stellen. Die Finanzbehörden nahmen die Geschäftsführer daraufhin für die auf dem Aufschubkonto aufgelaufenen Beträge nach § 69 AO in Haftung.

Hiergegen wurde Einspruch eingelegt. Zum einen verwies der Kläger darauf, dass aus seiner Sicht keine Pflichtverletzung vorläge. Vor Einreichung des Insolvenzantrags habe keine Veranlassung zur vorzeitigen Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer vorgelegen. Nach der Einreichung hat dem Geschäftsführer die Verfügungsmacht gefehlt, da Zahlungen nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters möglich gewesen seien. Im Übrigen könne das Finanzamt aufgrund des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger auch nur den Quotenschaden geltend machen.

 

 

Lösung

Aus Sicht des FG Hamburg wurde der Geschäftsführer zu Recht für die auf dem Aufschubkonto aufgelaufenen Einfuhrumsatzsteuer-Beträge in Haftung genommen. Die Bewilligung des Aufschubkontos stellt eine einfuhrumsatzsteuerliche Vergünstigung in Form der „fiskalischen Kreditgewährung“ dar. Diese war an die Bedingung geknüpft, dass die GmbH Änderungen von Umständen, die für die Erteilung der Begünstigung wichtig sind, unverzüglich den Behörden mitteilt.

Die Meldepflicht greift nicht erst bei Vorliegen der Insolvenzgründe, da in einem solchen Fall sogleich der Insolvenzantrag gestellt werden müsste. Der Ausfall von vorher entstandenen, aber nach Insolvenzantragstellung fällig werdenden Forderungen könnte so nicht mehr verhindert werden. Insofern sind bereits sich abzeichnende Liquiditätsschwierigkeiten den Behörden mitzuteilen. Die Unterlassung dieser Vorab-Warnung ist ursächlich dafür, dass der Steueranspruch nicht erfüllt wurde, da die Finanzverwaltung die Gewährung eines Aufschubkontos ohne Sicherheiten bei wirtschaftlichen Problemen versagt hätte.

Da der Geschäftsführer die rechtzeitige Meldung unterlassen hat, haftet er nach § 69 AO für die vor Einreichung des Insolvenzantrags angefallene Einfuhrumsatzsteuer. Darüber hinaus hat der Geschäftsführer auch die sog. Mittelvorsorgepflicht verletzt. Der gesetzliche Vertreter einer GmbH ist verpflichtet, die Mittel so zu verwalten, dass er zur pünktlichen Tilgung auch der erst künftig fällig werdenden Steuerschulden in der Lage ist. Dem ist der Kläger nicht nachgekommen.

Der Haftungsbescheid ist auch der Höhe nach rechtmäßig. Allerdings muss aus Sicht des FG Hamburg das Finanzamt nach Eingang der Insolvenzquote den Haftungsanspruch entsprechend mindern.

 

 

Hinweis:

Die quotale Haftung wurde zwischenzeitlich vom BFH verneint (vgl. BFH-Urteil vom 26.9.2017, VII R 40/16). Demnach sind die Einfuhrabgaben am Fälligkeitstag ohne Rücksicht auf das Bestehen etwaiger anderer Zahlungsverpflichtungen abzuführen.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 1/2018

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