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Entschädigung für die Aufhebung eines unbefristeten Vertriebsvertrags aktivierungspflichtig?

BC-Redaktion

BFH-Urteil vom 6.9.2018, IV R 26/16 (NV)

 

Eine Entschädigung für die vorzeitige Auflösung eines unbefristeten Vertriebsvertrags ist mangels Erwerbs eines immateriellen Wirtschaftsguts nicht zu aktivieren.

Für die Entschädigung ist auch kein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden.


Praxis-Info!

 

Problemstellung

Ein Verbindungsnetzbetreiber (V) im Telekommunikationsbereich schloss mit L einen Vertrag über ein exklusives Vertriebsrecht von Premium-Rate-Diensten (Service 0190, 0900). Als Provisionszahlung für den Vertrieb der Premium-Rate-Dienste wurden 33,3% des kalkulierten Deckungsbeitrags berechnet.

Darüber hinaus wurde ein nicht exklusives Vertriebsrecht für weitere Telekommunikationsdienstleistungen, die von V angeboten werden, jeweils für den deutschen Telekommunikationsmarkt geschlossen. Die monatliche Provisionszahlung belief sich auf 3% des Umsatzes aller an V vermittelten übrigen Telekommunikationsdienstleistungen.

Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Auch nach Beendigung des Vertrags hatte V die Provisionszahlungen für die gesamte Laufzeit der Kundenverträge an L oder ihre Rechtsnachfolger zu entrichten. L garantierte ihrerseits den Kundenschutz.

Nach zweieinhalb Jahren wurde der Vertrag vereinbarungsgemäß aufgelöst – mit entsprechender Abgeltung bestehender wie künftiger Ansprüche. V erfasste diese Zahlung in der Gewinn- und Verlustrechnung als außerordentlichen Aufwand.

Das Finanzamt vertrat demgegenüber die Auffassung, die Zahlung an L sei für den Erwerb eines Rechtsverzichts getätigt worden. Dabei handele es sich um ein immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens (im Sinne von § 5 Abs. 2 EStG), das zu aktivieren und lediglich im Wege der Absetzung für Abnutzung gewinnwirksam zu berücksichtigen sei.

 

 

Lösung

Die wegen der vorzeitigen Vertragsauflösung geleistete Zahlung ist als sofort abzugsfähige Betriebsausgabe zu behandeln. Mit der Auflösungsvereinbarung ist kein immaterielles Wirtschaftsgut „Kundenstamm“ oder „Vertriebsrecht“ erworben worden. Für die einmalige Zahlung ist ebenso wenig ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten in der Bilanz auszuweisen.

Gemäß § 5 Abs. 2 EStG ist ein Aktivposten für ein immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens (z.B. Geschäftswert oder immaterielle Wirtschaftsgüter) nur anzusetzen, wenn es entgeltlich erworben worden ist. Das setzt allerdings voraus, dass der Aufwand dem immateriellen Wirtschaftsgut unmittelbar zugeordnet werden kann.

Ein immaterielles Wirtschaftsgut kann auch durch die Begründung schuldrechtlicher Verträge entstehen, soweit dadurch der Vertragspartei eine bestimmte Rechtsposition eingeräumt wird und diese Rechtsposition einen selbstständig bewertbaren Vorteil darstellt. Darunter fallen u.a.

  • das (Allein-)Vertriebsrecht,
  • die Handelsvertretung,
  • das Bierlieferungsrecht,
  • Miet-/Nutzungsrechte,
  • Lizenzen,
  • Kundenaufträge,
  • Auftragsbestand und
  • andere vergleichbare Rechte.

Wird ein solcher Vorteil durch den Abschluss eines gegenseitigen Vertrags zum Gebrauch oder zur Nutzung auf Zeit eingeräumt, kommt dessen Aktivierung nach dem Grundsatz der Nichtbilanzierung schwebender Geschäftenicht in Betracht. Erst mit dem entgeltlichen Erwerb bestehender schwebender Verträge treten die immateriellen Wirtschaftsgüter in Erscheinung.

Im Streitfall hat sich V durch die vorzeitige Vertragsaufhebung in geschäftswertverstärkender Weise von einem Vertrag befreit, der sich als unternehmerische Fehlmaßnahme herausgestellt habe. Das Entgelt wurde für den Verzicht auf eine weitere Vertragserfüllung, mithin für den Untergang des Vertriebsrechts der L gezahlt.

Der Erwerb eines Kundenstamms ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil ein derartiges immaterielles Wirtschaftsgut im Unternehmen der L überhaupt nicht entstanden ist. L hat dem V lediglich die Kunden vermittelt und dafür ihre Provisionen erhalten. Der Kundenstamm entstand also von vornherein im Unternehmen des V und ist in dessen Geschäftswert eingegangen. Er kann daher nicht Gegenstand der vorliegenden Auflösungsvereinbarung gewesen sein.

Allerdings ist der L mit dem gegenseitigen Vertrag ein auf zehn Jahre nicht kündbares Vertriebsrecht, teilweise ausgestaltet als Alleinvertriebsrecht, eingeräumt worden. Die Einräumung eines (Allein-)Vertriebsrechts führt grundsätzlich zur Entstehung eines immateriellen Wirtschaftsguts. Dieses war in der Handels-/Steuerbilanz der L allerdings nach den Grundsätzen der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte nicht zu bilanzieren. Das (Allein-)Vertriebsrecht war aber auch in der Bilanz des V nicht zu aktivieren, da diese der L für diesen Vorteil kein Entgelt gezahlt hat.

Der Gegenstand des Auflösungsvertrags war nicht der (Rück-)Erwerb des Vertriebsrechts, sondern in erster Linie die Befreiung von einem nachteiligen Vertrag, durch den die Geschäftschancen des V langfristig geschmälert worden wären. Auch ein Rückerwerb des teilweise eingeräumten Alleinvertriebsrechts war nicht erforderlich, weil dieses dem V mit der Aufhebung des Vertrags originär wieder zustand, ohne dass dies einer Übertragung bedurft hätte.

L erhielt die Zahlung dafür, dass sie ihre Tätigkeit (aktiver Marktauftritt, Kundenakquisition, Erstellung von Angeboten, Verträgen und Präsentationen) für den V einstellt. Infolgedessen entfielen künftige Provisionsansprüche der L, die dieser aus künftigen Kundenvermittlungen für den V zugestanden hätten. Der Provisionsverzicht deutet bereits auf eine Vertragsbeendigung und nicht auf den Erwerb eines selbstständig bewertbaren Vorteils hin.

Last, not least sollten im vorliegenden Sachverhalt die Rechtsfolgen eines als nachteilig empfundenen Vertrags binnen kurzer Zeit nach dessen Abschluss wieder rückgängig gemacht werden. V sind die Leistungen der L bzw. deren Agentur zu teuer erschienen; der Vertrag wurde als unternehmerische Fehlentscheidung erkannt.

Für die streitige Zahlung war auch kein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden. Als Rechnungsabgrenzungsposten sind auf der Aktivseite nur Ausgaben vor dem Abschlussstichtag anzusetzen, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag darstellen (vgl. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 250 Abs. 1 HGB). Aktivierungspflichtig sind danach nur Vorleistungen für eine noch nicht erbrachte, zeitraumbezogene Gegenleistung. Eine solche Leistung wurde von der L weder geschuldet noch künftig erbracht. Vielmehr endeten mit der Auflösungsvereinbarung alle künftigen Verpflichtungen der L.

 

Bilanzierungshinweis:

Zu den entgeltlich erworbenen Konzessionen, gewerblichen Schutzrechten und ähnlichen Rechten und Werten sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten gehören (vgl. Schubert/F. Huber, Beck´scher Bilanz-Kommentar, 11. Auflage 2018, § 247 HGB, Rn. 383):

  • Rechte (z.B. Patente, Gebrauchsmuster, Warenzeichen, Marken, Urheberrechte, Leistungsschutzrechte),
  • Rechtspositionen (z.B. Nutzungsberechtigungen an Sachen und Rechten aufgrund schuldrechtlichen Vertrags, Belieferungsrechte, Vertriebsrechte, durch langfristige Verträge abgesicherte Geschäftsbeziehungen, Wettbewerbsverbote, Gewerbeberechtigungen, Konzessionen, Kontingente, Quoten) und
  • rein wirtschaftliche Werte (z.B. ungeschützte Erfindungen, Rezepte, Know-how, EDV-Software, Archive, Film- und Tonaufzeichnungen).

Als Aktivierungsvoraussetzung werden die selbstständige Verkehrsfähigkeit im Sinne einer Einzelverwertbarkeit bzw. die selbstständige Bewertbarkeit dieser Werte gefordert. Gegenstand der Aktivierung ist nicht das Recht, sondern der hieraus resultierende Vorteil, der wirtschaftliche Wert.

Ein Alleinvertriebsrecht stellt einen immateriellen Vermögensgegenstand dar (vgl. BFH-Urteil vom 27.7.1988, I R 130/84, BStBl. II 1989, 101); der Kundenstamm unter Umständen (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 26.11.2009, III R 40/07, BFH/NV 2010, 721; siehe auch Lüdenbach/Hoffmann, NWB Kommentar Bilanzierung, 8. Auflage 2017, § 246 HGB, Rn. 52).

 

 

[Anm. d. Red.]

 

 

BC 12/2018

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