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Außenprüfungen auch bei Überschusseinkünften

Alexandra Dunkel

BFH-Beschluss vom 13.9.2017, III B 109/16

 

Sofern umfangreiche und vielgestaltige Einkünfte in Form verschiedener Beteiligungen, stark schwankende Kapitaleinkünfte sowie private Veräußerungsgeschäfte vorliegen, darf auch ohne grundsätzliche Zweifel an der Steuerehrlichkeit bei Überschusseinkünften eine steuerliche Außenprüfung angeordnet werden. Der Umfang der Begründungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Dass Groß- und Konzernbetriebe dem Grundsatz ständiger Anschlussprüfungen unterliegen, ist unstrittig (§ 4 Abs. 2 BpO 2000). Für Mittel-, Klein- und Kleinstbetriebe nimmt die Prüfungsintensität zwar ab; es sind dort aber auch Anschlussprüfungen zulässig. Vor diesem Hintergrund wurde im letzten BC-Newsletter der Fall eines selbstständig tätigen EDV-Organisators behandelt, der seit dem Jahr 2000 auf dem Gebiet der IT als Kleinbetrieb eingestuft ist.

Nun ist am 6.12.2017 der oben genannte BFH-Beschluss zur Außenprüfung bei Überschusseinkünften unter www.bundesfinanzhof.de veröffentlicht worden. Hier beschäftigt sich der BFH mit dem Umfang der Begründungspflicht eines Finanzgerichtsurteils, wenn bei Überschusseinkünften über eine Prüfungsanordnung wegen umfangreicher und vielgestaltiger Einkünfte sowie schwankender Kapitaleinkünfte und privater Veräußerungsgeschäfte gestritten wird. Ferner thematisiert der Beschluss einige Fragestellungen im Zusammenhang mit der Bestimmung des Prüfungsorts.

Geklagt hatte ein Gesellschafter (G) einer Rechtsanwalts- und Steuerberatersozietät, der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit erzielte und an zahlreichen Gesellschaften und Grundstücksgemeinschaften beteiligt war, deren Einkünfte einheitlich und gesondert festgestellt wurden. Darüber hinaus erzielte G Einkünfte aus Kapitalvermögen in beträchtlicher Höhe und erklärte zudem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus mehreren Objekten. G hatte die Meinung vertreten, das Finanzgericht (FG) hätte die Behauptung des Finanzamts, eine Außenprüfung sei erforderlich, nicht unterstützen dürfen, ohne seine Auffassung umfänglich und eigenständig zu begründen: Da das FG eine Außenprüfung „ins Blaue hinein“ ohne eigene Überprüfung gebilligt habe, liege ein Verfahrensfehler vor.

 

 

Lösung

Der BFH sah diese Auffassung des Klägers als nicht grundsätzlich bedeutsam an und wies seine Beschwerde gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 31.5.2016 (Az.: 11 K 300/15) als unbegründet zurück. Ein Fehlen von Entscheidungsgründen im Sinne von § 119 Nr. 6 FGO liege nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Das treffe indessen nicht zu, denn das FG habe keine Prüfungspunkte übergangen, sondern die umfangreichen Überlegungen der Einspruchsentscheidung referiert und sich ihnen trotz „Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung“ angeschlossen. Weiterer Darlegungen bedurfte es jedenfalls nicht, denn die Prüfungswürdigkeit (§ 193 Abs. 2 Nr. 2 AO) liege im Streitfall auf der Hand, ohne dass es auf „Anhaltspunkte für ‚Steuererklärungsdefizite‘“ oder Zweifel an der Steuerehrlichkeit des Klägers ankäme. Angesichts des großen und vielfältigen Vermögens des Klägers sowie der hohen Komplexität des deutschen Einkommensteuerrechts und insbesondere auch der gesetzlichen Änderungen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Jahr 2009 könnten sich z.B. wegen

  • anschaffungsnahem Aufwand (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG),
  • der Ermittlung des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG) oder
  • einer unzutreffenden Beurteilung von Betriebs- als Privatvermögen

trotz redlicher Erklärung erhebliche Mehrsteuern ergeben.

 

 

 

Praxishinweise:

  • Mit der Behauptung, die Außenprüfung sei „ins Blaue hinein“, d.h. ohne Einhaltung der erforderlichen Begründungspflichten, angeordnet worden, weist dieser Fall eine sprachliche Parallelität zum zuletzt im BC-Newsletter vom 29.11.2017 behandelten Sachverhalt auf. Wie zuvor stellt auch dieser hier den Gesellschafter G betreffende Streitfall eine Ausnahme dar. Denn er betrifft einen Sachverhalt, in dem es allein hinsichtlich der Kapitaleinkünfte um eine Reduzierung des 2008 angelegten Kapitals in drei Jahren um über 20 Mio. € ging, ohne dass hinreichende Anhaltspunkte für dessen Verbleib oder eine Verlagerung in den nicht einkünfterelevanten Bereich erkennbar seien. Da müssen sich andere Steuerpflichtige schon bei viel kleineren Beträgen mit Nachfragen der Finanzbehörden auseinandersetzen.
  • Zudem waren die Einkommensteuererklärung für 2008 verspätet erst im Mai 2013 und die Erklärungen für 2009 und 2010 im Februar 2013 abgegeben worden, woraufhin nach vorherigen Schätzungen geänderte Einkommensteuerbescheide ergingen, die weiterhin unter Nachprüfungsvorbehalt standen – Parallelen zu einem jüngst in der Wirtschaftspresse viele Schlagzeilen füllenden Verbandspräsidenten aus der Finanzbranche sind unverkennbar.
  • Im Rahmen der den Streitfall nicht unerheblich prägenden, aber letztlich nicht entscheidungserheblichen Ausführungen zur Angemessenheit des Prüfungsorts wird es kurios. Hier war ins Feld geführt worden, ob G durch eine Prüfung an Amtsstelle besonders belastet werden könnte, weil er aufgrund seiner Vorlagepflicht die zu prüfenden Unterlagen zum Dienstgebäude transportieren musste. Offenbar machte sich der klagende G Sorgen, das Finanzamt könne aus „Holschulden der Finanzverwaltung“ dann „Bringschulden des Steuerpflichtigen“ machen, was das Recht des Steuerpflichtigen auf informelle Selbstbestimmung verletzen und ihn zum „Kopier- und Heranschaffensbüttel der Finanzverwaltung“ degradieren würde.
  • Im Rahmen seiner von äußerst vielfältigen Einkünften gekennzeichneten Selbstbestimmtheit ist G allerdings offenbar ein Versäumnis unterlaufen, denn er hatte in der Klageschrift sowie in der mündlichen Verhandlung nur beantragt, die Prüfungsanordnung aufzuheben. Zu Recht habe das FG – so bestätigt der BFH – über die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung entschieden und sich mit der Bestimmung des Prüfungsorts nicht befasst. Dazu habe der Kläger auch keine Veranlassung gegeben; denn er habe weder (z.B. in Form eines Hilfsantrags für den Fall, dass das FG die Prüfungsanordnung als rechtmäßig beurteilen sollte) die Aufhebung der Prüfungsortbestimmung noch die Durchführung der Prüfung in seinem Wohnhaus oder einem anderen Gebäude als dem Dienstsitz des Finanzamts begehrt.
  • Vielleicht wäre dieses Versäumnis mit Beratungshilfe z.B. im Rahmen eines Family Office vermeidbar gewesen. Soweit aber Beratungsaufgaben eines Bilanzbuchhalters in entsprechende Fallgestaltungen hineinragen sollten, wofür ja etwa wegen der Grenzen des Übergangs von Privat- und Betriebsvermögen und der im Streitfall bedeutsamen Ermittlung des anschaffungsnahen Aufwands durchaus Anknüpfungspunkte vorliegen, sollte im Auge behalten werden, bei derlei Umständen auch von einem Auftragsverweigerungsrecht Gebrauch machen zu können, um nicht am Ende dem vermeintlich in seiner informellen Selbstbestimmung verletzten G als der oben zitierte „Kopier- und Heranschaffensbüttel“ dienen zu müssen.
  • Es ist schon erstaunlich, zu welchen Einlassungen Steuersparmotive Anlass geben können. Und dass hier besonders Hochvermögende ihrer Kreativität zwecks Erzielung von Steuervorteilen freien Lauf lassen, wurde ja jüngst im Rahmen der Paradise Papers der Öffentlichkeit vor Augen geführt. Da hätte man als die Bodenhaftung nicht verlierender Bilanzbuchhalter einem Formel-1-Rennfahrer wohl geraten, die Hände am Auto-Lenkrad zu lassen, anstatt am „Steuervermeidungsrad“ mittels Vorsteuerabzug beim Jet-Kauf drehen zu wollen.
  • Das – für sich genommen selbstverständlich nicht etwa verwerfliche – Streben nach Steuervorteilen kann manchem offenbar den Blick darauf verstellen, worauf es wirklich ankommt, so zumindest ganz aktuell die Einschätzung des von 2013 bis 2016 amtierenden BDI-Präsidenten Ulrich Grillo (Miteigentümer der Grillo-Werke). Er appellierte anlässlich der diesjährigen Verleihung des PKF-Wirtschaftsförderpreises am 5.12.2017 in Duisburg, das Streben nach Eigennutz stets in die unternehmerische und gesellschaftliche Verantwortung einzubetten. Nur so werde es insbesondere den Top-Führungskräften mit Vorbildfunktion gelingen, aktuelle Wirtschaftserfolge auch für die Zukunft zu sichern.

 

 

  Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

 

BC 1/2018

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