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Entwurf der GoBD veröffentlicht – BMF bringt GoBS- und GDPdU-Nachfolger auf den Weg

Stefan Groß

Entwurf eines BMF-Schreibens vom 9.4.2013, IV A 4 – S 0316/13/10003

 

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mehr oder weniger überraschend den Entwurf eines Schreibens zu den „Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“ – kurz GoBD – veröffentlicht (abrufbar unter: http://www.elektronische-steuerpruefung.de/bmf/gobd-entwurf.pdf). Letztlich kommt das BMF damit den Forderungen der Wirtschaft nach einer dringend erforderlichen Modernisierung der GoBS (Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme) nach; zugleich eingebracht werden aktuelle Entwicklungen im Umfeld der GDPdU (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen).

Im Kern beschäftigt sich das Schreiben zunächst mit den allgemeinen „Compliance-Prinzipien“: Vollständigkeit, Richtigkeit, Zeitgerechtigkeit, Ordnung und Unveränderbarkeit der Buchführung. Im Weiteren finden sich insbesondere Ausführungen zur Aufbewahrung, zum Scannen von Unterlagen, zur Verfahrensdokumentation, zum Datenzugriff, zur elektronischen Rechnung, zum internen Kontrollsystem sowie zu Software-Testaten. Im Folgenden geben die Autoren einen ersten Überblick zu ausgewählten, gerade für die Praxis maßgeblichen Inhalten des GoBD-Entwurfs.

 

 

1. Aufbewahrung

Betreffend die Anforderungen zur Aufbewahrung knüpft das BMF-Schreiben an die bisherige Grundregel an, dass originär elektronische Unterlagen auch originär elektronisch aufzubewahren sind. Entsprechend sind aufbewahrungspflichtige Unterlagen, die in digitaler Form im Unternehmen entstanden sind oder in das Unternehmen eingehen, auch digital aufzubewahren und dürfen nicht mehr gelöscht werden. Dabei hat der Unternehmer (nach Ansicht des BMF) bereits mit dem Einsatz eines DV-Systems sein Wahlrecht zur Aufbewahrung von elektronisch aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten und Dokumenten dahingehend ausgeübt, dass diese auf Datenträgern (und nicht nur in Papierform) aufzubewahren sind.

Mit Blick auf die GoBS ist das elektronische Dokument mit einem unveränderbaren Index zu versehen und unter diesem über die gesamte Dauer der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist auch zu verwalten. Die Unveränderbarkeit von Daten bzw. elektronischen Unterlagen kann dabei sowohl über den Einsatz von Hardware als auch über den Einsatz von Software gewährleistet werden.

Da sich die geforderte Revisionssicherheit nach herrschender Meinung stets als Kombination aus Hardware-, Software- und Prozesssicherheit darstellt, sollte auch Letztere noch Eingang (etwa in Form einer Definition, welche IT-Prozesse zum Begriff des ordnungsmäßigen DV-Systems gehören) in die finale Fassung der GoBD finden. Dies wird auch bereits im aktuellen BMF-Entwurf der GoBD angedeutet. Demnach erfüllt die bloße Ablage in einem Dateisystem die Anforderungen der Unveränderbarkeit regelmäßig nicht, weshalb es hierfür zusätzlicher Maßnahmen bedarf.

Eine Überraschung hält das BMF in Bezug auf die Interpretation der maschinellen Auswertbarkeit für Zwecke des Datenzugriffs bereit. Während bereits bislang eine maschinelle Auswertbarkeit bei Daten, Datensätzen, elektronischen Dokumenten und elektronischen Unterlagen gegeben war, die mathematisch-technische Auswertungen ermöglichen, soll dies – als Neuinterpretation der GoBD – nun auch dann der Fall sein, wenn bloß die Möglichkeit einer Volltextsuche besteht. Gerade die letztere Interpretation der maschinellen Auswertbarkeit dürfte in der fachlichen Diskussion durchaus kontrovers gesehen werden, da eine maschinelle Auswertbarkeit bislang zumeist mit einer IDEA-Auswertbarkeit gleichgesetzt wurde (IDEA = von der Finanzverwaltung eingesetzte Prüfsoftware). Was die Finanzverwaltung darüber hinaus mit Operationen meint, die auch ohne mathematisch-technische Auswertungen eine Prüfung im weitesten Sinne ermöglichen, bleibt zunächst ihr Geheimnis.

 

 

Praxishinweis:

Die GoBD wiederholen darüber hinaus eine Ur-Anforderung der GDPdU, wonach bei einer Umwandlung (Konvertierung) aufbewahrungspflichtiger Unterlagen in ein Inhouse-Format beide Versionen zu archivieren sind, diese unter demselben Index zu verwalten sind und die konvertierte Version als solche zu kennzeichnen ist. Unabhängig von der Frage nach der gesetzlichen Grundlage, die zur Aufbewahrung von Zwischenformaten verpflichtet, darf die Sinnhaftigkeit dieser Vorgabe in Zweifel gezogen werden. Ein entsprechender Identitäts-Nachweis lässt sich u.E. auch über eine Verfahrensdokumentation führen; die eigentlichen Zwischenformate wird die steuerliche Betriebsprüfung wohl ohnehin nie anfordern.

 

 

 

2. Elektronische Erfassung von Papierdokumenten (Scanvorgang)

Bei der Digitalisierung von Papierdokumenten (Scanvorgang) bedarf es – mit Blick auf die Vernichtung von Originalbelegen – stets einer Organisationsanweisung. Darin ist etwa zu regeln:

  • Wer darf scannen?
  • Zu welchem Zeitpunkt wird gescannt?
  • Welches Schriftgut wird gescannt?
  • Wie erfolgt die Qualitätskontrolle, oder wie wird die Fehlerprotokollierung sichergestellt?

Zu begrüßen ist dabei die Klarstellung, dass für Besteuerungszwecke eine elektronische Signatur nicht erforderlich ist. Werden die entsprechenden Vorgaben erfüllt, steht – wie bereits im BMF-Schreiben vom 29.1.2004 (IV B 7 – S 7280 – 19/04) ausgeführt – einer Vernichtung der Originalbelege dann nichts mehr im Wege, sofern nicht ausnahmsweise eine Aufbewahrung im Original vorgeschrieben ist (wie z.B. bei Zollbelegen, Notarurkunden oder Wertpapieren).

 

 

Kritischer Praxishinweis:

Widersprüchlich erscheinen jedoch die Ausführungen zur Aufbewahrung gescannter digitaler Unterlagen. Einerseits sind diese auf Basis des BFH-Beschlusses vom 26.9.2007 (I B 53, 54/07, DStRE 2008, 57) über die Dauer der Aufbewahrungsfrist lesbar zu halten und müssen insoweit am Bildschirm lesbar gemacht werden können. Dem Steuerpflichtigen dann jedoch aufzubürden, diese auf Verlangen der Finanzbehörde unverzüglich ganz oder teilweise doch wieder auszudrucken, erscheint u.E. unzumutbar und nicht konsequent. Ebenso praxisfremd erscheint die Vorgabe, im Anschluss an den Scanvorgang die weitere Bearbeitung ausschließlich auf das elektronische Dokument zu beschränken.

 

 

Soweit ergänzend eine OCR-Verarbeitung (Optical-Character-Recognition) erfolgt, fordert der BMF-Entwurf, dass auch die im Rahmen einer derartigen Verarbeitung gewonnenen Informationen inhaltlich aufzubewahren sind. Da es auch hier wiederum fraglich erscheint, ob derartige Informationen überhaupt vonseiten der steuerlichen Außenprüfung benötigt oder jemals angefordert werden, darf die Sinnhaftigkeit dieser Anforderungen durchaus infrage gestellt werden.

 

 

3. Verfahrensdokumentation

Der Entwurf des BMF-Schreibens nimmt sich an diversen Stellen der Frage der Notwendigkeit sowie der inhaltlichen Ausgestaltung einer Verfahrensdokumentation an. Danach erfordert die Nachprüfbarkeit der Bücher sowie der sonst erforderlichen Aufzeichnungen eine aussagekräftige und vollständige Verfahrensdokumentation, die sowohl die aktuellen als auch die historischen Verfahrensinhalte über die Dauer der Aufbewahrungsfrist nachweist. Dabei hat diese stets den in der Praxis eingesetzten Versionen des DV-Systems zu entsprechen; umgekehrt müssen die Inhalte der Verfahrensdokumentation auch so „gelebt“ werden.

Dabei widmet die Finanzverwaltung dem bislang häufig stiefmütterlich behandelten Thema „Verfahrensdokumentation“ gar einen eigenen Gliederungspunkt und führt darin aus: Die Verfahrensdokumentation bestehe in der Regel aus

  • einer allgemeinen Beschreibung,
  • einer Anwenderdokumentation,
  • einer technischen Systemdokumentation sowie
  • einer Betriebsdokumentation.

Insoweit lehnt sich das BMF erfreulicherweise an das an, was sich in der Wirtschaft heute als „Best Practice“ etabliert hat.

Beachtenswert erscheinen dabei auch die Ausführungen zur Belegfunktion. Demnach muss aus der Verfahrensdokumentation ersichtlich sein, wie elektronische Belege erfasst, verarbeitet und aufbewahrt werden.

 

 

Praxishinweis:

Soweit durch eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit beeinträchtigt wird, ist – auf Basis des BMF-Entwurfs – von einem formellen Mangel mit sachlichem Gewicht auszugehen, der nach Auffassung der Finanzverwaltung in letzter Konsequenz zum Verwerfen der Buchführung führen kann.

 

 

4. Datenzugriff

In Bezug auf den Datenzugriff der Finanzverwaltung ergänzt das BMF-Schreiben einzelne Aspekte, die sich seit der ursprünglichen Fassung der GDPdU ergeben haben. Die aus unserer Sicht wichtigste Ergänzung betrifft die Unterscheidung zwischen Produktiv- und Archivsystem.

Soweit Daten etwa in ein Archivsystem ausgelagert werden oder ein Systemwechsel stattfindet, sind auch weiterhin quantitativ und qualitativ die gleichen Auswertungen in der Art zu ermöglichen, als wären die aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten noch im Produktivsystem. Nur wenn dies nicht gelingt, ist die ursprüngliche Hard- und Software des Produktivsystems über die Dauer der Aufbewahrungsfrist vorzuhalten. Mit ihrer Zustimmung zur Auslagerung von steuerrelevanten Daten in eine Archivumgebung folgt die Finanzverwaltung einem zentralen Anliegen aus der Praxis und schafft so entsprechende Rechtssicherheit bei den Steuerpflichtigen.

 

 

5. Elektronische Rechnungen

In Bezug auf den elektronischen Rechnungsaustausch, welchem die Finanzverwaltung mit Datum vom 2.7.2012 (IV D 2 – S 7287-a/09/10004 :003) ein eigenes Schreiben gewidmet hat, findet sich eine erfreuliche Klarstellung im BMF-Entwurf: Bei Daten und Dokumenten kommt es grundsätzlich auf deren Inhalt und auf deren Funktion, nicht jedoch auf deren Bezeichnung an.

 

 

Beispiel elektronische Post:

E-Mails mit der Funktion eines Handels- und Geschäftsbriefs oder eines Buchungsbelegs sind in elektronischer Form aufzubewahren. Dient die E-Mail jedoch lediglich als Transportmittel und enthält insoweit auch keine weitergehenden aufbewahrungspflichtigen Mehrinformationen, so fällt die elektronische Post – in Analogie zum Briefumschlag – auch nicht unter eine etwaige Aufbewahrungspflicht.

Prominenter Anwendungsfall sind hier PDF-Rechnungen, die als „Attachment“ lediglich an eine E-Mail angehängt und mittels dieser transportiert werden.

 

 

An anderer Stelle finden sich dazu Ausführungen zum beleglosen Austausch von Geschäftsvorfällen. Im Fall belegloser Meldungen – Beispiel EDI (Electronic Data Interchange) – knüpft die Belegfunktion der jeweiligen Meldungen an die korrespondierenden Dateninhalte an, die entsprechend vollumfänglich aufzubewahren sind. An anderer Stelle wird darüber hinaus klargestellt, dass im DV-System empfangene EDI-Daten im Ursprungsformat aufzubewahren sind.

Neben EDI dürfte dies insbesondere für den XML-basierten Rechnungsaustausch von Bedeutung sein, der – Beispiel ZUGFeRD-Standard – ein immer breiteres Anwendungsspektrum in der Praxis einnimmt (mehr Informationen zum ZUGFeRD-Standard siehe PSP-Beitrag unter: http://www.psp.eu/media/allgemein/ZUGFeRD_04_04_2013.pdf).

 

 

6. Internes Kontrollsystem

Die Finanzverwaltung führt in einem gesonderten Abschnitt aus, welche Bedeutung sie dem internen Kontrollsystem (IKS) beimisst. Insbesondere hat der Steuerpflichtige folgende Schutzmechanismen einzurichten:

  • Zugangs- und Zugriffsberechtigungskontrollen,
  • Erfassungskontrollen,
  • Abstimmungskontrollen,
  • Verarbeitungskontrollen und
  • Schutzmaßnahmen gegen die Verfälschung von Programmen, Daten und Dokumenten.

Unternehmen, die einer Jahresabschluss-Prüfungspflicht unterliegen, sehen sich hier an die korrespondierenden Vorgaben des IDW PS 330 oder etwa der IDW RS FAIT 1 bis 3 erinnert.

 

 

Praxishinweis:

Können – bezogen auf die Datensicherheit – Daten, Datensätze, elektronische Dokumente und elektronische Unterlagen mangels Schutzvorkehrungen nicht mehr vorgelegt werden, ist die Buchführung formell nicht mehr ordnungsmäßig, so der BMF-Entwurf. Dabei ist sowohl die Beschreibung des IKS als auch die Beschreibung des Datensicherungskonzepts wiederum Bestandteil einer aussagekräftigen Verfahrensdokumentation.

 

 

7. Softwaretestate

Klargestellt wird: Die Finanzverwaltung erteilt Testate zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und damit zur Ordnungsmäßigkeit DV-gestützter Buchführungssysteme weder im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung noch im Rahmen einer verbindlichen Auskunft. Auch Zertifikate oder Testate Dritter entfalten gegenüber der Finanzbehörde keinerlei Bindungswirkung.

 

 

8. Fazit und Würdigung

Mit dem Entwurf der GoBD kommt die Finanzverwaltung dem Ruf nach einer Modernisierung der GoBS auf ihre Weise nach. Dazu wächst mit der Zusammenführung von GoBS und GDPdU zusammen, was zusammengehört.

Allerdings wurde auch eine große Chance vertan: Die in der AWV (Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V.) entwickelten „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beim IT-Einsatz“ (GoBIT) hätten die GoBD nicht nur bereichert, sondern zugleich einen Schulterschluss zwischen den Anliegen der Finanzverwaltung und jenen der Wirtschaft ermöglicht. Nun ist die Finanzverwaltung in der Pflicht, die GoBD als würdigen Nachfolger der GoBS zu etablieren. Neben der Beseitigung von Wiederholungen und der themenorientierten Zusammenführung von Einzelfragen bedarf es u.E. hierzu noch verschiedener Anpassungen und Ergänzungen.

So wäre es insbesondere wünschenswert, den Begriff der „maschinellen Auswertbarkeit“ nicht weiter auszuhöhlen und dem Steuerpflichtigen nur dahingehend eine Aufbewahrungspflicht aufzuerlegen, als die entsprechenden Daten in der Praxis auch zur Prüfung herangezogen werden. Mit Blick auf die Vermeidung von Medienbrüchen ist es zudem eher als Rückschritt zu werten, wenn die Finanzverwaltung – wie etwa bei der Frage der Bereitstellung gescannter Unterlagen – den zu prüfenden Unternehmen dann doch wieder eine Verpflichtung auferlegt, diese im Bedarfsfall auszudrucken. Zuletzt sollte das BMF-Schreiben jegliche technischen Einschränkungen – auch soweit diese nur kasuistisch (als Einzelfall) angeführt werden – meiden und insoweit ihrer Selbstverpflichtung einer Technologieneutralität konsequent nachkommen. Über den weiteren Verlauf sowie die Ereignisse der Verbandsanhörungen werden wir Sie auf dem Laufenden halten.

 

Dipl.-Kfm. Stefan Groß, Steuerberater, CISA, Peters, Schönberger & Partner GbR, München,

Christoph Möslein, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater, Peters, Schönberger & Partner GbR, München (Internet: www.psp.eu)

 

 

BC 5/2013

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