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Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung eines häuslichen Arbeitszimmers verfassungswidrig

BC-Redaktion
BVerfG-Pressemitteilung vom 29.7.2010 (Nr. 55/2010 – Auszug)

 

Mit dem Steueränderungsgesetz 2007 wurde die Abzugsmöglichkeit weiter eingeschränkt. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG erlaubt den Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nur noch, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Der Kläger des Ausgangsverfahrens, der beruflich als Hauptschullehrer tätig ist, nutzte täglich für zwei Stunden ein ausschließlich beruflich genutztes häusliches Arbeitszimmer. Die von ihm beantragte Zuweisung eines Arbeitsplatzes in der Schule zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts war vom Schulträger abgelehnt worden. Das Finanzamt ließ die vom Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 geltend gemachten Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer unberücksichtigt. Die deswegen vor dem Finanzgericht erhobene Klage führte zur Vorlage des Finanzgerichts.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit einer Mehrheit von 5:3 Stimmen entschieden, dass die Neuregelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, soweit die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann von der steuerlichen Berücksichtigung ausgeschlossen sind, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Der Gesetzgeber ist danach verpflichtet, rückwirkend auf den 1.1.2007 durch Neufassung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Die Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen die Vorschrift im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen.

Das Bundesverfassungsgericht billigte jedoch die Abschaffung der folgenden bis zum 31.12.2006 geltenden Regelung: Danach konnten die Aufwendungen für ein Arbeitszimmer nur dann steuerlich abgesetzt werden, wenn es für mehr als 50% der gesamten beruflichen Tätigkeit genutzt wurde.

 

 

Praxis-Info!

 

Aller Voraussicht nach wird der Gesetzgeber – zumindest teilweise – wieder zur „alten“ bis 31.12.2006 geltenden Regelung zurückkehren, welche weniger strenge Voraussetzungen an die Berücksichtigung von Aufwendungen für betrieblich oder beruflich genutzte häusliche Arbeitszimmer als Betriebsausgaben oder Werbungskosten vorsahen. Grund: Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich den mit dem Jahressteuergesetz 1996 eingeführten § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG a.F. für verfassungsmäßig erklärt. Im Kern:

a) uneingeschränkte Abzugsmöglichkeit, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet;

b) eingeschränkte Abzugsmöglichkeit (bis zu 1.250 €), wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50% der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeiten beträgt („50%-Fall“), oder

c) eingeschränkte Abzugsmöglichkeit (bis zu 1.250 €), wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

In der Streichung der bis Ende 2006 bestehenden „Regelung b)“ sieht das Bundesverfassungsgericht allerdings keinen Verstoß: Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, das zu mehr als 50% der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt wird, dürfen nicht abgesetzt werden. Grund: Der Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers ist allenfalls ein schwaches Indiz für dessen Notwendigkeit, wenn dem Steuerpflichtigen von seinem Arbeitgeber ein weiterer Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird. Es fehlt zudem an leicht nachprüfbaren objektiven Anhaltspunkten für die Kontrolle der Angaben des Steuerpflichtigen zum Umfang der zeitlichen Nutzung des Arbeitszimmers.

Folge: Es steht dem Gesetzgeber frei, das Abzugsverbot in Bezug auf die 50%-Nutzung („Regelung b)“) im Rahmen der erforderlichen Änderung des Einkommensteuergesetzes beizubehalten.

 

Praxishinweise:

  • Für noch nicht bestandskräftig veranlagte Jahre ab 2007 können die Aufwendungen für das Arbeitszimmer – sofern kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (z.B. bei Lehrern)! – erfolgreich geltend gemacht werden. Dabei können den Betroffenen eventuell Erstattungszinsen von 0,5% für jeden Monat (= 6% jährlich) ab dem Einkommensteuerbescheid 2007 gutgeschrieben werden.
    „50%-Nutzer“ („Regelung b)“) haben hingegen zu beachten: Sofern bei ihnen bezüglich der geltend gemachten Aufwendungen für das Arbeitszimmer Aussetzung der Vollziehung gewährt worden ist, wird eine etwaige Nachzahlung mit 0,5% für jeden Monat (= 6% jährlich) verzinst.

  • Bereits seit April 2009 sind Einkommensteuerbescheide und Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften ab dem Veranlagungszeitraum 2007 hinsichtlich der Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur noch vorläufig ergangen (Vorläufigkeitsvermerk). Da das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber keine Übergangsfrist bis zu einer Neuregelung eingeräumt hat (rückwirkende Beseitigung auf den 1.1.2007), ist es nicht mehr erforderlich, einen Einspruch einzulegen sowie einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einzureichen.
  • Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber einen größeren Gestaltungsspielraum hinsichtlich der künftigen gesetzlichen Regelung der Absetzbarkeit von Aufwendungen für ein Arbeitszimmer eingeräumt. Demzufolge kann beispielsweise der bis 31.12.2006 geltende Höchstbetrag von 1.250 € geändert werden.

  • Die wesentlichen Voraussetzungen an ein Arbeitszimmer, wenn es innerhalb des Wohnbereichs liegt, sind:
    – es darf kein „Durchgangszimmer“ sein (z.B. zur ständigen Durchquerung, um in andere Wohnbereiche zu gelangen, z.B. auf dem Flur oder in der Garderobe);
    – es muss ein separater Raum genutzt werden (abgetrennt durch eine Türe von den übrigen Wohnräumen); eine Kombination von Gäste- und Arbeitszimmer ist hinsichtlich der Absetzbarkeit der Kosten unzulässig.

  • Nicht betroffen von dem BVerfG-Urteil sind diejenigen, die im Unternehmen einen Arbeitsplatz haben und nur gelegentlich zu Hause arbeiten. Denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts betrifft nur die Fallgruppe „kein anderes Arbeitszimmer“. Diese Arbeitnehmer können allerdings nach wie vor ihre Aufwendungen für Arbeitsmittel (z.B. Computer/Notebook, Schreibtisch, Bücherregal, Telefon, Schreibwaren usw.) steuerlich absetzen.

 

 

 

Für selbstständige Bilanzbuchhalter/innen und Controller/innen sind folgende Fälle zu unterscheiden (vgl. Plenker, BC 10/2006, S. 259):

  1. Erledigen sie ihre Kerntätigkeiten (z.B. Verbuchen laufender Geschäftsvorfälle, Lohnabrechnungen, Kundenakquisition per Telefon) ganz überwiegend in ihrem häuslichen Arbeitszimmer, wo sie auch mit der entsprechenden Hard- und Software für diese Aufgaben ausgestattet sind, stellt dies den „Mittelpunkt der betrieblichen Betätigung“ dar. Gelegentliche Kundenbesuche, um beispielsweise Arbeitsaufträge bzw. Unterlagen in Empfang zu nehmen sowie erledigte Arbeiten abzuliefern, würden dann noch nicht zum Kernbereich der beruflichen Betätigung zählen. Generell darf den Tätigkeiten beim Kunden vor Ort lediglich eine untergeordnete Bedeutung gegenüber den im Arbeitszimmer verrichteten Aufgaben zukommen.
    Folge: Nach wie vor uneingeschränkte Abzugsmöglichkeit der Aufwendungen für das Arbeitszimmer – „Regelung a)“.
  2. Führen sie hingegen beispielsweise betriebswirtschaftliche Beratungsgespräche vor Ort in den Unternehmen durch, dürfte zwar das Zentrum der beruflichen Betätigung – insbesondere wegen der Art der Tätigkeit und weniger aufgrund des Zeitaufwands – in der Regel nicht mehr das häusliche Arbeitszimmer sein. Aber: Sofern ihnen – nachweislich – kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, sollte zumindest einer eingeschränkten Abziehbarkeit der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer als Betriebsausgaben nichts im Wege stehen.
    Folge: eingeschränkte Abzugsmöglichkeit (ggf. bis zu 1.250 € – künftig anderer Höchstbetrag möglich) der Aufwendungen für das Arbeitszimmer – „Regelung c)“.

  3. Dies dürfte jedoch nicht möglich sein bei Selbstständigen, die wesentliche Teile ihrer Aufgaben (wie Lohnabrechnung, Debitorenmanagement, Kalkulation, Planung) beim Kunden erledigen, um u.a. dessen betriebswirtschaftliche Softwarelösung vor Ort zu nutzen oder strittige Geschäftsvorfälle direkt klären zu können.
    Folge: keine Abzugsmöglichkeit der Aufwendungen für das Arbeitszimmer – „Regelung b)“.

  4. Interessant könnte es ggf. noch hinsichtlich der künftigen Regelung bei nebenberuflich selbstständig tätigen Arbeitnehmern werden. Denn diese nutzen für ihre nebenberufliche Tätigkeit (z.B. als Mitarbeiter eines Lohnsteuerhilfevereins) ausschließlich ihr häusliches Arbeitszimmer. Sofern ihnen für diese Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, müssten auch sie in den Genuss der eingeschränkten Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer als Betriebsausgaben kommen (ggf. bis zu 1.250 € – künftig anderer Höchstbetrag möglich) – „Regelung c)“.
    Absurd wäre es, wenn ihnen der Arbeitsplatz für ihre hauptberufliche Tätigkeit sozusagen „angelastet“ bzw. im negativen Sinn „angerechnet“ würde. Denn die nebenberuflich selbstständige Tätigkeit kann ja nicht am hauptberuflichen Arbeitsplatz vorgenommen werden; die nebenberuflich selbstständigen Leistungen werden in der Regel nicht für das Angestelltenverhältnis erbracht.

 

[Anm. d. Red.]

 

BC 8/2010

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