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Voraussetzungen für die organisatorische Eingliederung bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft

Christian Thurow

FG Münster, Urteil vom 18.6.2019, 15 K 3739/16 U (Revision zugelassen)

 

Eine umsatzsteuerliche Organschaft setzt eine finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung des Tochterunternehmens in das Unternehmen des Organträgers voraus. Doch ab wann kann man von einer organisatorischen Eingliederung ausgehen? Diesen Sachverhalt hat nun das Finanzgericht (FG) Münster ein wenig erhellt.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Klägerin – eine Konzernobergesellschaft – hielt sämtliche Anteile an einem Tochterunternehmen. Zwischen den Gesellschaften bestanden vielfältige Verflechtungen:

  • Das Rechnungswesen der beiden Gesellschaften war eng miteinander verknüpft. Es bestand ein standardisierter Informationsaustausch. Entscheidungen in Einzelfragen auf Ebene des Tochterunternehmens waren mit dem zuständigen Leiter des Rechnungswesens der Muttergesellschaft abzustimmen.
  • Die Finanzbuchhaltung des Tochterunternehmens war auf das Mutterunternehmen ausgelagert.
  • Das Rechnungswesen der Muttergesellschaft erledigte die Buchführungskoordination und die Erstellung von Benutzerkonten für die Tochtergesellschaft.
  • Der Mutter- und Tochterunternehmen stimmten sich über die Risikostrategie ab.
  • Die quartalsweisen Risikoberichte der Tochtergesellschaft wurden vor Versendung an die Aufsichtsbehörden mit dem Vorstand der Muttergesellschaft besprochen.
  • Mutter- und Tochterunternehmen benutzten eine einheitliche EDV-Struktur. Das Hosting der Server wurde durch die Muttergesellschaft vorgenommen.
  • Das Bürogebäude der Tochtergesellschaft befand sich im Eigentum der Muttergesellschaft.

Im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung kam das Finanzamt zu der Auffassung, dass zwischen Mutter- und Tochterunternehmen keine umsatzsteuerliche Organschaft bestehe, da das Kriterium der organisatorischen Eingliederung nicht erfüllt sei.

 

 

 

Abb.: Wirkungen der umsatzsteuerlichen Organschaft

 

 

Lösung

Das FG Münster schließt sich der Auffassung des Finanzamts an. Eine organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft auch wirklich wahrgenommen wird. Es reicht nicht aus, wenn die Muttergesellschaft bei der Tochtergesellschaft lediglich eine von ihrem Willen abweichende Willensbildung ausschließen kann. Eine organisatorische Eingliederung liegt regelmäßig vor, wenn in den Leitungsgremien von Mutter- und Tochtergesellschaft eine Personenidentität besteht.

Liegt keine Personenidentität vor, so können institutionell abgesicherte, unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung eine organisatorische Eingliederung bewirken. Ein solcher Einfluss muss Dritten gegenüber nachweisbar sein oder sich aus anderen Merkmalen ableiten lassen – z.B. wenn eine Haftung der Geschäftsleitung des Tochterunternehmens vorliegt, sofern diese von den Anweisungen der Muttergesellschaft abweichen würde.

An einem solchen Einfluss auf die laufende Geschäftsführung fehlt es im Ausgangsfall. Ein gemeinsames Rechnungswesen, eine umfassende Kooperation in IT-Angelegenheiten sowie die Anmietung des Bürogebäudes von der Muttergesellschaft bewirken keinen rechtlich verbindlichen Einfluss auf die laufende Geschäftsführung. Auch die Pflicht zur Berichterstattung allein bewirkt keinen rechtlich verbindlichen Einfluss auf die laufende Geschäftsführung.

Mangels der organisatorischen Eingliederung liegt somit im Ausgangsfall keine umsatzsteuerliche Organschaft vor.


 

 

Praxishinweis:

Zur Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft müssen die folgenden drei Eingliederungsmerkmale kumulativ erfüllt sein:

  • finanzielle Eingliederung,
  • organisatorische Eingliederung und
  • wirtschaftliche Eingliederung.

Eine finanzielle Eingliederung setzt die mittel- bzw. unmittelbare Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft voraus. Darüber hinaus erfordert die wirtschaftliche Eingliederung das Erbringen entgeltlicher Leistungen, die für das empfangende Organunternehmen zu mehr als nur einer unbedeutenden Entlastung führen. Erbringt der Gesellschafter gegen Entgelt administrative Leistungen (z.B. Buchhaltung, Personalwesen etc.), so reicht dies in der Regel nicht aus, um eine wirtschaftliche Eingliederung zu bejahen.


 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 8/2019

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