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Nachträgliche Herstellungskosten eines Gebäudes

BC-Redaktion

FG Niedersachsen Urt. v. 17.3.2023 – 15 K 17/21 (Revision zugelassen)

 

Bei der Prüfung, ob nachträgliche Herstellungskosten in der Fallgruppe der Erweiterung vorliegen (§ 255 Abs. 2 S. 1 HGB), kommt es wegen des Ausreichens auch geringfügiger Erweiterungsmaßnahmen nicht darauf an, ob das Gebäude ein einheitliches Wirtschaftsgut darstellt oder in mehrere Wirtschaftsgüter zu untergliedern ist.

Eine Baumaßnahme an einem zu anderen als Wohnzwecken genutzten Gebäude führt zu nachträglichen Herstellungskosten in der Variante der wesentlichen Verbesserung (§ 255 Abs. 2 S. 1 HGB), wenn die Maßnahme bezogen auf die betroffene Teilfläche entweder zu einer Standardhebung in drei der vier für Wohngebäude zentralen Ausstattungsbereichen führt oder wenn die Baumaßnahme unter Berücksichtigung der betrieblichen Zielsetzung des Nutzers der von der Baumaßnahme betroffenen Fläche eine bessere oder eine völlig neue Nutzungsmöglichkeit schafft.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Streitig ist, ob die Aufwendungen für Umbaumaßnahmen in einem vermieteten Geschäftshaus im Jahr ihrer Entstehung vollständig steuerlich abziehbar sind (Erhaltungsaufwendungen). Umgebaut wurde das Erdgeschoss wegen Umnutzung durch andere Gewerbetreibende (Umbaukosten ca. 500.000 €), u.a.

  • Einbau zusätzlicher Fenster, neuer Innentüren sowie von Noteingangstüren,
  • Entfernung von Bestandsinnenwänden,
  • Verbauung neuer Trennwände zur Schaffung zusätzlicher abgeschlossener Räume,
  • Einbau neuer Eingangsbereiche,
  • Ersatz des vorhandenen Bodenbelags durch Bodenfliesen, Teppichboden bzw. PVC-Plankenbelag,
  • Erneuerung der bereits vorhandenen abgehängten Decken im Verkaufsraum,
  • Neuanstrich mit Dispersionsfarbe,
  • Ergänzung der Frisch- und Abwasserinstallationen sowie der Elektroinstallationen,
  • Einbau einer elektromechanischen Be- und Entlüftungsanlage,
  • Installation neuer Heizkörper,
  • Erneuerung des Schmutz- und Regenwasserkanals.

    Infolge der Umbaumaßnahmen erhöhten sich im Erdgeschoss die Mieteinnahmen um über 170% (+ 45% bezogen auf das Gesamtgebäude).

In ihrer Gewinnermittlung erfasste die Eigentümerin die gesamten Umbaukosten als sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand.

Das Finanzamt folgte dem nicht. Lediglich rund 50.000 € der Umbaukosten seien sofort abziehbar (u.a. Malerarbeiten, Reinigungsleistungen, 50% der als Sonderleistungen abgerechneten Maßnahmen im Bereich Sanitär- und Heizungsarbeiten). Die übrigen 450.000 € stellten Herstellungskosten dar. Die Herstellungskosten wurden wie folgt aufgeteilt:

  • Betriebsvorrichtung (Werbeaußenanlage/Pylon auf einer Verkehrsinsel nebst Fassadenbeleuchtung) mit einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 5 Jahren und
  • Gebäude mit einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 33 1/3 Jahren (AfA 3% p.a.).

Begründung: Die beschriebenen Umbaumaßnahmen führten zu einer Mehrung der Bausubstanz sowie sowie zu einer anderen bzw. besseren Nutzbarkeit des Erdgeschosses (Erweiterung und wesentliche Verbesserung im Sinne des § 255 Abs. 2 S. 1 HGB).

Durch den Einbau neuer Trennwände, die Errichtung eines zweiten Eingangsbereichs und die Schaffung zusätzlicher Sanitäranlagen sei die Substanz des Gebäudes vermehrt worden. Die Teilung der Erdgeschossfläche in zwei separat vermietbare Einheiten stelle auch eine wesentliche Verbesserung dar; denn mit ihr werde eine neue betriebliche Verwendungsmöglichkeit geschaffen, die mit einer Hebung des Standards bei einer Wohnzwecken dienenden Fläche vergleichbar sei.

 

 

Lösung

Es bestehen zu Recht überwiegend nachträgliche Herstellungskosten des Gebäudes.

Aufwendungen für Baumaßnahmen an einem Bestandsgebäude oder -gebäudeteil können

  • als nachträgliche Herstellungskosten oder
  • als sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand

zu qualifizieren sein. Die Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten ist bei Gebäuden grundsätzlich wirtschaftsgutsbezogen durchzuführen. Aus steuerlicher Sicht kann ein Gebäude ein einziges Wirtschaftsgut sein oder sich in mehrere Wirtschaftsgüter untergliedern. Dies hängt von der Art der Nutzung ab (z.B. zu eigenen oder fremden Wohnzwecken, zu eigen- oder fremdbetrieblichen Zwecken).

Die kleinste mögliche der Wirtschaftsgutseigenschaft fähige Untereinheit in einem Gebäude ist ein einzelner durch Wände, Decken, Fenster und Türen umschlossener Raum. Selbst bei einer einheitlichen steuerlichen Zweckbestimmung des Gesamtgebäudes (z.B. Nutzung zu fremden Wohnzwecken) können aufgrund einer Baumaßnahme in einer einzelnen Wohnung Herstellungskosten vorliegen, wenn hierdurch ein Standardsprung entstanden ist.

 

1. Substanzmehrung

Im Streitfall stellt die Baumaßnahme eine grundlegende Umgestaltung von Innenräumen dar. Die Zweckbestimmung des Gebäudes ist nach wie vor eine Fremdnutzung durch gewerbliche Mieter. Aufgrund des Einbaus bislang nicht vorhandener Bestandteile, die mit einer Erweiterung seiner Nutzungsmöglichkeiten einhergehen (Funktionserweiterung), liegt eine Erweiterung (Substanzmehrung) des Gebäudes vor. Die Aufwendungen hierfür sind als nachträgliche Herstellungskosten zu qualifizieren. So liegen beispielsweise bei den Aufwendungen für die Errichtung der sanitären Anlagen, für den Einbau zusätzlicher Fenster einschließlich der Schaufensteranlage und Eingangstüren, der Innentüren und Innenwände sowie der Lüftungsanlage nachträgliche Herstellungskosten in der Variante der Erweiterung nach § 255 Abs. 2 S. 1 Var. 2 HGB vor (mehr als eine reine Bestandssanierung)

Beispiele:

  • Die sanitären Anlagen des Erdgeschosses nehmen im Vergleich zum baulichen Zustand vor der Maßnahme eine rund dreimal so große Grundfläche ein und verteilen sich auf mehr Standorte innerhalb des Erdgeschosses.
  • Der Einbau zusätzlicher Fenster bei gleichzeitiger Schaffung zusätzlicher, abgeschlossener Räume ermöglicht das Einrichten von Büros oder einen ständigen Aufenthalt zu anderen Zwecken in diesen nunmehr tageslichtbelichteten Räumen.

In ihrer Gesamtheit gehen somit die zusätzlich verbauten unselbstständigen Gebäudeteile mit einer Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten des Gebäudes einher.

 

Fokus:

Die Erweiterung eines Gebäudes führt nur dann zu Herstellungskosten, wenn die Substanzmehrung mit einer Funktionserweiterung bzw. -änderung einhergeht oder umgekehrt die Funktionserweiterung in Verbindung mit einer Substanzmehrung steht.

 

 

 

Als weiteres Indiz einer erweiterten bzw. verbesserten Nutzungsmöglichkeit der Erdgeschossfläche tritt die mit dieser Fläche erzielbare Miete hinzu (Steigerung um mehr als das Zweieinhalbfache). Die Umbaumaßnahmen zielten auch darauf ab, die Erdgeschossfläche für eine zahlungskräftigere Art von Gewerbemietern nutzbar zu machen und somit eine höhere Miete zu erzielen. Dies stellt eine verbesserte Nutzungsmöglichkeit dar.

Sowohl die Elektroinstallation als auch die Heizkörper nebst dem dafür erforderlichen Rohrsystem sind an die bestehende Elektro- bzw. Heizungsanlage des Gebäudes angeschlossen und in diese eingebunden worden. Die Fassadenverkleidung wurde lediglich an die neuen baulichen Gegebenheiten angepasst. Für sich genommen stellen diese Aufwendungen keine Substanzmehrung dar. Allerdings greifen die nicht als Erweiterung einzustufenden Maßnahmen vorliegend mit den Erweiterungsmaßnahmen bautechnisch ineinander (einheitliche Baumaßnahme). So ist es z.B. aufgrund der Neugestaltung des Grundrisses (Substanzmehrung durch Einbau neuer Wände) erforderlich, die Elektrounterverteilung neu zu verlegen und die Heizkreise einschließlich der Heizkörper zu erneuern. Die völlige Neugestaltung der Sanitärflächen hat ihrerseits den Rückbau und Neuaufbau des bisherigen Fußbodenbelags auf der gesamten Fläche erforderlich gemacht usw.

 

2. Wesentliche Verbesserung

Last, not least dürften die durchgeführten Maßnahmen auch die Voraussetzungen einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung erfüllen (vgl. § 255 Abs. 2 S. 1 Var. 3 HGB).

Erster Prüfschritt hierzu: In mindestens drei von vier Kernbereichen der Ausstattung (Fenster, Heizung, Elektrik, Sanitäranlagen) hat eine Hebung des Standards von sehr einfach auf mittel oder von mittel auf sehr anspruchsvoll stattzufinden. Die für Wohnzwecke aufgestellten Kriterien gelten dann analog für eine fremdbetriebliche Nutzung. Im Streitfall haben die Baumaßnahmen in den Bereichen Bestandsfenster, Elektroinstallation und Heizungsanlage sowie Fassadenverkleidung und Erneuerung der Böden (Bodenbeläge, Fliesen) – abgesehen von den sanitären Anlagen, bei denen bereits eine Erweiterung vorliegt – nicht zu einer wesentlichen Verbesserung im Vergleich zum ursprünglichen Zustand geführt. Es handelt sich im Wesentlichen um zeitgemäße Erneuerungen.

Liegt keine in dieser Weise definierte Standardhebung vor, ist bei einer gewerblichen Nutzung weiterhin zu prüfen, ob die Baumaßnahme gemessen an der betrieblichen Zielsetzung des gegenwärtigen oder künftigen Nutzers zu einer deutlich verbesserten oder einer anderen Nutzungsmöglichkeit geführt hat (nächste Prüfstufe). Im vorliegenden Fall hat der Umbau des Erdgeschosses zu einer neuen Nutzungsmöglichkeit geführt. Nach der Baumaßnahme standen zwei kleinere, deutlich stärker untergliederte und eigenständig nutzbare Flächen zur Verfügung. Die Schaffung der neuen Nutzungsmöglichkeit hat schließlich auch aus einem anderen Grund die Qualität einer wesentlichen Verbesserung: Die mit dem Erdgeschoss erzielte Kaltmiete hat sich bei gleichgebliebener Fläche etwa um den Faktor 2,75 erhöht und mithin nahezu verdreifacht (bessere wirtschaftliche Ausnutzung der Fläche).

 

 

Praxishinweise:

Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen bilden unabhängig von ihrer Höhe Herstellungskosten, wenn sie gemäß § 255 Abs. 2 S. 1 HGB

  • für eine Erweiterung des Gebäudes entstehen (z.B. Geschossaufstockung, Einsetzen von zusätzlichen Trennwänden, Errichten einer Außentreppe) oder
  • zu einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung führen (deutliche Erhöhung des Gebrauchswerts des Gebäudes insgesamt); „Standardhebung“ bei drei der vier zentralen Ausstattungsmerkmale: Fenster – Elektro – Sanitär – Heizung („FESH-Formel“).

Diese Aufwendungen sind dann hinzuzuaktivieren und im Wege der AfA zu berücksichtigen.

Die Höhe der AfA für das vor dem Jahr 2022 (1974) errichtete Gebäude hätte eigentlich 2% p.a. betragen müssen (vgl. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, Fassung bis VZ 2022). Denn das Gebäude gehört nicht zu einem Betriebsvermögen, da Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden. Auf eine betriebliche Nutzung durch die Mieter kommt es nicht an (im Privatvermögen gehaltenes Gebäude).

Im vorliegenden Fall wurde stattdessen eine AfA von 3% p.a. angesetzt (angenommene Lebensdauer des Gebäudes von 33 1/3 Jahren).

 

[Anm. d. Red.]

 

 

 

BC 7/2023

BC2023719

 

 

 

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