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Mehrere Betätigungen derselben natürlichen Person: Einheitlicher Steuergegenstand

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 17.6.2020, X R 15/18

 

Viele selbstständige Unternehmer sind recht umtriebig und üben mehrere gewerbliche Tätigkeiten aus. Doch handelt es sich bei diesen Tätigkeiten um einen einheitlichen Betrieb oder um mehrere selbstständige Betriebe? Der BFH hat die zugrunde zu legenden Kriterien hierfür nun spezifiziert.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger betrieb in demselben Gebäude ein Eiscafé und einen Grillimbiss. Die Geschäftsräume waren nicht miteinander verbunden; allerdings wurde die Kundentoilette von Gästen aus beiden Betätigungen benutzt. Für beide Betätigungen gab es nur eine einheitliche Telefonnummer und eine einheitliche Telefaxnummer. Tische und Stühle in der Außengastronomie wurden gemeinsam genutzt. Der zum Betriebsvermögen des Grillimbisses gehörige Firmenwagen wurde auch für Zwecke des Eiscafés verwendet. Wareneinkäufe für beide Betätigungen wurden teilweise gemeinsam vorgenommen. Für beide Betätigungen wurde ein separates Girokonto geführt.

Während der Grillimbiss einen Gewinn von rund 60.000 € p.a. erzielte, erwirtschaftete das Eiscafé einen Verlust von rund 25.000 €. Aus Sicht des Klägers waren beide Betätigungen zu einem einheitlichen Gewerbebetrieb zusammenzufassen.

Finanzamt und erstinstanzliches Finanzgericht vertraten dagegen die Auffassung, ein organisatorischer und finanzieller Zusammenhang zwischen den beiden Betätigungen sei zwar vorhanden gewesen, nicht jedoch ein wirtschaftlicher. Ohne wirtschaftlichen Zusammenhang könne aber kein einheitlicher Gewerbebetrieb vorliegen, weshalb Eiscafé und Grillimbiss einzeln zu veranlagen seien.

 

 

Lösung

Der BFH gibt der Revision statt, kann aber auf Basis der bisherigen Faktenlage nicht abschließend entscheiden.

Übt eine natürliche Person mehrere gewerbliche Tätigkeiten aus, können diese gewerbesteuerrechtlich entweder einen einheitlichen Betrieb oder mehrere selbstständige Betriebe bilden. Die Beurteilung, ob ein einheitlicher oder mehrere selbstständige Betriebe vorliegen, erfolgt anhand der folgenden Kriterien:

  • Unterscheidung zwischen gleichartiger und ungleichartiger Betätigung;
  • Vorliegen eines sachlichen – d.h. finanziellen, organisatorischen und wirtschaftlichen – Zusammenhangs. Die Mindestintensität des sachlichen Zusammenhangs unterscheidet sich bei gleich- und ungleichartiger Betätigung. Beispiele für die Teilmerkmale sind:
    – Finanziell: Gemeinsame Kassen, Konten, Kostentragung etc.
    – Organisatorisch: Nutzung derselben Räumlichkeiten und Mitarbeiter
    – Wirtschaftlich: Stützung oder Ergänzung der jeweiligen Betätigungen.

Liegt eine gleichartige Tätigkeit vor, ist grundsätzlich von einem einheitlichen Betrieb auszugehen, es sei denn, es sprechen besondere Gründe dagegen. Zwar muss ein sachlicher Zusammenhang vorliegen, doch müssen nicht alle drei Teilmerkmale kumulativ erfüllt sein.

Bei ungleichartigen Tätigkeiten verhält es sich umgekehrt. Es liegen in der Regel selbstständige Betriebe vor, es sei denn, es liegt ein hoher sachlicher Zusammenhang vor. Hierzu ist insbesondere ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang erforderlich. Dabei steigt das notwendige Maß des für eine Zusammenfassung der Betätigungen erforderlichen sachlichen Zusammenhangs in Abhängigkeit vom zunehmenden Grad der Verschiedenartigkeit der Betätigungen.

Anders als das Finanzamt und das erstinstanzliche Finanzgericht sieht der BFH im Ausgangsfall die Betätigungen des Klägers als gleichartig an, da es sich jeweils um eine gastronomische Betätigung handelt. Daher hat das Finanzgericht den Fall erneut zu würdigen. Der BFH weist zusätzlich darauf hin, dass es gewerbesteuerrechtlich nicht nur die Möglichkeit des einheitlichen Betriebs oder der vollkommen getrennten Betriebe, sondern auch die des aus mehreren Teilbetrieben bestehenden einheitlichen Betriebs gibt. Ein Teilbetrieb ist dabei ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteter Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist. Das Finanzgericht hat dies bei der weiteren Sachverhaltsaufklärung zu berücksichtigen.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 12/2020

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