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Bundesarbeitsgericht urteilt über Erteilung einer „Datenkopie“ nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO

Dr. Dominik Sorber

BAG-Urteil vom 27.4.2021, 2 AZR 342/20

 

Zuletzt bestimmten Corona-Themen die Diskussionen im Arbeits- und Compliance-Bereich. Am 27.4.2021 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) – abseits von Corona-Rechtsfragen – erstmals über zentrale Rechtsfragen zum Beschäftigtendatenschutz.


 

 

Praxis-Info!

Dem BAG lag eine Entscheidung vor, in der ein gekündigter Arbeitnehmer (Wirtschaftsjurist) von seinem ehemaligen Arbeitgeber u.a. die Herausgabe sämtlicher E-Mails verlangte. Rechtlich stellte sich also die Frage nach der Reichweite des Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 DS-GVO (Datenschutz-Grundverordnung). Das BAG kam erfreulicherweise – aus Unternehmenssicht – zu dem Ergebnis, dass ein solch (weitreichender) Anspruch nicht besteht. Allerdings dürfte hier das letzte Wort noch nicht gesprochen sein; denn das BAG verneinte diese Frage „nur“ mit formellen, nicht aber mit datenschutzrechtlichen Gründen.

 

 

Entscheidung des BAG

Das BAG entschied, dass das Unternehmen die E-Mails nicht an den ehemaligen Arbeitnehmer herausgeben muss. Im Ergebnis nahm das BAG zur Reichweite des Auskunftsanspruchs nicht Stellung. Hier müssen die ausführlichen Entscheidungsgründe abgewartet werden, ob das BAG zumindest „zwischen den Zeilen“ etwas zum Umfang oder zur Reichweite des Anspruchs auf eine „Datenkopie“ gesagt hat. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesem Thema folgt voraussichtlich in der BC-Ausgabe 6/2021.

 

 

Zum Hintergrund

Erstmals lag dem BAG eine Rechtsfrage zur Reichweite des Auskunftsanspruchs nach der DS-GVO vor. Auskunftsansprüche erfreuen sich in der Unternehmens- und damit in der anwaltlichen Beratungspraxis – vor allem in Trennungsszenarien oder wie in der dem BAG zugrunde liegenden Entscheidung in laufenden Kündigungsschutzprozessen – immer größerer Beliebtheit. Denn damit bezwecken Arbeitnehmer(vertreter), den Druck auf den Geldbeutel der Unternehmen zu erhöhen und diesen prozesstaktisch einzusetzen. Der eigentliche Zweck des Auskunftsanspruchs tritt damit erkennbar in den Hintergrund. Denn die DS-GVO bezweckt eigentlich den Schutz der informationellen Selbstbestimmung.

 

 

Praxistipp: Unternehmen sollten Auskunftsanspruch ernst nehmen – warum?

Unternehmen sollten Auskunftsverlangen ernst nehmen, da hier doppelte Sanktionen drohen können und noch Rechtsunsicherheiten zum richtigen Umgang bestehen. Aus Compliance-Sicht (Überwachung der Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften) sollten Unternehmen vorerst noch einen sicheren Weg einschlagen.

Zum einen droht bei nicht bzw. nicht fristgerechter oder nicht ordnungsgemäßer Auskunft die höchste Bußgeldandrohung aus der DS-GVO (zur Erinnerung: bis zu € 20 Mio. oder von bis zu 4% des weltweit erzielten Vorjahresumsatzes). Zum anderen steht dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch zu, den die Arbeitsgerichte in Deutschland aktuell mit einem fünfstelligen Betrag beziffern, wobei auch hier höhere Beträge zumindest denkbar sind. Die DS-GVO schreibt wörtlich, dass die Sanktionen „abschreckend“ sein sollen. Grund genug für Unternehmen, ihre diesbezüglichen Compliance-Prozesse zu prüfen bzw. neu aufzustellen.

 

 

Kurz-Check Compliance-Prozesse

Welche Maßnahmen hält Ihr Unternehmen bereit, um auf Auskunftsansprüche schnell, also unverzüglich, zu reagieren? Umso kürzer Ihre Antwort ausfällt, desto gewichtiger sollte die Priorisierung auf Ihrer Agenda vorgenommen werden.

 

 

Umsetzungscheck

Unternehmen sollten hier klare Abläufe definieren. Grundsätzlich ist der Auskunftsanspruch innerhalb eines Monats zu erfüllen (gegebenenfalls Verlängerung um zwei weitere Monate möglich). Es bestehen, je nach Auskunftskonstellation, verschiedene Reaktionsmöglichkeiten, auf die Sie vorbereitet sein sollten. So können z.B. die Auskunftssuchenden aufgefordert werden, Ihr Auskunftsverlangen zu präzisieren. Auch sollte eine Identitätsprüfung erfolgen, damit Auskünfte nicht an unberechtigte Person gehen. Es bestehen weitere Möglichkeiten, wie Unternehmen auf ein Auskunftsbegehren reagieren können. Eine abschließende Darstellung kann aufgrund der verschiedenen Konstellationen nicht aufgeführt werden.

 

 

Praxisfolgen:

Für Unternehmen gilt, dass sie sich nicht auf eine höchstrichterliche Rechtsprechung zum Umfang und zur Einschränkung des Auskunftsanspruchs berufen können. Vielmehr sollten Unternehmen anhand der gesetzlichen Vorgaben eine Einschränkung des Auskunftsverlangens gestalten. Dies ist beispielsweise möglich, wenn durch die Auskunft Rechte und Freiheiten anderer Personen verletzt werden oder der Auskunftssuchende mit dem Auskunftsverlangen Informationen zu einem laufenden Rechtsstreit für seine Vorteile erlangen will. Die DS-GVO bietet Gestaltungs- und Argumentationsspielräume, die genutzt werden sollten. Nicht zuletzt das Prozessrecht zieht dem (unerwünschten) Auskunftsanspruch eines (ausgeschiedenen) Arbeitnehmers Grenzen.

 

Dr. Dominik Sorber, Rechtsanwalt bei BEITEN BURKHARDT in München und Mitglied der Praxisgruppe Arbeitsrecht. Der Autor berät nationale und internationale Mandanten auf dem gesamten Gebiet des Beschäftigtendatenschutzes und des Arbeitsrechts.

 

 

BC 5/2021 

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