CHB_RSW_Logo_mit_Welle_trans
JuS_Logobasis_Linsenreflex
Menü

Aktuelles BGH-Urteil: Rückschlag für die allgemeine Anerkennung selbstständiger Bilanzbuchhalter/innen

Christian Thurow

BGH-Urteil vom 2.5.2019, IX ZR 11/18

 

Seit Jahren bemühen sich selbstständige Bilanzbuchhalter um eine Ausweitung ihrer Tätigkeitsbefugnisse. In einem aktuellen Urteil kommt der BGH nun zu dem Schluss, dass die Steuerberatung einen Dienst höherer Art im Sinne des § 627 Abs. 1 BGB darstellt. Dies gilt nicht für die Durchführung der Finanz- und Lohnbuchhaltung, „weil diese Tätigkeit keine besondere wissenschaftliche, künstlerische oder technische Vorbildung erfordert“.


 

 

Praxis-Info!

 

Hintergrund

Im Ausgangsfall schloss ein Steuerberater mit einem Mandanten einen langfristigen Vertrag über die „Erstellung der Jahresabschlüsse einschließlich Gewinn- und Verlustrechnung, Jahressteuererklärungen, Buchführungsarbeiten sowie Beratung in allen steuerlichen Angelegenheiten einschließlich Rechtsbehelfe“. Nach ein paar Monaten kündigte der Mandant den Vertrag fristlos. Der Steuerberater erkannte die fristlose Kündigung nicht an und begehrte die Zahlung der sich aus dem Vertrag ergebenden Honorare.

Wie schon die vorinstanzlichen Gerichte sieht auch der BGH die fristlose Kündigung als zulässig an. Die fristlose Kündigung eines Vertrags ist bei einer Vertrauensstellung zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete Dienste höherer Art zu leisten habe. Die Erstellung der Jahresabschlüsse, der Jahressteuererklärungen und der Beratung in allen steuerlichen Angelegenheiten stellen Dienste höherer Art dar, weil sie typischerweise Einblicke in die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten gewähren und diese Einblicke nur aufgrund persönlichen Vertrauens in die Person des Steuerberaters gewährt werden.

Laut BGH wird die fristlose Kündigung auch nicht dadurch verhindert, dass sich die praktische Durchführung des Vertrags bis zur Kündigung auf Buchführungstätigkeiten beschränkt habe. Es folgen einige „interessante“ Feststellungen des BGH:

  • „Die Durchführung der Finanz- und Lohnbuchhaltung hat für sich genommen keine Dienste höherer Art (§ 627 Abs. 1 BGB) zum Gegenstand (…), weil diese Tätigkeit keine besondere wissenschaftliche, künstlerische oder technische Vorbildung erfordert.“
  • „Die nicht dem Steuerberater vorbehaltene Buchhaltung gehört mangels Notwendigkeit einer besonders qualifizierten Vorbildung nicht zu den Dienstleistungen höherer Art.“
  • „Die Verbuchung der laufenden Geschäftsvorfälle erfordert keine besonderen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Kenntnisse.“
  • „Bei der Buchhaltung handelt es sich folglich nicht um eine die besondere Qualifikation der steuerberatenden Berufe erfordernde Tätigkeit.“

Da im Ausgangsfall aber der Gesamtvertrag zwischen Mandant und Steuerberater gekündigt wird, spielt es keine Rolle, dass bis zur Kündigung nur Buchhaltungstätigkeiten erbracht wurden.

 

 

Anmerkung des Autors

Aus Sicht des BGH erbringen Steuerberater Dienste höherer Art, da sie typischerweise Einblicke in die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten erhalten und diese Einblicke nur aufgrund persönlichen Vertrauens in die Person des Steuerberaters gewährt werden. Aber auch (Bilanz-)Buchhalter erhalten Einblicke in die Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Dies gilt gerade auch für die Lohnbuchhaltung. Es erscheint wirklichkeitsfremd, dass ein Unternehmer einen selbstständigen (Bilanz-)Buchhalter ohne Vertrauensbasis mit der Buchhaltung beauftragen würde.

Auch die Aussagen, dass Buchhaltung keine besonderen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Kenntnisse erfordert, erscheinen verwunderlich. Warum bemühen sich dann jedes Jahr bundesweit so viele Menschen darum, die Qualifikation „geprüfte/r Bilanzbuchhalter/in (IHK)“ zu erwerben? Und weshalb ist die Durchfallquote so hoch bei dieser Prüfung, wenn doch alles so einfach ist? „Keine steuerrechtlichen Kenntnisse“ – Wo lernt man denn dann die aktuell richtige Verbuchung von Geringwertigen Wirtschaftsgütern oder anschaffungsnahen Herstellungskosten? Im Musikunterricht?

„Die Verbuchung der Umsätze und Aufwendungen soll keine besonderen Kenntnisse erfordern?“ – Aber es bedarf dann einer „wissenschaftlichen, künstlerischen oder technischen Vorbildung“, um die Umsatzsteuer-Voranmeldung zu erstellen? Okay, bei vielen Buchführungsprogrammen sind dafür zwei bis drei Mausklicks erforderlich. Vielleicht wird dieses Geheimwissen nur von Steuerberatern von Mund zu Ohr weitervermittelt. BGH-Urteil bleibt BGH-Urteil – trotz der Verwunderung über so viel Wirklichkeitsferne.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 6/2019 

becklink417729

Anzeigen

BC Newsletter

beck-online Bilanzrecht PLUS

wiwicareer-vahlen

Teilen

Menü