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Umfang des Auskunftsanspruchs bezüglich von im Rahmen einer Außenprüfung dem Finanzamt zur Verfügung gestellten Daten und deren Verarbeitung

BC-Redaktion

FG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2021 – 4 K 3156/18 AO (Revision nicht zugelassen)

 

Das Finanzamt wird verpflichtet, dem Steuerpflichtigen eine Kopie seiner personenbezogenen Daten, die das Finanzamt aufgrund der steuerlichen Außenprüfung zu den Jahren 2007 bis 2009 erhalten hat, in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen.

 


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Bei einem Versandhändler wurde eine steuerliche Außenprüfung für Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 2007 bis 2009 durchgeführt (Zusammenfassung des Ergebnisses nach Schlussbesprechungen vom 7.3.2017 und vom 20.6.2017 mit Bericht vom 23.8.2017).

Dabei wurde eine mangelhafte Kassenführung festgestellt. Beispielsweise konnte nicht festgestellt werden, wie die Tageseinnahmen ermittelt wurden. Die digitalen Grundaufzeichnungen wurden unzureichend übermittelt. Aus den eingereichten Kassendaten war eine Überprüfung der auf Rechnung verkauften Artikel mit den debitorisch gebuchten Rechnungen in der Finanzbuchhaltung nicht möglich. Unterlagen zur Verfahrensdokumentation für die gelieferten Dateien lagen nicht vor.

Wegen der nicht ordnungsgemäßen Buchführung erfolgte durch das Finanzamt eine Hinzuschätzung (Schätzung der Besteuerungsgrundlagen u.a. mit einem Sicherheitszuschlag von 8% der Nettobareinnahmen).

Daraufhin beantragte der Versandhändler eine Einweisung durch das Finanzamt: Welche Schritte wurden von der Datenübernahme über die Bearbeitung der Rohdaten bis hin zur Auswertung und deren Interpretation vollzogen? Außerdem sollten alle Daten auf einer CD/DVD oder einem USB-Stick zur Verfügung gestellt werden, die das Finanzamt im Zusammenhang mit der steuerlichen Betriebsprüfung eingelesen und erzeugt hat (inklusive Verarbeitungsregeln, Methoden und Kriterien sowie der Tragweite und Auswirkungen der Datenverarbeitung etc.). Die Schätzungsgrundlagen müssten von der Finanzbehörde so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfung insbesondere hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit und ihres Ergebnisses möglich sei. Dazu sollten sowohl die Kalkulationsgrundlage als auch die Ergebnisse der Kalkulation sowie die Ermittlungen, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, offengelegt werden. Der Versandhändler macht somit seinen Auskunftsanspruch nach der DS-GVO (Datenschutz-Grundverordnung) geltend.

Wenn der Steuerpflichtige nach Auffassung der Steuerverwaltung aus § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO beim Einsatz einer steuerrechtlich relevanten Software verpflichtet sei, dafür eine Verfahrensdokumentation vorzulegen, müsse dies auch für die von der Steuerverwaltung selbst eingesetzte Software gelten. Insoweit handle es sich um zum Verständnis der Berechnungen erforderliche Arbeitsanweisungen und Organisationsunterlagen.

Das Finanzamt machte daraufhin von seinem Auskunftsverweigerungsrecht (nach § 32c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO) Gebrauch. Eine der Begründungen lautete: Mit der Herausgabe der Finanzamtsdaten werde die Aufdeckung steuerlich bedeutsamer Sachverhalte wesentlich erschwert. Steuerpflichtige würden insbesondere in die Lage versetzt, steuerlich bedeutsame Sachverhalte zu verschleiern, steuerlich bedeutsame Spuren zu verwischen und/oder sich bei Art und Umfang der Erfüllung steuerlicher Mitwirkungspflichten auf den Kenntnisstand der Finanzbehörden einzustellen (vgl. § 32a Abs. 2 AO).

Herauszugeben seien nur Kalkulationsgrundlagen, nicht sämtliche von der Finanzverwaltung erzeugte Daten. Dies nur dann, wenn es sich um eine computergestützte mathematisch-statistische Methode oder andere Ergebnisse wie einen Zeitreihenvergleich mit umfangreichen Datenmengen handelt, die ohne Computerunterstützung nur noch beschränkt oder gar nicht mehr nachzuprüfen seien.

Überdies regle Art. 15 Abs. 3 DS-GVO nur das Verfahren, nach dem Auskünfte zu erteilen seien, nicht aber inhaltliche Anforderungen an die zu erteilende Auskunft. Danach sei der Versandhändler im Zeitpunkt der Antragstellung bereits detailliert über die personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung gewesen seien, informiert gewesen, sodass die Ablehnung des Auskunftsantrags rechtmäßig sei.

Die angewandte Schätzungsmethode sei nicht Gegenstand des Auskunftsanspruchs, da es sich hierbei nicht um personenbezogene Daten im Sinne des Art. 2 Nr. 1 DS-GVO handle. Gleiches gelte auch für daraus gezogene Schlussfolgerungen.

 

 

Lösung

Zulässig ist die Klage des Versandhändlers, soweit sie sich auf die Verarbeitung personenbezogener Daten auf Rechte aus der DS-GVO wie nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO stützt. Das Finanzamt ist daher verpflichtet, dem Versandhändler eine Kopie der personenbezogenen Daten, die das Finanzamt bei dessen steuerlicher  Außenprüfung erhoben hat, zur Verfügung zu stellen.

Nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person („betroffene Person”) – hier den Versandhändler – beziehen. Dass personenbezogene Daten (zuvor) von der berechtigten Person zur Verfügung gestellt worden sind, schließt diesen Anspruch nicht aus. Vielmehr stammt in aller Regel der größte Teil der Daten von den Auskunftssuchenden selbst.

Der Versandhändler hat nur Anspruch auf die Daten in einem gängigen elektronischen Format (z.B. auch in Form einer Excel-Tabelle).

Keinen Anspruch hat der Versandhändler auf die beantragte Auskunft über die Methoden und Kriterien sowie die Tragweite und Auswirkungen der Datenverarbeitungbei der steuerlichen Außenprüfung zu den Jahren 2007 bis 2009 nach DS-GVO (u.a. Art. 15 DS-GVO). Auch besteht kein Anspruch darauf, dass die Verfahrensdokumentation offengelegt wird, die für die Verwendung der beim Steuerpflichtigen eingesetzten Prüfsoftware während der steuerlichen Außenprüfung einschlägig war. Hierfür gibt es in der DS-GVO erst recht keine Anspruchsgrundlage.

 

 

Praxishinweise:

Gemäß § 162 AO „Schätzung von Besteuerungsgrundlagen“ können die Finanzbehörden eine Schätzung vornehmen, wenn die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder berechnet werden können. Sofern die sachliche Richtigkeit der Buchführung nicht gewährleistet ist, kann diese (nach § 158 AO „Beweiskraft der Buchführung“) nicht die Grundlage der Besteuerung bilden. Es kommt somit wiederum zu einer Schätzung.

Die Beweiskraft der Buchführung kann durch formelle und materielle Fehler erschüttert werden:

  • Bei formellen Fehlern (z.B. Nichteinhaltung der Aufbewahrungsvorschriften, unvollständige Aufzeichnungen etc.) kann die gesamte Buchhaltung verworfen und durch Schätzung ersetzt werden.
  • Bei materiellen Fehlern (z.B. Doppelbuchung einzelner Rechnungen) kommt es zu punktuellen Korrekturen.

Die Finanzbehörden verwenden häufig auch statistische Verfahren (z.B. Chi-Quadrat-Test), um Fehler in der Buchführung aufzuspüren. Dabei ist zu beachten, dass eine statistische Auffälligkeit allein nicht ausreichend ist, um die Richtigkeitsvermutung der Buchführung zu erschüttern.

Dem Außenprüfer stehen verschiedene Schätzmethoden zur Auswahl. Die gängigsten sind:

  • Externer Betriebsvergleich/Richtsatzsammlung:
    Hier wird mithilfe von Vergleichsdaten ähnlicher Betriebe eine Gewinnschätzung vorgenommen. Steuerpflichtige sollten auf jeden Fall darauf achten, ob die verwendeten Vergleichsdaten auch wirklich repräsentativ für das eigene Unternehmen sind.
  • Interner Betriebsvergleich (Zeitreihenvergleich/Nachkalkulation):
    Beim internen Betriebsvergleich wird die Betriebsentwicklung über einen längeren Zeitraum verfolgt (Zeitreihenvergleich). Unerwartete Entwicklungen (z.B. starker Rückgang der Barumsätze bei gleichbleibendem Wareneinsatz) führen zu Korrekturen durch den Prüfer.

Achtung!

Die Hinzuschätzung führt in der Regel zu hohen Steuernachzahlungen. Immer wieder kommt es dabei vor, dass die Finanzbehörden „über das Ziel hinausschießen“ und zu offensiv mit Vergleichsdaten umgehen. Steuerpflichtige sollten daher bei ungerechtfertigt hohen Nachforderungen mit fachkundiger Hilfe gegen die Schätzung vorgehen.

 

[Anm. d. Red.]

 

 

BC 6/2023

BC2023606

 

 

 

 

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