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Neuorientierung des Controllings in der Inflation

Dr. Günter Lubos

 

Der rasante Anstieg von Rohstoff-, Energie- und teilweise bereits Arbeitskosten schlägt sich aktuell in der Ergebnisrechnung von Unternehmen nieder. Viele Controller werden dabei mit Herausforderungen konfrontiert, die sie bis dato nicht kannten. Wer im inflationären Umfeld den Bestand sichern will, muss schnellstmöglich resiliente (widerstandsfähige) Instrumente etablieren.


 

 

Praxis-Info!

 

Hintergrund

Ein Ende des Anstiegs von Rohstoff-, Energie- und teilweise bereits Arbeitskosten ist derzeit nicht absehbar. Während einige Unternehmen mit ausländischen Tochterfirmen in einem inflationären Umfeld vielleicht über ein geeignetes Instrumentarium verfügen, ist Inflation für die meisten Controller hierzulande oft völliges „Neuland“, das einige Fragen für sie aufwirft:

  • Bildet die Ergebnisrechnung die tatsächliche Ergebnissituation noch richtig ab, bzw. wie sieht das inflationsbereinigte Ergebnis des Unternehmens aus? Werden insbesondere die Materialeinsatzkosten in der Ergebnisrechnung realitätsbezogen abgebildet?
  • Inwieweit ist eine Standardkostenrechnung noch geeignet, um das Produktportfolio und das Unternehmen zielgerichtet zu steuern, und wo sind Anpassungen nötig? Zu analysieren ist, ob statische Kalkulationen noch angemessen sind oder es häufigerer Anpassungen bedarf.
  • Sind die mit dem Kunden vereinbarten Preisgleitklauseln zur Erlössicherung ausreichend, und ist das Vertriebscontrolling richtig aufgestellt, um auf rasch aufsteigende Einstandspreise reagieren zu können sowie eine Antwort auf der Erlösseite zu finden?

Wer sich also stabil aufstellen will, muss jetzt im Controlling handeln. Zunächst ist Transparenz darüber gefragt, wo und wie sich die Inflation im Unternehmen, in den Herstell- und damit in den Produktkosten niederschlägt. Dazu werden Instrumente benötigt, die die Auswirkungen des Inflationsgeschehens laufend beobachten und transparent machen.

 

 

Lösung

Der insoweit erforderliche aktuelle Handlungsbedarf lässt sich an vier Aufgabenbereichen festmachen:

(1) Kürzere Beobachtungsintervalle: In sehr vielen Unternehmen genügt es nicht mehr, einmal zu Beginn des Jahres Maschinenstundensätze oder Kostensätze als Kalkulationsbasis festzulegen. Stattdessen müssen ggf. die Materialpreise über Durchschnittswerte in einem kürzeren Intervall als bislang gleitende Durchschnitte über längere Perioden ermittelt werden.

(2) Management des Produktportfolios als wichtige Controllingaufgabe: Die Zusammensetzung des Produktportfolios hat entscheidenden Anteil an der Ergebnissicherung in inflationären Zeiten. Die Konzentration auf Produkte, die in ausreichender Menge auf der Basis der Verfügbarkeit von Vorprodukten – Stichwort „Lieferkettensicherheit“ – erstellt werden können, sowie die Sicherung der prozentualen Deckungsbeitragsqualität (Deckungsbeitrag in Relation zum Erlös des Produkts) sind dabei wichtige Controllingprojekte.

(3) Mengenbezogene Steuerung mit Fokus auf Produktionscontrolling: Die Deckungsbeitragsmarge wird dabei durch steigende Einstandspreise, insbesondere beim Material, bedroht. Um hier Entscheidungshilfen zur Portfoliosteuerung zu geben, sollte das Controlling sich nicht nur auf die rein „wertmäßigen“ Controlling-Größen, wie z.B. den Deckungsbeitrag, fokussieren. Vielmehr bedarf es eines „Drill Down“ in die mengenrelevanten Größen – ausgehend vom Produktergebnis:

  • Wie viel Energieaufwand geht in welche Produkte ein, wie viele personelle Ressourcen sind nötig, um bestimmte Produkte zu fertigen?
  • Welche „bedrohten“ Rohstoffmengen infolge von Lieferengpässen sind für welche Produkte erforderlich?
  • Welche einzusetzenden Materialien sind besonders stark inflationsbedroht?

Um derartige Fragen zu beantworten, ist vom Unternehmenscontrolling ein starker Fokus auf das Produktionscontrolling gefragt – oder zumindest eine enge Zusammenarbeit mit Produktion und Einkauf.

(4) Wachsende Bedeutung des Vertriebscontrollings zur Steuerung des Pricing: Neben der Optimierung des Portfolios unter Kostengesichtspunkten und der Suche nach Einsparungspotenzialen kommt bei steigenden Einstandspreisen dem Pricing und damit der Optimierung der Erlöse große Bedeutung zu – was vor allem das Vertriebscontrolling fordert. Umfassende Transparenz bei der Erlös- und Konditionenqualität bei Kunden und Produkten ist dabei ein wichtiges Element:

  • In welchen Kombinationen wird angesichts der steigenden Preise die beste Marge realisiert?
  • Welche Preis-Mengen-Relationen sind zu erwarten?
  • Welche Auswirkungen haben Anpassungen auf das Produkt- und Kundenportfolio?

Diese Fragen lassen sich am besten auf Basis eines umfassenden Vertriebscontrollings mit entsprechenden Instrumenten beantworten.

 

 

 

Praxishinweise:

  • Vom Inflationsgeschehen überraschte Controller und Managementexperten können die vier genannten Bereiche als Checkliste verwenden und abprüfen, inwieweit die eigenen Steuerungsinstrumente es auch in dem massiv veränderten Umfeld erlauben, geeignete Handlungsempfehlungen abzuleiten. Insbesondere sollte selbstkritisch analysiert werden, ob auf die jeweils drei oben unter (3) und (4) formulierten Fragen die erforderlichen Antworten bereitgestellt werden.
  • Das kann letztlich nur ein interdisziplinärer Controllingansatz leisten, der als Erfolgsfaktor in inflationären Zeiten auf resiliente Instrumente für das „Kosten-Neuland“ setzt. Nur wenn alle Funktionsbereiche im Unternehmen zusammenarbeiten, kann den aktuellen Herausforderungen effektiv begegnet werden. Das Controlling muss seine Betrachtungsweise ausweiten und eine Vielzahl von Aspekten einbeziehen, die bislang nicht von Bedeutung waren. Nur wer schnellstmöglich widerstandsfähige Instrumente etabliert, wird auch im inflationären Umfeld Fuß fassen bzw. überleben.

 

 

Dr. Günter Lubos, Mitglied der Geschäftsleitung bei Dr. Wieselhuber & Partner

 

 

BC 8/2022

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