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BMF-Richtsätze als geeignete Schätzungsgrundlage?

Christian Thurow

BFH Beschl. v. 14.12.2022 – X R 19/21


Wird im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung eine ordnungswidrige Kassenführung festgestellt, kommt es häufig zu einer Schätzung von Einnahmen. Eine der möglichen Schätzungsmethoden basiert auf der vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) veröffentlichten Richtsatzsammlung, welche u.a. Rohgewinnaufschläge enthält. Doch taugt die Richtsatzsammlung wirklich als Schätzungsgrundlage? Der BFH hat hierzu noch einige Fragen.


 

Praxis-Info!

Problemstellung

Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung bei einer Diskothek wurde eine ordnungswidrige Kassenführung festgestellt. Das Finanzamt nahm daher eine Einnahmenschätzung auf Basis der BMF-Richtsätze für Gastronomiebetriebe vor.
Aus Sicht des Klägers stellt diese Richtsatzsammlung keine zuverlässige Grundlage für Schätzungen dar, weil die in die Richtsatzsammlung einfließenden Parameter (Kenngrößen) gegen statistische Logiken und Regeln verstoßen. Der Kläger führte u.a. die folgenden Punkte an:
  • Die Anzahl der Vergleichsbetriebe umfasse nur rund 1/10 der Grundgesamtheit, was statistisch gesehen zu gering ist, um allgemeine Aussagen über die Grundgesamtheit zu treffen.
  • Die einzelnen Gewerbeklassen seien zu ungenau abgegrenzt. So sei eine Diskothek nicht mit einer Gaststätte vergleichbar.
  • Länderspezifische Besonderheiten würden nicht berücksichtigt. Außerdem bestehe das Risiko, dass bestimmte Regionen innerhalb Deutschlands aufgrund aktiverer Finanzämter überproportional vertreten seien.
  • Es sei nicht klar, ob die in die Sammlung eingehenden Außenprüfungsergebnisse korrigiert werden, wenn das Ergebnis der steuerlichen Außenprüfung erfolgreich vor Gericht angefochten wird.
  • Ergebnisse von Verlustbetrieben würden nicht berücksichtigt, was zu einer Verfälschung der Richtsätze führe.

Lösung

Auch der BFH hat einige Fragen zur Verwertbarkeit der BMF-Richtsatzsammlung als Schätzungsgrundlage und fordert daher das BMF auf, dem Verfahren beizutreten. Im weiteren Verfahrensverlauf sieht der BFH Klärungsbedarf bei den folgenden Fragen:
  • Wie wird die Repräsentativität der Daten sichergestellt?
  • Welche Einzeldaten fließen mit welchem Gewicht in die Ermittlung der Richtsätze der jeweiligen Gewerbeklasse ein?
  • Wie wird die regional zum Teil erheblich unterschiedliche Höhe fixer Betriebskosten – insbesondere bei Raum- und Personalkosten – bei der Festlegung bundeseinheitlicher Richtsätze berücksichtigt?
  • Weshalb bleiben die Ergebnisse von steuerlichen Außenprüfungen bei sog. Verlustbetrieben unberücksichtigt, obwohl auch solche Betriebe grundsätzlich einen positiven Rohgewinnaufschlagsatz ausweisen?
  • Wie finden ganz oder teilweise erfolgreiche Rechtsbehelfe des Steuerpflichtigen gegen Steuerbescheide, die infolge einer steuerlichen Außenprüfung ergangen sind, Eingang in die Richtsatzsammlung?
  • Wie kann dem Steuerpflichtigen ermöglicht werden, das Ergebnis einer Schätzung auf der Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung nachzuvollziehen und zu überprüfen?
Der Ausgang des Verfahrens dürfte eine Vielzahl von strittigen Außenprüfungsergebnissen betreffen und darf daher mit Spannung erwartet werden.

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 4/2023

BC2023402

 

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