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Nachhaltigkeit: Erkennen und Lösung von Umsetzungsproblemen

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Klima Umwelt

Hinsichtlich des im Management immer mehr dominierenden Nachhaltigkeitsziels deckt eine neue Studie Umsetzungsprobleme auf, die in Deutschland ausgeprägter zu sein scheinen als im internationalen Vergleich. Die nachfolgend aufgezeigten Ansatzpunkte zur Gegensteuerung können helfen, die fehlende Übereinstimmung zwischen Anspruch und Wirklichkeit einzugrenzen. Sinnvoll dürfte es sein, insoweit nicht nur das Topmanagement zu adressieren, sondern auch nachgeordnete Führungsebenen einzubinden.


Praxis-Info!

Problemstellung

Einer aktuellen Befragung von mehr als 2.000 Mitgliedern der ersten Führungsreihe lässt sich entnehmen, dass zwar mittlerweile ein starkes Bewusstsein für die Herausforderungen des Klimawandels entwickelt wurde: Die Top-Führungskräfte äußern sich zunehmend besorgt über den Zustand des Weltklimas. Abzulesen ist aber auch, dass man – insbesondere in Deutschland – in der Umsetzung nur zögerlich vorankommt. Ferner deckt die Studie auf, dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit der getroffenen Maßnahmen Diskrepanzen (Missverhältnisse) bestehen. Allerdings wächst nach den am 20.1.2022 veröffentlichten Erkenntnissen einer Deloitte-Studie auch der Optimismus, die Herausforderungen des Klimawandels bewältigen zu können, dass also sofortiges Handeln etwas bewirken kann. 88% der Befragten sind dieser Meinung, vor acht Monaten lag diese Zahl noch bei 63%.

Auf globaler Ebene geben rund zwei Drittel der Führungskräfte im Sustainability Survey 2022 an, dass ihre Unternehmen den Klimawandel sehr ernst nehmen, und 79% sehen die Welt an einem Wendepunkt, an dem gehandelt werden muss (20% mehr als in einer ähnlichen Deloitte-Umfrage von Anfang 2021). Die Besorgnis der Befragten wird durch die Auswirkungen beeinflusst, die der Klimawandel schon jetzt nach sich zieht: Fast alle Befragten (97%) geben an, dass ihre Unternehmen bereits negativ vom Klimawandel betroffen sind, und etwa die Hälfte sagt, dass ihre Geschäftstätigkeit beeinträchtigt wurde, z.B. durch Störungen der Geschäftsmodelle und der weltweiten Liefernetzwerke. Vier von fünf der Top-Führungskräfte waren in den letzten 12 Monaten persönlich von einem Klimaereignis, wie etwa extremer Hitze, Stürme oder Waldbrände, betroffen. Darüber hinaus erhöhen die Interessengruppen – darunter Regulierungsbehörden, Aktionäre, Verbraucher und Mitarbeiter – den Handlungsdruck in Sachen Nachhaltigkeit.

Neben der Problemskizzierung enthält die lesenswerte Studie nachfolgend beschriebene Ansatzpunkte in Richtung Problemlösung, die nicht nur das Topmanagement, sondern auch nachgeordnete Führungsebenen betreffen.

 

Lösung

Als zu überwindende Widerstände führen die Befragten Margen- und Kostenfragen an, zum Teil auch die mangelnde Nachvollziehbarkeit nachhaltiger Maßnahmen. In der Konsequenz tun – so die Einschätzung des Studienleiters Dr. Thomas Schlaak, Leiter Sustainability Services Deutschland bei Deloitte – viele Unternehmen noch zu wenig für eine wirkliche Transformation. Hier hinke Deutschland im internationalen Vergleich hinterher und tue sich vermutlich aufgrund des starken Wettbewerbs in den Weltmärkten schwer, schnell umzulenken. Es entsteht der Eindruck, als würden gerade deutsche Vorstände bzw. Geschäftsführer noch zu wenig Druck verspüren, um die keineswegs geringen Herausforderungen in punkto Nachhaltigkeit konsequent anzugehen.


Worin bestehen die wichtigsten Probleme im Zusammenhang mit dem Klimawandel, die sich bereits auf Ihr Unternehmen auswirken (Deutschland / global)?

  • Regulatorische/politische Unsicherheit (55% / 47%)
  • Druck von der Gesellschaft (48% / 42%)
  • Ressourcenknappheit / Kosten der Ressourcen (46% / 39 %)
  • Kosten der Eindämmung des Klimawandels (44% / 40%)
  • Operative Auswirkungen von klimabedingten Katastrophen (42% / 48%).

 

Offenbar spüren die deutschen Topmanager die Auswirkungen des Klimawandels eher im Regulatorischen als in der tatsächlichen Veränderung des Klimas – anders im weltweiten Vergleich, wo eher die operativen Folgen der Klimarisiken gefürchtet werden und entsprechend stärkerer Handlungsdruck besteht (vgl. Kasten oben). Bislang – so die Autoren der Studie – denken Führungskräfte hierzulande, dass sich klimaschützende Maßnahmen vor allem auf die weichen Kennzahlen wie die Marke, die Kundenzufriedenheit, Moral und das Recruiting positiv auswirken werden und weniger auf die harten KPIs (Key Performance Indicators – wesentliche Leistungskennzahlen) wie Umsatz und Marge. Dies habe zu einer gewissen Lähmung geführt, unterstützt von der regulatorisch bedingten Unsicherheit und den Schwierigkeiten, wirklich in der Tiefe glaubhaft die Nachhaltigkeit des unternehmerischen Tuns zu beziffern, zu bewerten und darstellen zu können.

Als wichtigste Maßnahmen im Sinne der Erreichung des Nachhaltigkeitsziels gelten unter den deutschen Antwortgebern

  • die effizientere Energienutzung (73%),
  • die Zunahme der Verwendung nachhaltiger Materialien (71%),
  • die Nutzung klimafreundlicher Technologien inkl. Modernisierung und Verlagerung von Anlagen, um sie widerstandsfähiger gegen Klimaeinflüsse zu machen (66%), und
  • die Vermeidung luftfahrtgestützter Transporte (60%) sowie
  • die Entwicklung klimafreundlicher Produkte und Dienstleistungen (52%).

Auch eine Kopplung der Vergütung von Führungskräften an die Nachhaltigkeitsleistung hat sich als zielführend erwiesen, ebenso wie die Anforderung an Lieferanten und Geschäftspartner, bestimmte Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen.

Insgesamt gesehen haben die Unternehmen weltweit, aber auch in Deutschland, zwar begonnen, zu handeln – dennoch werden Maßnahmen zu selten wirksam umgesetzt und der Klimaschutz in die Unternehmenskultur integriert.  Erforderlich ist aber gerade die Akzeptanz und der Einfluss der Führungskräfte, um einen bedeutenden Wandel zu bewirken.

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

Eine andere Interpretation der deutschen Studienergebnisse setzt den im Vergleich erhöhten Fokus auf die kurzfristigen Kosten des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Zukunft. Auch die Messbar- und Nachweisbarkeit der Nachhaltigkeitsmaßnahmen stellt insbesondere deutsche Unternehmen vor unerwartet große Probleme, was die Diskrepanz zwischen Ambitionen und Maßnahmen weiter verstärkt (vgl. Kasten unten).

Worin bestehen die größten Hindernisse für Nachhaltigkeitsbemühungen (Deutschland / global)?

  • Schwierigkeiten, die unternehmensseitigen Auswirkungen auf die Umwelt zu messen (40% / 30%)
  • Zu kostspielig (30% / 27%)
  • Unzureichendes Angebot an nachhaltigen oder schadstoffarmen Betriebsmitteln (27% / 27 %)
  • Das Ausmaß der notwendigen bzw. geforderten Veränderungen ist zu groß (25% / 24%)
  • Konzentration auf kurzfristige Geschäftsprobleme / Forderungen von Investoren / Aktionäre (23% / 25%).


Praxishinweise:

  • Der „CxO Sustainability Survey 2022” steht unter https://www2.deloitte.com/de/de/pages/sustainability1/articles/cxo-sustainability-survey-2022.html zum Download bereit. C-Level-Positionen, auch C-Suite oder CxO genannt, kennzeichnen die oberste Management-Ebene eines Unternehmens. Der Buchstabe x in CxO ist dabei als Platzhalter zu verstehen. Neuerdings ist oft vom CXO mit X als Großbuchstaben die Rede, dabei handelt es sich allerdings um die Position Chief Experience Officer (CXO). Ein CXO sensibilisiert Unternehmen für die Bedürfnisse des Kundenstamms. Aber auch für die Erfahrungen der Mitarbeiter ist ein CXO zuständig. Die Stelle als CXO wurde in vielen Unternehmen geschaffen, um besser steuern zu können, wie Kunden und auch Mitarbeiter ein Unternehmen wahrnehmen und sich mit diesem identifizieren.
  • Für die spezifisch deutsche Sicht ist ein PDF unter https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/de/Documents/CxO%20Sustainability%20Report_Deloitte_Germany.pdf verfügbar. Bilanzbuchhalter/innen und Controller/innen, die insoweit das oben angesprochene Kernproblem der Messbar- und Nachweisbarkeit der Nachhaltigkeitsmaßnahmen vielleicht schon aus eigener Erfahrung kennen, erhalten über die derzeit in der BC laufende Beitragsreihe zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (vgl. zuletzt hinsichtlich der Arbeitnehmerbelange den Teil 4 in BC 2022, 15 ff., Heft 1) eine Fülle von Hinweisen und Anregungen zum Umgang mit diesem Problem.

 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

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