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Umsatzsteuer
   

Zur Haftung des Abtretungsempfängers beim sog. echten Factoring

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 16.12.2015, XI R 28/13

 

Bisher galt überwiegend die Auffassung, die Regelungen des § 13c UStG würden nur bei der Sicherungsabtretung, nicht aber beim echten Factoring greifen. Schließlich erhält der abtretende Unternehmer im Rahmen des Factoringgeschäfts genügend liquide Mittel, um seine Umsatzsteuerschulden zu begleichen. Diese Idylle hat der BFH nun jäh gestört – mit Folgen für die gesamte Factoringbranche.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Das in der Schweiz ansässige Unternehmen B trat im Rahmen eines echten Factoringgeschäfts sämtliche Forderungen aus Warenlieferungen an das ebenfalls in der Schweiz ansässige Unternehmen A ab. A trug das Kreditrisiko für die Forderungen. B erhielt einen Betrag von 80% der abgetretenen Forderungen als Vorfinanzierung. Die restlichen 20% wurden abzüglich der Factoringgebühren nach Begleichung der Forderung durch den Kunden gezahlt. A wiederum trat sämtliche Forderungen mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland an das deutsche Unternehmen C ab.

Nachdem über das Vermögen des B die Insolvenz eröffnet wurde, nahm das Finanzamt den Factoringgeber A für die Umsatzsteuerschulden des B in Anspruch. In seiner erfolgreichen Klage vor dem erstinstanzlichen Finanzgericht machte A geltend, dass eine Haftung nach § 13c UStG nicht zur Anwendung komme, wenn es dem abtretenden Unternehmer (hier: B) möglich gewesen wäre, die Umsatzsteuerschulden aus den vom Abtretungsempfänger (hier: A) gezahlten Beträgen zu begleichen. Eine andere Auslegung würde gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen.

 

 

Lösung

Der BFH vertritt – wie das Finanzamt – die Auffassung, dass der Abtretungsempfänger (A) auch beim echten Factoring als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden kann. Nach § 13c Abs. 1 UStG haftet der Abtretungsempfänger für die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer, soweit sie im vereinnahmten Betrag enthalten ist. Auch aus der Gesetzesbegründung geht die Haftung des Abtretungsempfängers klar hervor.

Voraussetzung ist, dass der Abtretungsempfänger die abgetretene Forderung ganz oder teilweise vereinnahmt hat. Die Übertragung der Forderung an einen Dritten gilt dabei gemäß § 13c Abs. 1 UStG als Vereinnahmung. Da A im Ausgangsfall die deutschen Forderungen an C übertragen hat, hat A die Forderungen im Sinne des § 13c UStG vereinnahmt.

Eine Beschränkung der Haftung nach § 13c UStG auf Fälle der Sicherungsabtretung ist der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Vielmehr heißt es dort ausdrücklich, dass der Abtretungsempfänger Unternehmer sein müsse und auch der echte Factor Unternehmer sei. Demzufolge fällt auch das echte Factoring nach dem Willen des Gesetzgebers in den Anwendungsbereich des § 13c UStG. Die Haftung verstößt auch nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Der Abtretungsempfänger haftet nur für den im vereinnahmten Abtretungsbetrag enthaltenen Umsatzsteueranteil. Dies ist mit Blick auf das Gesetzesziel „Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen“ nicht zu beanstanden.

 

 

Praxishinweis:

Durch das Urteil wird die Haftung des § 13c UStG nun vollumfänglich auf Factoring-Unternehmen ausgeweitet. Diese haften bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen für die Umsatzsteuerschulden ihrer Vertragspartner. Factoring-Unternehmen sollten daher künftig ein umfangreicheres Steuerberichtswesen von ihren Vertragspartnern einfordern. Vermeidet das abtretende Unternehmen bewusst die Zahlung der Umsatzsteuer (Steuerhinterziehung oder -verkürzung), so greifen gemäß § 169 AO verlängerte Festsetzungsfristen von bis zu zehn Jahren. Abtretungsempfänger sollten diese Fristen bei der Archivierung ihrer Geschäftsunterlagen berücksichtigen.

 

 

Beim echten Factoring übernimmt der Factoring-Geber das Delkredererisiko. In der Praxis existieren verschiedene Factoring-Varianten. Die „gängige” ist das Full-Service-Factoring. Bei ihm werden Kundenrechnungen bei der Factoringgesellschaft eingereicht und von dieser bezahlt. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer bis zum Geldeingang auf dem Auszahlungskonto des Kunden beträgt 48 Stunden. In der Regel ist ein Forderungsausfallschutz Bestandteil des Vertrags. Der Factor sichert sich wiederum mit einer Kreditversicherung ab. Die Kosten liegen je nach Vertragsstruktur und Volumen aktuell zwischen 0,10% und 5,00% vom Umsatz. Zudem übernimmt der Factor das Debitorenmanagement. Das Full-Service-Factoring – in der Branchenterminologie auch „Standard-Factoring” genannt – beinhaltet somit die drei Funktionen Finanzierung, Delkredere und Dienstleistung (vgl. Godek, BC 2014, 523 ff., Heft 12).

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

BC 4/2016

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