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Umsatzsteuer
   

Gastronomie: Steuersatzsenkung für Speisen als Herausforderung für Buchführungsexperten

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Corona-Steuerhilfegesetz, Koalitionsbeschluss vom 6.5.2020

 

Das Gesetz enthält u.a. die am 22.4.2020 vom Koalitionsausschuss angekündigte Absenkung des Mehrwertsteuersatzes von 19% auf 7% und soll damit insbesondere Restaurants und Gaststätten bei der Bewältigung der COVID-19-Pandemie gezielt unterstützen. Mit der Steuersatzsenkung will man nach Angaben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 6.5.2020 Gaststätten und Restaurants einen kräftigen Schub geben, wenn sie wieder öffnen. Auf einen kräftigen Schub ihrer Arbeitsbelastung müssen sich aber auch die mit der Verbuchung dieser Geschäftsvorfälle befassten Buchhaltungsexperten einstellen, denn im Detail stellen sich viele Abgrenzungsfragen.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Mit dem Entwurf des Corona-Steuerhilfegesetzes ergänzt die Bundesregierung ihre weitreichenden Hilfsprogramme zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie und setzt die Beschlüsse des Koalitionsausschusses vom 22.4.2020 im Steuerrecht zügig um. Der Umsatzsteuersatz wird für nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.7.2021 erbrachte Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen mit Ausnahme der Abgabe von Getränken von 19% auf 7% abgesenkt.

 

 

 

Hinweis:

Steuerlich unterstützt werden mit dem oben genannten Steuerhilfegesetz daneben auch Beschäftigte in Kurzarbeit. Zuschüsse der Arbeitgeber zum Kurzarbeitergeld, die den Lohnausfall für die Monate März bis Dezember 2020 ausgleichen, werden entsprechend der Sozialversicherungsbeiträge von der Lohnsteuer befreit. Die Beschäftigten haben dadurch mehr vom Zuschuss und die Unternehmen einen höheren Anreiz, ihre Beschäftigten zu unterstützen. Zudem erhalten insbesondere Kommunen zwei Jahre mehr Zeit für notwendige Anpassungen an das Umsatzsteuerrecht. Sie sollen sich jetzt auf die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie konzentrieren können. Enthalten sind im Gesetzentwurf auch Fristverlängerungen im Umwandlungsgesetz.

 

 

 

Bislang ist für verzehrfertig zubereitete Speisen, die in einem Restaurant, einem Café oder einer Bar verzehrt werden, eine Belastung mit 19% Umsatzsteuer zu berechnen. Für Gerichte, die der Gast mitnimmt oder nach Hause bestellt, fallen dagegen in der Regel nur 7% an. Umsatzsteuerlich ist somit bislang folgende Unterscheidung vorzunehmen:

  • Qualifikation als regelbesteuerte „Vor-Ort-Dienstleistung“ (19%) oder
  • Bestimmung als ermäßigt zu besteuernde „Außer-Haus-Lieferung“ (7%).

Nun soll – unabhängig von der Frage, ob im konkreten Fall die Dienstleistungs- oder Lieferungselemente überwiegen – generell für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen befristet bis zum 1.7.2021 der 7%-Steuersatz zur Anwendung kommen (die Befristung ist noch in der politischen Diskussion, befürwortet wird teilweise auch eine dauerhafte Beibehaltung der anstehenden Neuregelung).

Der Gesetzgeber erwartet durch die Absenkung des Umsatzsteuersatzes eine Stimulierung der Nachfrage und eine Belebung der Konjunktur. Zudem betont er, dass neben den klassischen Gastronomiebetrieben hiervon auch andere Bereiche, wie etwa Cateringunternehmen, der Lebensmitteleinzelhandel, Bäckereien und Metzgereien, soweit sie mit der Abgabe verzehrfertig zubereiteter Speisen bislang Umsätze zum normalen Umsatzsteuersatz erbracht haben, profitieren würden.

 

 

Lösung

Vor diesem Hintergrund wurde zunächst bemängelt, dass bei Betrieben, die (zumindest vorübergehend) keine Umsätze machen (dürfen), eine Steuersatzsenkung nur perspektivisch Mut mache, aber ansonsten verpuffe. Nun sind Öffnungen mittlerweile in Sichtweite bzw. in Teilen schon vollzogen, sodass die Steuersatzsenkung zum 1.7.2020 Wirkung zeigen dürfte. Außerdem wurde in ersten Stellungnahmen auf den „handfesten Vereinfachungseffekt“ hingewiesen, „weil Gastwirte dann nicht mehr zwischen Speisen zum Mitnehmen und Restaurantleistungen unterscheiden müssen, die bisher unterschiedlich abgerechnet wurden“ (so BdSt-Präsident Reiner Holznagel). Tatsächlich wird vielerorts die Frage „Zum Mitnehmen oder zum Vor-Ort-Verzehr?“ Kunden künftig aus umsatzsteuerlicher Sicht nicht mehr gestellt werden müssen, wenn sie eine Speise kaufen.

Allerdings führt die geplante Senkung des Umsatzsteuersatzes aus Sicht der Steuer- und Buchhaltungsexperten zu neuen Aufteilungsproblemen. Denn im Gegensatz zu Speisen (7%) sollen alkoholische und nichtalkoholische Getränke weiterhin – wie bisher – dem Regelsteuersatz (19%) unterfallen. Grundsätzlich gilt demnach für ein Jahr: Essen 7% USt und Getränke 19% USt, egal wo. Zudem bleibt nach Angaben von auf die Gastronomie spezialisierten Steuerexperten (siehe unter https://www.eureos.de/geplante-corona-hilfe-7-statt-19-umsatzsteuer-auf-speisen-fuer-ein-jahr/) eine spitzfindige Besonderheit erhalten: Bei Milch, Milcherzeugnissen und Milchmischgetränken gilt nach wie vor: gemütlich im Café 19% USt und „to Go“ 7%.

Daraus wird sich in der Buchführungspraxis von Restaurants ebenso wie von Imbissbuden, Bäckereien, Eisdielen, Marktständen, Caterern etc. die Frage ergeben, wie einheitliche Entgelte etwa für Menüs oder Brunch-Angebote, die sowohl Speisen (7%) als auch Getränke (i.d.R. 19%) enthalten, sachgerecht aufzuteilen sind. In Hotels könnte sich sogar das Detail-Problem ergeben, dass für Übernachtung und „Frühstücks-Speisen“ 7%, für „Frühstücks-Getränke“ hingegen 19% abzuführen wären. Und was gilt z.B. bei Bäcker-Pauschalen (1 Brötchen mit Kaffee und kostenlosem Refill) und bei Caterern, die neben dem Essen auch das Porzellangeschirr ausleihen?

Hiermit zeigt sich, dass die geplante Senkung des Umsatzsteuersatzes jedenfalls mit administrativem Aufwand im Hinblick auf die korrekte Aufteilung, Schätzung und Rechnungslegung der entsprechenden Umsätze einhergehen wird. Um das Umsatzsteuerrisiko zu verringern, empfiehlt es sich schon jetzt, entsprechende Aufteilungsmaßstäbe vorzubereiten und deren Anwendung – gegebenenfalls in Abstimmung mit dem zuständigen Finanzamt – dann ausreichend zu dokumentieren und zu begründen.

 

 

 

Praxishinweise:

  • Der Branchenverband DEHOGA sieht in der oben skizzierten Steuersatzsenkung einen „wichtigen Teilerfolg“. Allerdings müsse man auch sehen, dass Kneipen, Bars, Clubs und Discotheken, die ausschließlich Getränke anbieten, nicht von der Steuerentlastung profitieren werden.
  • Zudem werden die Steuersatzeffekte die zu erwartenden erheblichen Umsatzausfälle aufgrund der nach der Öffnung einzuhaltenden Abstandsregelungen und Schutzmaßnahmen nur stark begrenzt ausgleichen können.
  • Tatsächlich dürfte die Touristik insgesamt eine der am meisten von der Corona-Pandemie betroffenen Branchen sein. In Verbindung mit der Gegebenheit, dass in der Vergangenheit abgesagte Reisen nicht nachgeholt werden können (wie z.B. der Kauf eines Autos), sieht sich die vielfältige und sonst so lebendige Tourismuswirtschaft – vom Reisebüro über Reiseveranstalter, Hotellerie, Gastronomie und Veranstaltungszentren bis hin zu Mobilitätsanbietern wie beispielsweise Busunternehmen oder Airlines und Reedereien mit ca. 3 Mio. Beschäftigten – mehr noch als die Gesamtwirtschaft einem Horror-Szenario von ungekanntem Ausmaß gegenüber. Allein in der Gastronomie und Hotellerie wird nach DEHOGA-Angaben vom 29.4.2020 mit ca. 70.000 Insolvenzfällen gerechnet, sofern es nicht staatliche Hilfen und sehr bald verantwortbare Lockerungen geben würde.
  • Letztere gibt es jetzt und erlauben es damit z.B. den Controlling- und Beratungsexperten, Szenario-Analysen und darauf bezogene Berechnungen aller Art anzustellen. Die Kehrseite: Es müssen auch der höhere administrative Aufwand mit Blick auf die oben genannte Aufteilung eines Pauschalpreises und ein gegebenenfalls höherer Beratungsbedarf zur Durchsetzung eines solchen Maßstabs gegenüber der Finanzverwaltung beachtet werden.
  • Insgesamt gesehen ist es daher höchst ungewiss, ob sowie gegebenenfalls wann und wie lange Umsatz- und Performance-Niveaus vergangener Zeiten erreichbar sind. Nur eines ist relativ sicher: Wer rechnen kann, ist im Vorteil.
  • Dass Politiker hier bisweilen an ihre Leistungsgrenzen geraten, konnte schon vor Corona und auch vor Merkel beispielsweise an Brutto-/Netto-Verwechslungen auf Kanzler-Ebene abgelesen werden. Nachdem die blühenden Landschaften des Merkel-Vorgängers so lange auf sich warten ließen, dass derzeit immer noch ein Einheits-Solidaritätszuschlag erhoben wird, drängt sich heutzutage der Eindruck auf, dass immer weitere Milliarden- oder gar Billionen-Zuweisungen sich an einer sprichwörtlichen Devise orientieren: Das macht den Kohl auch nicht fett. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens ein häufiger Nachsatz dieses Sprichworts „Wir müssen sowieso Insolvenz anmelden“ in der Form eines Staatsbankrotts vermieden werden kann, was allerdings ohne einen neuerlichen und wahrscheinlich noch höheren Corona-Solidaritätszuschlag nicht gelingen dürfte.

 

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

BC 6/2020

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