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Wenn die „Koordinierungsstelle für digitale Dienste“ drei Mal klingelt…

Von Dr. Saleh R. Ihwas, Rechtsanwalt in Frankfurt am Main

…sollte man sich auf die Durchführung von Zwangsmaßnahmen gefasst machen: Die Koordinierungsstelle für digitale Dienste wird mit dem „Digitale Dienste Gesetz“ (DDG) ins Leben gerufen und bei der Bundesnetzagentur angesiedelt. Das DDG liegt im Entwurf vor (BT-Drs. 20/10031) und wurde am 18.1.2024 in erster Lesung im Bundestag beraten. Es soll noch in der ersten Jahreshälfte in Kraft treten. Die Koordinierungsstelle soll grds. unabhängig (§ 15 DDG-E) agieren und vergleichbare Kompetenzen und Ermittlungsbefugnisse (§ 24 DDG-E) wie die Staatsanwaltschaft erhalten, wie zB Durchsuchung (§ 25 DDG-E) und Beschlagnahme (§ 26 DDG-E).

Das DDG soll die nationalen Vorschriften an die dazugehörige europäische Verordnung anpassen – dem seit dem 17.2.2024 (vollständig) anwendbaren Digital Services Act (DSA). Der DSA richtet sich an Online-Vermittlungsdienste, wie zB Cloud- und Webhostingdienste, und reiht sich in eine Vielzahl entsprechender europäischer Regelungswerke ein: Von Digital Markets Act (DMA), Cybersecurity Act (CSA) und Data Governance Act (DGA) hin zu Data Act (DA) und Artificial Intelligence Act (AIA). Diese Verordnungen sind teils bereits verkündet (DA) sowie in Kraft (CSA, DGA, DMA, DSA) oder liegen als Vorschlag vor (AIA). Sie enthalten allesamt Bußgeldvorschriften bzw. Öffnungsklauseln zum Erlass solcher Vorschriften durch die Mitgliedstaaten. Im Falle eines Verstoßes soll sich die Höhe des Bußgeldes am Unternehmensumsatz orientieren. Bei Verstoß gegen die Normen des DMA können sogar Bußgelder in Höhe von bis zu 10% – bei Wiederholung bis zu 20% – des Unternehmensumsatzes festgesetzt werden.

Auch der DSA verfügt über eine Öffnungsklausel zum Erlass von nationalen Bußgeldvorschriften. Danach können Mitgliedsstaaten Sanktionsvorschriften erlassen, die Geldbußen von bis zu 6% des weltweiten Jahresumsatzes vorsehen (Art. 52 Abs. 3 DSA). Eine solche Bußgeldvorschrift ist im aktuellen Entwurf des nationalen Anpassungsgesetzes in § 33 Abs. 7 DDG-E enthalten.

Die Zuständigkeit für die Verhängung solcher Bußgelder liegt bei der Koordinierungsstelle für digitale Dienste. Diese erhält ähnliche sanktionsrechtliche bzw. strafprozessuale Kompetenzen wie die Datenschutzbehörden – und Letztere machen von ihren Befugnissen Gebrauch. Die Landesdatenschutzbehörde Niedersachsen nutzt bspw. Maßnahmen wie Durchsuchung und Beschlagnahme regelmäßig und bezeichnete diese bereits im Jahr 2021 als „typische Ermittlungsmethoden in Bußgeldverfahren“ (vgl. Tätigkeitsbericht DSB Niedersachsen v. 27.05.2021, S. 90). Wie die Koordinierungsstelle ihre Befugnisse nutzen wird, bleibt abzuwarten. Aber allein die derzeitige Ausgestaltung lässt vermuten, dass die Koordinierungsstelle kein „zahnloser Tiger“ sein wird. 

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