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Villa und Pförtnerhaus

Von Prof. Dr. Andreas Ransiek, LL.M. (Berkeley), Universität Bielefeld

Nach § 140 StPO ist insbesondere bei schweren Tatvorwürfen die Verteidigung des Beschuldigten notwendig. Ihm wird ein Verteidiger bestellt, wenn er noch keinen hat. Er soll die Interessen des Beschuldigten zur Gewährleistung eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens vertreten. Das gilt selbst dann, wenn dieser das gar nicht wünscht. Ein Verzicht auf den Verteidiger ist gesetzlich nicht vorgesehen.

 

Aus § 141 StPO ergibt sich genauso eindeutig, dass die notwendige Verteidigung bei einer potentiell vorentscheidenden Maßnahme im Ermittlungsverfahren doch nicht notwendig ist: Bei der ersten polizeilichen Vernehmung ist dann, wenn der Beschuldigte selbst in der Lage ist, sich zu verteidigen (Abs. 2 Nr. 3), ein Verteidiger nur dann vorab zu bestellen, wenn der Beschuldigte dies ausdrücklich beantragt (Abs. 1 S. 1) oder die sonstigen Gründe des § 141 Abs. 2 StPO vorliegen. Schon die Kombination ist verblüffend. Auf der einen Seite soll ein Verteidiger erforderlich sein, auf der anderen Seite geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Beschuldigte seine Interessen sehr wohl selbst wahrnehmen kann. Aber selbst wenn der Verteidiger bereits vor der Vernehmung zu bestellen war, soll daraus nach Auffassung des 3. Strafsenats des BGH nicht zwingend ein Verwertungsverbot folgen.

 

Findet die Hauptverhandlung zu einem wesentlichen Teil in Abwesenheit einer Person statt, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, ist der absolute Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO gegeben. Eine solche Person ist der notwendige Verteidiger. Niemand dürfte zudem daran zweifeln, dass die Vernehmung des aussagewilligen Angeklagten wesentlich ist, insbesondere dann, wenn er ein Geständnis ablegt.

 

Es ergibt keinen Sinn, bei der Vernehmung des Angeklagten auf der Anwesenheit des Verteidigers zur Wahrung eines rechtsstaatlichen Verfahrens zu bestehen, bei der vorentscheidenden Vernehmung im Ermittlungsverfahren aber darauf zu verzichten. Gesteht der Beschuldigte in der ersten Vernehmung, ist – so der U.S. Supreme Court im Jahr 1947 – die Katze aus dem Sack und man bekommt sie nicht wieder hinein. Yale Kamisar hat dies für die USA schon im Jahr 1965 beklagt: In der Villa der Hauptverhandlung greifen den Beschuldigten schützende Rechte, die im Pförtnerhaus der Polizeivernehmung nicht in gleicher Weise zugestanden werden. Es ist schade, dass dies für das deutsche Recht fast 60 Jahre später immer noch zu konstatieren ist. 

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